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Rechtsstreit: Kann auch wegen bereits anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens ausgesetzt werden

06.08.2021

Ein Rechtsstreit kann in entsprechender Anwendung von § 148 Absatz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ausgesetzt werden, wenn entscheidungserheblich ist, wie Unionsrecht auszulegen ist, und zu dieser Frage bereits ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig ist. Dies stellt das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Verfahren um die Vergütung von Nachtarbeit heraus.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Süßwarenindustrie. Der Kläger versieht bei ihr Nachtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit. Die Parteien sind an den Bundesmanteltarifvertrag für die Angestellten, gewerblichen Arbeitnehmer und Auszubildenden der Süßwarenindustrie vom 14.05.2007 (BMTV) gebunden. Dieser bestimmt, dass für Nachtarbeit in Schicht- und Wechselschichtarbeit, die in die Nachtzeit von 22.00 bis 6.00 Uhr fällt, ein Zuschlag von 15 Prozent je Stunde zu zahlen ist. Für Nachtarbeit in Schicht- und Wechselschichtarbeit, die regelmäßig länger als 14 Tage überwiegend in die Nachtzeit von 22.00 bis 6.00 Uhr fällt, ist ein Zuschlag von 20 Prozent je Stunde geschuldet. Sonstige Nachtarbeit ist mit zusätzlich 60 Prozent je Stunde zu vergüten.

Der Kläger verlangt von der Beklagten für die von ihm in der Nachtzeit erbrachten Arbeitsstunden eine höhere als die bereits geleistete Vergütung. Er meint, die Regelungen im BMTV zu den Zuschlägen für Nachtarbeit in Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit verstießen gegen Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz (GG) und den unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Arbeit zur Nachtzeit werde in unterschiedlicher Höhe vergütet. Andere Umstände als der Gesundheitsschutz könnten höhere Zuschläge nicht rechtfertigen. Er habe deshalb Anspruch auf die Zuschläge von 60 Prozent je Stunde für sonstige Nachtarbeit.

Die Beklagte ist der Ansicht, die tarifvertraglichen Bestimmungen seien wirksam. Die allenfalls mittelbar an die Grundrechte gebundenen Tarifvertragsparteien hätten den ihnen nach Artikel 9 Absatz 3 GG zukommenden weiten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum eingehalten. Der Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit solle nicht nur die Erschwernis für die Arbeit in der Nacht ausgleichen, sondern diene auch dem Schutz der Freizeit der Arbeitnehmer. Eine Anpassung nach oben erweitere den Kostenrahmen der Beklagten in unzumutbarem Umfang.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das BAG setzt den Rechtsstreit in entsprechender Anwendung von § 148 Absatz 1 ZPO aus, bis der EuGH über die Vorabentscheidungsersuchen in den Rechtssachen C-257/21 und C-258/21 entschieden hat. Diese beiden Vorabentscheidungsersuchen seien in zwei von fast 400 vor dem Zehnten Senat des BAG anhängigen Revisionsverfahren ergangen, in denen es um die Höhe tariflicher Zuschläge für Arbeitsstunden geht, die in Nachtschichten geleistet werden. Entscheidungserheblich seien Fragen der Auslegung von Unionsrecht. Der Senat hat den EuGH um Vorabentscheidung über diese Fragen ersucht (Beschluss vom 09.12.2020, 10 AZR 332/20 (A) und 10 AZR 333/20 (A)). Sie stellten sich in gleicher Weise in dem geführten Rechtsstreit.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28.07.2021, 10 AZR 397/20 (A)

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