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Facebook: Darf Nutzeraccount nur ausnahmsweise ohne vorherige Abmahnung kündigen

08.02.2022

Facebook darf das Konto eines Nutzers nur in Ausnahmefällen kündigen, ohne den betroffenen Nutzer zuvor abgemahnt zu haben. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden und der Berufung eines Facebook-Nutzers gegen ein klageabweisendes Urteil des Landgerichts Mannheim weitgehend stattgegeben.

Facebook hatte im Sommer 2019 in zwei Fällen Beiträge des Klägers mit Bezug zur so genannten Identitären Bewegung gelöscht und das Nutzerkonto des Klägers jeweils vorübergehend gesperrt. Nach einem weiteren Posting des Klägers im Januar 2020 wurde sein Account dann dauerhaft deaktiviert. Dafür hatte sich das soziale Netzwerk auf Verstöße des Klägers gegen die Nutzungsbedingungen in Verbindung mit den Gemeinschaftsstandards berufen, die unter anderem die Unterstützung so genannter Hassorganisationen verbieten.

Die Klage auf Unterlassung dieser Löschungen und vorübergehenden Kontensperrungen sowie auf eine Reaktivierung des Nutzerkontos hatte in zweiter Instanz überwiegend Erfolg. Hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und der vorübergehenden Sperrung des Accounts hat das OLG festgestellt, dass diese Maßnahmen nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Facebooks in der maßgeblichen Fassung vom 19.04.2018 unzulässig waren.

Zwar sei der Anbieter eines sozialen Netzwerks dazu berechtigt, seinen Nutzern in AGB die Einhaltung objektiver und überprüfbarer Kommunikationsstandards vorzugeben, auch wenn diese über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Er dürfe sich dabei auch das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards einzelne Beiträge zu entfernen oder den Netzwerkzugang zu sperren.

Der Anbieter des sozialen Netzwerks müsse jedoch in seinen Geschäftsbedingungen sicherstellen, dass der Nutzer über die Entfernung eines Beitrags jedenfalls unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung des Nutzerkontos vorab informiert und ihm der Grund dafür mitgeteilt wird. Der Nutzer müsse dann die Möglichkeit zur Stellungnahme haben, an die sich eine erneute Entscheidung des Anbieters mit der Option anschließt, einen entfernten Beitrag auch wieder zugänglich zu machen.

Diesen Anforderungen würden die maßgeblichen Facebook-AGB nicht gerecht, weil darin kein verbindliches Verfahren vorgesehen sei, innerhalb dessen die von der Entfernung von Beiträgen und der Sperrung ihres Kontos betroffenen Nutzer Stellung nehmen können, so das OLG. Die Entfernungs- und Sperrungsvorbehalte in den AGB hat das OLG daher für unwirksam erachtet. Es schloss sich mit dieser Einschätzung bereits ergangenen Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021 (III ZR 179/20 und III ZR 192/20) an.

Nur wenn der Kläger strafbare Inhalte gepostet hätte, was aber nicht der Fall gewesen sei, wäre eine Löschung dieser Beiträge und eine Sperrung des Nutzerkontos dennoch möglich gewesen, so das OLG. Denn bei strafbaren Inhalten sei der Anbieter eines sozialen Netzwerks bereits aufgrund der gesetzlichen Vorgaben im Telemediengesetz und im Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu entsprechenden Maßnahmen verpflichtet.

Auch die Kündigung des Nutzungsvertrags durch Facebook hielt der rechtlichen Überprüfung durch das OLG nicht stand. Zwar dürfe ein Nutzungsvertrag bei Verstößen gegen Kommunikationsstandards beendet werden, wenn dafür ein wichtiger Grund vorliegt. Eine vorherige Abmahnung sei aber nur in eng begrenzten Ausnahmefällen entbehrlich, etwa bei besonders gravierenden Vertragsverletzungen oder bei offensichtlicher Zwecklosigkeit der Abmahnung. Für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen der Parteien sei es in der Regel erforderlich, dass der Nutzer vorab über die beabsichtigte Kündigung des Nutzervertrags informiert, ihm den Grund hierfür mitgeteilt und ihm eine Möglichkeit zur Gegenäußerung eingeräumt wird.

Im entschiedenen Fall habe Facebook vor der Kündigung des Nutzungsvertrags nicht wirksam abgemahnt. Die vorangegangenen Beitragslöschungen und Kontosperrungen seien wegen der festgestellten Unwirksamkeit des Entfernungs- und Sperrungsvorbehalts in den AGB rechtswidrig gewesen. Sie seien daher keine ordnungsgemäße Abmahnung gewesen.

Die Abmahnung sei auch nicht ausnahmsweise entbehrlich gewesen. Eine endgültige und ernsthafte Weigerung des Klägers, sich künftig an die vertraglichen Vereinbarungen zu halten, oder sonstige besondere Umstände, die eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses auch ohne vorherige Abmahnung unzumutbar erscheinen ließen, hätten nicht vorgelegen, so das OLG. Insbesondere hätten die Beiträge des Klägers keinen strafbaren Inhalt enthalten. Eine besonders gravierende Vertragsverletzung sei daher nicht gegeben gewesen.

Das OLG hat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 04.02.2022, 10 U 17/20

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