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Gassigehen als Gefälligkeit: Hundehalter haftet

17.05.2021

Der Halter eines Hundes haftet auch für Schäden, die eine Person beim Ausführen des Tieres aus bloßer Gefälligkeit erleidet. Hierauf weist das Landgericht (LG) Coburg hin. Im konkreten Fall kam jedoch ein hälftiges Mitverschulden zum Tragen.

Die Klägerin führte seit vielen Tagen den Hund ihres Nachbarn spazieren, ein sehr ruhiges und liebes Tier. Ihr machte dies Freude und der im Schichtdienst arbeitende Nachbar wurde hierdurch entlastet. Eines Abends sah der Hund in der Dämmerung eine Katze und wollte ihr nachlaufen. Die Klägerin war davon so überrascht, dass sie die Leine nicht rechtzeitig loslassen konnte, und stürzte mit der Schulter auf eine Bordsteinkante. Sie verletzte sich dabei so schwer, dass sie operiert werden musste und trotz Physiotherapie nun dauerhaft in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Von ihrem Nachbarn verlangte die Klägerin Schadenersatz, hauptsächlich Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden, weil sie nach der Operation ihren Haushalt nicht wie gewohnt selbst führen konnte.

Das LG Coburg gab ihr teilweise Recht. Der beklagte Nachbar hafte als Halter des Hundes für Schäden, die durch sein Tier verursacht werden. Dass die Verletzungen der Klägerin durch ein Verhalten des Hundes verursacht worden waren, sei unzweifelhaft gewesen. Mit dem zum Sturz führenden unerwarteten Losrennen des Hundes auf der Jagd nach einer Katze habe sich gerade die aus der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens resultierende Gefahr realisiert.

Die Klägerin habe durch das freiwillige Ausführen des Hundes auch nicht etwa auf eine Haftung des Tierhalters verzichtet. Ein solches Handeln auf eigene Gefahr komme zwar beispielsweise in Betracht, wenn jemand die Ausbildung eines "scharfen" Hundes übernimmt. Eine solche besondere Gefahrgeneigtheit des ansonsten sehr ruhigen und lieben Hundes habe hier jedoch gerade nicht vorgelegen.

Die Tierhalterhaftung des Nachbarn sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin dessen Hund aus bloßer Gefälligkeit spazieren führte. Es sei zwar davon auszugehen, dass hierdurch keine der Parteien eine rechtliche Verpflichtung eingehen wollten. Die Klägerin habe den Hund spazieren geführt, weil es ihr Freude machte, und der Beklagte sei bei seiner Schichtarbeit entlastet worden. Allerdings würden deshalb Ansprüche im Rahmen der Tierhalterhaftung nicht ausgeschlossen.

Schließlich lehnte das LG auch die Voraussetzungen der Regelung zur Haftung eines Tieraufsehers ab, die zu einer für die Klägerin nachteiligen Beweislastverteilung geführt hätten. Voraussetzung dafür wäre, dass jemand durch Vertrag die Obhut über ein Tier übernommen hat. Das hier vorliegende Gefälligkeitsverhältnis der Parteien reiche dafür aber gerade nicht aus.

Allerdings habe die Klägerin beim Ausführen des Hundes nicht die nötige Konzentration und Sorgfalt gezeigt, so das OLG weiter. Gerade weil das Verhalten eines Tieres nie völlig vorhersehbar ist, habe die Klägerin beim Spazierengehen in der Dämmerung damit rechnen müssen, dass der Hund seinem Jagdtrieb folgend einfach losrennt. Sie hätte dann entweder die Leine im sicheren Stand fester halten oder rechtzeitig loslassen müssen, um einen Sturz zu vermeiden. Deshalb sei ihr ein hälftiges Mitverschulden anzulasten. Der beklagte Tierhalter müsse ihren Schaden daher nur zur Hälfte ersetzen.

Landgericht Coburg, Urteil vom 08.09.2020, 22 O 718/19, rechtskräftig

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