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Betriebsschließungsversicherung: Erneut weitgehend erfolgreiche Klage
Das Landgericht (LG) München I hat einer weiteren Klage auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 427.169,86 Euro aufgrund der coronabedingten Betriebsschließung gegen eine Versicherung weitgehend stattgegeben. Geklagt hatte die Betreiberin eines Gasthauses in München. Nach Ansicht des LG besteht eine Leistungspflicht der Versicherung.
Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hatte den klägerischen Betrieb ab dem 21.03.2020 aufgrund des Coronavirus geschlossen. Dabei komme es, so das LG, auf die Rechtsform und die Rechtmäßigkeit der Anordnung für die Einstandspflicht der Versicherung nicht an. Dass das Coronavirus nicht im Betrieb des Klägers aufgetreten ist, stehe dem Anspruch ebenfalls nicht entgegen. Denn nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) sei allein maßgeblich, dass der Betrieb aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) geschlossen wurde.
Der Betrieb der Klägerin sei auch vollständig geschlossen gewesen, ein – rechtlich zulässiger – Außerhausverkauf sei der Klägerin nicht zumutbar gewesen. Nach Ansicht der Richter stellt ein Außerhausverkauf, wenn er für den Restaurantbetrieb lediglich ein vollkommen untergeordnetes Mitnahmegeschäft ist, keine unternehmerische Alternative dar, auf die sich der Versicherungsnehmer verweisen lassen muss.
Der Versicherungsumfang sei – entgegen der Ansicht der beklagten Versicherung – nicht wirksam eingeschränkt worden, so das LG München I weiter. Denn die von der Beklagten in § 1 Ziffer 2 AVB verwendete Klausel sei intransparent und daher unwirksam. Dem Versicherungsnehmer müsse, wenn der Versicherungsschutz durch eine AVB-Klausel eingeschränkt wird, deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel besteht.
Diesen Anforderungen werde § 1 Ziffer 2 AVB nicht gerecht. Denn der Versicherungsnehmer gehe auf Basis des Wortlauts der AVB davon aus, dass der Versicherungsschutz dem Grunde nach umfassend ist und sich mit dem IfSG deckt und in § 1 Ziffer 2 AVB eine bloße Wiedergabe der gesetzlich erfassten Krankheiten und Krankheitserreger erfolgt. Dass die Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger in § 1 Ziffer 2 AVB jedoch im Vergleich zum IfSG unvollständig ist, sei für den Versicherungsnehmer nicht naheliegend. Denn eine klare und deutliche Formulierung wie zum Beispiel "nur die folgenden", "ausschließlich die folgenden" oder "diese Auflistung ist abschließend" enthalte die Klausel nicht.
Um den wahren Gehalt des Versicherungsschutzes zu erfassen, müsste der Versicherungsnehmer laut LG letztlich die Auflistung in § 1 Ziffer 2 AVB Wort für Wort mit der aktuellen geltenden Fassung des IfSG vergleichen. Eine Klausel, deren Tragweite nur durch den Vergleich mit einer gesetzlichen Vorschrift erkennbar wird, die der durchschnittliche Versicherungsnehmer dieser Versicherung nicht kennt, sei jedoch intransparent.
Im Hinblick auf die Höhe der zu zahlenden Entschädigung seien weder Kurzarbeitergeld noch staatliche Corona-Liquiditätshilfen anspruchsmindernd zu berücksichtigen, da es sich hierbei nicht um Schadenersatzzahlungen gerade für die Betriebsschließungen handele.
Inzwischen sind in dem Verfahrenskomplex Betriebsschließungsversicherung am LG München I 88 Klagen eingegangen.
Landgericht München I, Urteil vom 22.10.2020, 12 O 5868/20, nicht rechtskräftig