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Nebentätigkeit nicht angezeigt: Redakteur durfte abgemahnt werden

17.06.2021

Eine tarifliche Regelung, nach der ein angestellter Zeitschriftenredakteur dem Verlag die anderweitige Verwertung einer während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht anzuzeigen hat, soll dem Verlag regelmäßig die Prüfung ermöglichen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Verstößt der Arbeitnehmer gegen die Anzeigepflicht, kann dies eine Abmahnung rechtfertigen. Dies stellt das Bundesarbeitsgericht (BAG) klar.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Redakteur der Zeitschrift WirtschaftsWoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Redakteure an Zeitschriften in der Fassung vom 04.11.2011 (MTV) Anwendung. Nach § 13 Ziffer 3 MTV bedarf ein Redakteur zur anderweitigen Verarbeitung, Verwertung und Weitergabe der ihm bei seiner Tätigkeit für den Verlag bekannt gewordenen Nachricht der schriftlichen Einwilligung des Verlags. Der Arbeitsvertrag der Parteien verlangt anstelle der schriftlichen Einwilligung des Verlags die der Chefredaktion.

Im September 2017 nahm der Kläger im Rahmen einer Dienstreise in die USA an der Standorteröffnung eines deutschen Unternehmens teil, um darüber für die Beklagte zu berichten. Der Artikel des Klägers enthielt unter anderem die Schilderung eines Vorfalls, der sich während der Eröffnungsveranstaltung am abendlichen Buffet zwischen dem Kläger und der ausrichtenden Unternehmerin im Beisein von Redakteuren anderer Zeitschriften zugetragen hatte. Auf die Erklärung des Klägers, er esse nichts, da er "zu viel Speck über‘m Gürtel" habe, kniff die Unternehmerin dem Kläger in die Hüfte. Diese Passage wurde von der Redaktion der Zeitschrift WirtschaftsWoche gestrichen.

Im Dezember 2017 fragte der Kläger seinen Chefredakteur, ob der Vorfall nicht doch noch im Rahmen der "#MeToo-Debatte" veröffentlicht werden könne. Dies lehnte der Chefredakteur ab. Der Ankündigung des Klägers, den Beitrag anderweitig zu publizieren, begegnete der Chefredakteur mit einem Hinweis auf das Konkurrenzverbot im Arbeitsvertrag. Im März 2018 erschien – ohne vorherige Unterrichtung der Beklagten – in der Tageszeitung (taz) ein Beitrag des Klägers mit dem Titel "Ran an den Speck". Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin eine Abmahnung, weil er es unterlassen hatte, die schriftliche Einwilligung der Chefredaktion einzuholen.

Der Kläger begehrt die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Er meint, der Erlaubnisvorbehalt in § 13 Ziffer 3 MTV verletze ihn als Redakteur in seiner durch Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz (GG) geschützten Berufsfreiheit sowie in den weiteren Grundrechten auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 GG, außerdem in dem Recht aus Artikel 10 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Es sei nicht erforderlich gewesen, die Einwilligung der Chefredaktion einzuholen, weil die Beklagte eine Veröffentlichung endgültig abgelehnt habe, um die Unternehmerin zu schützen.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, so das BAG, den Kläger wegen Verletzung seiner Anzeigepflicht aus § 13 Ziffer 3 MTV abzumahnen. Die Verpflichtung eines Redakteurs, den Verlag vor der anderweitigen Veröffentlichung einer ihm während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht um Erlaubnis zu ersuchen, verstoße weder gegen Verfassungs- noch gegen Konventionsrecht.

Im Rahmen der Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen von Redakteur und Verlag sei zu berücksichtigen, dass Letzterer erst durch die Anzeige der beabsichtigten Nebentätigkeit in die Lage versetzt wird zu überprüfen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Dahinter müsse das Interesse des Arbeitnehmers, die Nachricht ohne vorherige Einbindung des Verlags zu veröffentlichen, regelmäßig zurücktreten.

Das Landesarbeitsgericht habe vorliegend ohne Rechtsfehler angenommen, der Kläger sei unter den gegebenen Umständen verpflichtet gewesen, vor der Veröffentlichung des Artikels in der taz die Einwilligung der Chefredaktion einzuholen. Die Beklagte habe ein berechtigtes Interesse an der Unterrichtung gehabt, um die Verwertung der Nachricht durch einen Wettbewerber gegebenenfalls verhindern zu können, während die Belange des Klägers dadurch nur unwesentlich beeinträchtigt worden wären.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.06.2021, 9 AZR 413/19

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