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Aus Syrien Geflüchteter: Hat nach Wechsel des Studiengangs BAföG-Anspruch

11.10.2023

Ein aus Syrien stammender Flüchtling, der in seinem Heimatland acht Semester lang islamische Rechtswissenschaften studiert und nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ein Studium der "Sozialen Arbeit" aufgenommen hat, kann dafür Ausbildungsförderung beanspruchen. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen entschieden und damit das vorangegangene Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Münster geändert.

Das 2011 aufgenommene rechtswissenschaftliche Studium des Klägers an einer Hochschule in Damaskus endete ohne Abschluss mit seiner bürgerkriegsbedingten Flucht in 2015. In Deutschland wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach erfolgreichem Absolvieren von Deutschkursen nahm er 2018 das Studium der "Sozialen Arbeit" an einer Fachhochschule in Münster auf. Das Studierendenwerk lehnte seinen Antrag auf Ausbildungsförderung mit der Begründung ab, wegen seines mehrjährigen, nicht abgeschlossenen Studiums in Syrien komme eine Förderung der nunmehr begonnenen anderen Ausbildung nur bei Vorliegen eines unabweisbaren Grundes für den Fachrichtungswechsel in Betracht. An einem solchen Grund fehle es. Der Kläger müsse sich an seiner im Heimatland getroffenen Ausbildungswahl festhalten lassen, da ein rechtswissenschaftliches Studium auch in Deutschland angeboten werde.

Das Verwaltungsgericht (VG) wies die gegen die Antragsablehnung gerichtete Klage ab. Die Berufung des Klägers hatte dagegen Erfolg. Das nicht zum Abschluss gebrachte Studium der Rechtswissenschaften in Syrien sei förderungsrechtlich als Erstausbildung des Klägers zu berücksichtigen. Mit der späteren Aufnahme des Studiums der Sozialen Arbeit in Deutschland habe der Kläger einen Fachrichtungswechsel vollzogen. Dass er seine im Heimatland begonnene Hochschulausbildung fluchtbedingt endgültig aufgegeben hat, sei nicht erkennbar.

Der Fachrichtungswechsel habe auch auf einem für die Förderfähigkeit der anderen Ausbildung notwendigen unabweisbaren Grund beruht. Ein solcher erfordere Umstände, welche die Wahl zwischen der Fortsetzung der bisherigen Ausbildung und dem Überwechseln in eine andere Fachrichtung nicht zulassen. Im Fall des Klägers war ein Wechsel der Fachrichtung bei Fortführung der Hochschulausbildung in Deutschland laut OVG unausweichlich. Das gelte vor allem auch mit Blick auf die unterstellte Möglichkeit der Aufnahme eines Jurastudiums in Deutschland.

Von einer "Fortsetzung der bisherigen Ausbildung" im vorgenannten Sinne könne nur die Rede sein, wenn die fortgeführte Ausbildung derselben Fachrichtung zuzuordnen ist wie die bisher/vormals betriebene Ausbildung. Ein Studium der Rechtswissenschaften an einer deutschen Universität fiele aber offensichtlich in eine andere Fachrichtung als die rechtswissenschaftliche Ausbildung, die der Kläger an der Hochschule in Syrien betrieben hat. Die diametrale Unterschiedlichkeit der Rechtssysteme und -ordnungen beider Länder bilde sich auch in den jeweiligen rechtswissenschaftlichen Studiengängen ab. Allein daraus, dass die Studiengänge abstrakt dem gleichen Wissenschaftsgebiet zuzuordnen sind und nach erfolgreichem Abschluss eine Tätigkeit wohl in gleichen juristischen Berufsfeldern – einerseits in Syrien, andererseits in Deutschland – ermöglichen, folgt laut OVG nicht, dass ein in Syrien betriebenes Studium der Rechtswissenschaften in Deutschland "fortgeführt" werden könnte.

Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass Studierende mit (weit) vorangeschrittenem Ausbildungsstand sich förderungsunschädlich nur unter den engen Voraussetzungen des "unabweisbaren Grundes" von seinem ursprünglichen Ausbildungsziel lösen und einer anderen Ausbildung zuwenden können. Allerdings beruhe diese Vorstellung auf der Annahme, dass die begonnene Ausbildung auch tatsächlich in der Weise fortgeführt werden kann, dass sie auf bereits vermittelten Ausbildungsinhalten aufbaut und einen dementsprechend zeitgerechten Abschluss erwarten lässt. Daran fehle es, wenn sie – wie hier der Studiengang der Rechtswissenschaften an einer deutschen Universität – lediglich eine gleiche (oder ähnliche) Bezeichnung trägt und zu einer allenfalls "artverwandten" Qualifikation führt wie die Erstausbildung, sich aber inhaltlich vollkommen von dieser unterscheidet und folglich keinerlei Anrechnung bereits erbrachter Studienleistungen ermöglicht. Als anerkannter Flüchtling sei der Kläger auch nicht darauf zu verweisen, das in seinem Heimatland aufgenommene Studium der islamischen Rechtswissenschaften dort zum Abschluss zu bringen.

Das OVG hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.09.2023, 12 A 1659/21, nicht rechtskräftig

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