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Auslandsreisen: Pflicht zu Mitführen eines Ausweises oder Passes rechtens

07.10.2021

Ein EU-Mitgliedstaat kann seine Staatsbürger unter Androhung von Sanktionen dazu verpflichten, einen gültigen Personalausweis oder Reisepass mit sich zu führen, wenn sie in einen anderen Mitgliedstaat reisen, unabhängig vom benutzten Verkehrsmittel und Weg. Laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) steht das EU-Recht der strafrechtlichen Natur der verhängten Sanktion nicht entgegen. Es schließe jedoch unverhältnismäßige Sanktionen wie eine Geldstrafe in Höhe von 20 Prozent des durchschnittlichen Nettomonatseinkommens des Täters aus.

Ein Finne war an Bord eines Vergnügungsboots von Finnland nach Estland und zurück gereist. Während dieser Reise durchquerte er die internationalen Gewässer zwischen Finnland und Estland. Er war zwar Inhaber eines gültigen finnischen Passes, führte diesen jedoch während der Fahrt nicht mit sich. Daher konnte er bei einer in Helsinki bei seiner Rückkehr durchgeführten Grenzkontrolle weder diesen Pass noch ein anderes Reisedokument vorlegen. Seine Identität konnte jedoch anhand seines Führerscheins festgestellt werden.

Die finnische Staatsanwaltschaft leitete gegen den Finnen wegen der Verletzung der Staatsgrenze in einem minder schweren Fall ein Strafverfahren ein. Nach finnischem Recht müssen finnische Staatsangehörige unter Androhung strafrechtlicher Sanktionen einen gültigen Personalausweis oder Pass mit sich führen, wenn sie mit einem beliebigen Verkehrsmittel und auf einem beliebigen Weg in einen anderen Mitgliedstaat reisen oder wenn sie aus einem anderen Mitgliedstaat in das Hoheitsgebiet Finnlands einreisen.

Im ersten Rechtszug wurde festgestellt, dass der Betroffene hier durch das Überschreiten der finnischen Staatsgrenze, ohne ein Reisedokument mitzuführen, eine Straftat begangen habe. Gegen ihn wurde jedoch keine Strafe verhängt, weil es sich um eine minder schwere Straftat gehandelt habe und der Gesamtbetrag der Geldstrafe von 95.250 Euro, der gemäß der im finnischen Strafrecht vorgesehenen Regelung auf der Grundlage seines durchschnittlichen Monatseinkommens hätte gegen ihn verhängt werden können, überhöht gewesen wäre.

Da dem von der Staatsanwaltschaft gegen diese Entscheidung eingelegten Rechtsmittel nicht stattgegeben wurde, legte diese beim Obersten Gerichtshof Finnlands Rechtsmittel ein. Dieser fragt den EuGH, ob die hier in Rede stehenden finnischen Rechtsvorschriften mit dem Recht der EU-Bürger auf Freizügigkeit (Artikel 21 Vertrag über die Arbeitsweise der Union – AEUV) vereinbar sind.

Der EuGH hält erstens fest, dass die Wendung "einen gültigen Personalausweis oder Reisepass mit sich führen" in der Richtlinie 2004/38, mit der Artikel 21 AEUV konkretisiert wird, bedeute, dass die Ausübung des Rechts der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, davon abhängt, dass sie eines dieser beiden gültigen Dokumente bei sich tragen. Diese Formalität solle die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit erleichtern, indem gewährleistet wird, dass jede Person, der dieses Recht zusteht, im Rahmen einer möglichen Überprüfung ohne Schwierigkeiten als solche identifiziert wird. Folglich trage ein Mitgliedstaat, der seine Staatsangehörigen verpflichtet, eines dieser Dokumente mit sich zu führen, wenn sie die Staatsgrenze überschreiten, um in einen anderen Mitgliedstaat zu reisen, zur Einhaltung dieser Formalität bei.

Was die Sanktionen betrifft, die gegen einen EU-Bürger, der diese Formalität missachtet, verhängt werden können, stellt der EuGH unter Verweis auf die diesbezügliche Autonomie der Mitgliedstaaten klar, dass die Mitgliedstaaten – gegebenenfalls strafrechtliche – Sanktionen vorsehen können, sofern diese insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung beachten.

Die Modalitäten dieser Sanktionen müssten jedoch mit den allgemeinen Grundsätzen des EU-Rechts, einschließlich den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung, vereinbar sein. Werde, wie im vorliegenden Fall, die Pflicht, ein gültiges Reisedokument mitzuführen, von einem Freizügigkeitsberechtigten verletzt, der Inhaber eines solchen Dokuments ist, dieses aber bei seiner Reise nicht dabeihat, so sei die Straftat minder schwer. Daher stehe eine schwere Geldstrafe, wie etwa eine Geldstrafe, die 20 Prozent des durchschnittlichen Nettomonatseinkommens des Täters beträgt, nicht im Verhältnis zur Schwere dieses Verstoßes.

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 06.10.2021, C-35/20

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