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Opfer eines Banküberfalls: Erhält weitere Entschädigung in Form eines Berufsschadensausgleichs

27.05.2021

Ein Opfer des Banküberfalls von Siegelsbach erhält eine weitere Opferentschädigung in Form eines Berufsschadensausgleichs. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg.

Das Opfer ist ein heute 46 Jahre alter gelernter Bankkaufmann. Berufsbegleitend zu seiner Tätigkeit als stellvertretender Filialleiter schloss er im April 2004 erfolgreich seine Prüfung zum IHK-Wirtschaftsinformatiker ab. Im Oktober 2004 wurde er mit 29 Jahren Opfer eines Banküberfalls. Der Täter ging davon aus, dass sein Opfer am Nachmittag allein in der Bank sein werde und hatte sich entschlossen, diesem unmaskiert gegenüber zu treten und ihn zu töten. Er passte das Opfer nach der Mittagspause ab, folgte ihm in die Bank und zwang ihn mit einer Pistole, den Tresor zu öffnen. Um sich die Beute von rund 33.000 Euro zu sichern und den Tatzeugen zu beseitigen, zwang der Täter sein Opfer, sich hinzuknien und schlug ihm mit der Unterseite des Pistolengriffs zwölf Mal mit voller Wucht auf den Kopf, bis dieser schließlich zusammensackte. Das Opfer wurde durch Notoperationen gerettet.

Neben mehreren Reha-Aufenthalten erfolgte ab Oktober 2005 in Teilzeit zu 50 Prozent die Wiedereingliederung des Opfers auf einem Arbeitsplatz im Electronic-Banking mit Telefonhotline. Im Februar 2008 war ein erneuter Arbeitsplatzwechsel erforderlich, nachdem das Opfer des Banküberfalls den Anforderungen an diese Tätigkeit nicht gewachsen war. Seit September 2008 ist die Arbeitszeit auf 40 Prozent reduziert. Vom zuständigen Unfallversicherungsträger bezieht das Opfer eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 Prozent.

In der Folgezeit stellte das Land Baden-Württemberg einen Grad der Schädigung (GdS) von 60 ab Mai 2005 sowie von 70 ab April 2017 fest. Berufsschadensausgleich stehe dem Opfer erst ab April 2017 zu, weil medizinische und berufliche Rehabilitationsmaßnahmen erst ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erfolgversprechend und zumutbar gewesen seien.

Der heute 46-Jährige klagte auf Gewährung von höherem und früherem Berufsschadensausgleich: Aufgrund der Folgen der Straftat könne er nicht mehr als Wirtschaftsinformatiker arbeiten; der dadurch entstandene wirtschaftliche Schaden sei daher auszugleichen. Das Sozialgericht Mannheim wies die Klage ab, weil Rehabilitationsmaßnahmen bis März 2017 noch erfolgversprechend gewesen wären und der Kläger lediglich als Bankkaufmann und nicht entsprechend seiner IHK-Ausbildung als Wirtschaftsinformatiker gearbeitet habe.

Die Berufung des Klägers war weitgehend erfolgreich. Das LSG hat das beklagte Land Baden-Württemberg verurteilt, ihm höheren Berufsschadensausgleich bereits ab September 2006 zu gewähren. Denn er könne schadensbedingt aufgrund seiner kognitiven Einschränkungen seine vor dem schädigenden Ereignis ausgeübte Vollzeittätigkeit als Bankkaufmann mit der Qualifikation als Wirtschaftsinformatiker nicht mehr nachgehen. Sein Leistungsvermögen sei bereits nach der letzten stationären Rehabilitationsmaßnahme im Frühjahr 2006 dahingehend gesunken, dass ihm nur noch eine Tätigkeit von maximal drei Stunden täglich mit geringerer geistiger und körperlicher Beanspruchung möglich sei.

Zwar entstehe nach dem Grundsatz "Reha vor Rente" ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich frühestens in dem Monat, in dem zumutbare und erfolgversprechende Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgeschlossen seien. Das beklagte Land gehe bei seiner Ablehnung des Leistungsanspruchs für den Zeitraum vor April 2017 aber zu Unrecht davon aus, dass der Kläger durch weitere Rehabilitationsmaßnahmen voraussichtlich wieder in Vollzeit hätte arbeiten können. Tatsächlich habe dieser durch die massive Gewalteinwirkung auf den Kopf derart bleibende Schäden davongetragen, dass die Wiedereingliederung nur auf einem Teilzeitarbeitsplatz gelungen sei. Denn er benötige schädigungsbedingt klare Strukturen und definierte Abläufe, die er Stück für Stück und ohne Zeitdruck bearbeiten könne. Kundenkontakt komme nicht mehr in Betracht, da es den Kläger überfordere, unvorbereitet mit möglichen Fragen und komplexen Sachverhalten konfrontiert zu werden. Dass der Täter zunächst freigesprochen worden sei, habe den Kläger zusätzlich traumatisiert. Das beklagte Land habe zudem nicht ansatzweise dargelegt, welche konkreten Rehabilitationsleistungen mit welchem Ziel der Kläger noch hätte erbringen können.

Dem Kläger stehe auch ein höherer Berufsschadensausgleich zu, weil er ohne das schädigende Ereignis durch den IHK-Abschluss als Wirtschaftsinformatiker eine Entlohnung vergleichbar der Besoldungsgruppe A 9 des gehobenen Dienstes hätte erreichen können. Ein vom Kläger geforderter noch höherer Berufsschadensausgleich sei nicht zu gewähren. Denn soweit dieser darauf verweise, einen Abschluss als studierter Dipl.-Wirtschaftsinformatiker angestrebt zu haben, habe er nach der erfolgreichen IHK-Prüfung als Wirtschaftsinformatiker seine vorherige Tätigkeit als stellvertretender Filialleiter in Vollzeit fortgesetzt, ohne eine Absicht für ein Studium erkennen zu lassen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Kläger kann die Nichtzulassung der Revision noch vor dem Bundesozialgericht anfechten.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18.05.2021, L 6 VG 1518/20, nicht rechtskräftig

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