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Alte und am Wohnort verwurzelte Mieter: LG Berlin stärkt Schutz vor der (Eigenbedarfs-)Kündigung

31.05.2021

Mieter können vom Vermieter unter Berufung auf ihr hohes Lebensalter und ihre langjährige und tiefe Verwurzelung am Ort der Mietsache die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Dies hat das Landgericht (LG) Berlin entschieden.

Die Parteien des Rechtsstreits streiten über die Räumung und Herausgabe einer von der mittlerweile 89-jährigen Beklagten 1997 von den Rechtsvorgängern der Klägerin angemieteten Wohnung. Die Klägerin erklärte erstmals 2015 und in der Folge wiederholt die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs. Die Beklagte und ihr mittlerweile verstorbener Ehemann widersprachen den Kündigungen unter Verweis auf ihr hohes Alter, ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihre langjährige Verwurzelung am Ort der Mietsache und ihre für die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu beschränkten finanziellen Mittel.

Das Amtsgericht (AG) Mitte hatte die von der Klägerin erhobene Räumungsklage mit Urteil vom 26.10.2018 abgewiesen (20 C 221/16). Die dagegen erhobene Berufung der Klägerin hatte zunächst keinen Erfolg. Das LG Berlin wies sie mit Urteil vom 12.03.2019 mit der Begründung zurück, der Beklagten stehe gemäß § 574 Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch allein aufgrund ihres hohen Lebensalters ein Anspruch auf eine zeitlich unbestimmte Fortsetzung des Mietverhältnisses zu.

Allerdings hatte der Bundesgerichtshof (BGH) dieses Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin mit Urteil vom 03.02.2021 teilweise aufgehoben und den Rechtsstreit an das LG zurückverwiesen. Das hohe Alter eines Mieters begründe allein und ohne weitere Feststellungen zu den sich hieraus ergebenden Folgen für den betroffenen Mieter grundsätzlich noch keine Härte. Zudem hänge eine tiefe Verwurzelung des Mieters am Ort der Mietwohnung maßgeblich von der individuellen Lebensführung des jeweiligen Mieters ab (VIII ZR 68/19).

Das LG Berlin hat die Berufung der Klägerin nunmehr erneut zurückgewiesen. Es hat es dabei dahinstehen lassen, ob die von der Beklagten behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen tatsächlich derartig erheblich sind, wie vom AG angenommen. Mieter seien im Einzelfall auch ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen berechtigt, auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses berufen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sich die Mieter zum Zeitpunkt des Wohnungsverlustes bereits in einem hohen Lebensalter befänden und zudem aufgrund eines langjährigen Mietverhältnisses tief am Ort der Mietsache verwurzelt seien. Diese Voraussetzungen hat das LG nach erneuter Tatsachenfeststellung im zugrunde liegenden Fall für gegeben erachtet. Die Folgen des Wohnungsverlustes seien für die Beklagte so schwerwiegend, dass sie auf eine Verletzung ihrer durch Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz garantierten Menschenwürde hinausliefen.

Das LG hat gleichzeitig befunden, dass die Interessen der klagenden Vermieterin dahinter zurückzustehen hätten. Eine Interessenabwägung zugunsten des Vermieters käme bei kündigungsbedingten Verletzungen der Menschenwürde des Mieters allenfalls dann in Betracht, wenn der Vermieter besonders gewichtige persönliche oder wirtschaftliche Nachteile für den Fall des Fortbestandes des Mietverhältnisses geltend machen könne, die ein den Interessen des betagten und an seinem Wohnort tief verwurzelten Mieters zumindest gleichrangiges Erlangungsinteresse begründeten. Ein entsprechend hohes Erlangungsinteresse könne die Klägerin aber in diesem Fall nicht geltend machen, da die von ihr beabsichtigte Eigennutzung der Wohnung lediglich auf bloßen Komfortzuwachs und die Vermeidung unerheblicher wirtschaftlicher Nachteile gerichtet sei.

Das LG Berlin hat die erneute Revision zum BGH nicht zugelassen. Hiergegen kann grundsätzlich Beschwerde beim BGH eingelegt werden. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision würde eine Beschwer von über 20.000 Euro erfordern. Ob dieser Wert vorliegend erreicht ist, wäre laut LG vom BGH selbst zu entscheiden.

Landgericht Berlin, Urteil vom 25.05.2021, 67 S 345/18, nicht rechtskräftig

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