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5-Punkte-Plan des BdSt NRW auf Basis der Steuerwehrtour 2024
© BdSt NRW/GoogleMaps

5-Punkte-Plan zur Soforthilfe für Kommunen

Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e. V. / Newsticker Nordrhein-Westfalen 06.09.2024, Bärbel Hildebrand

Die Steuerwehr-Tour 2024 durch NRW ist beendet. Der Bund der Steuerzahler hat von Mai bis September 28 Kommunen in ganz Nordrhein-Westfalen besucht und mit Bürgermeistern und Kämmerern über die Haushaltslage diskutiert. Die Gespräche haben in großer Offenheit stattgefunden. Aus den Gesprächsergebnissen hat der BdSt NRW einen 5-Punkte-Plan zur Soforthilfe für Kommunen zusammengestellt.

Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen brauchen ein Soforthilfe-Programm. Nur so können sie ihre teilweise desolate Finanzlage nachhaltig verbessern und in der Folge ihre Kommunalsteuern wieder senken, um die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten.

Kritik der Kommunen

Das ist die zentrale Erkenntnis aus der BdSt-Steuerwehrtour, die der Verband im 75. Jahr seines Bestehens ins Leben gerufen hat. Auf dieser Tour hat der BdSt NRW von Mai bis August 28 Städte und Gemeinden in ganz Nordrhein-Westfalen besucht, die selbst in unserem Hochsteuerland auffallend hohe Hebesätze oder extreme Steigerungen bei der Grundsteuer B aufweisen. In diesen Kommunen hat das BdSt-Team mit den (Ober)Bürgermeistern und Kämmerern gesprochen, die unisono drei wesentliche Kritikpunkte nannten – egal ob Großstadt im Ruhrgebiet oder kleine Gemeinde in der Eifel oder in Ostwestfalen-Lippe:

  • eine unzureichende Finanzausstattung
  • überbordende Bürokratie
  • ungelöstes Altschuldenproblem

5-Punkte-Plan zur Soforthilfe für Kommunen

Diese Gespräche haben in großer Offenheit stattgefunden. Aus allem, was gehört und diskutiert wurde, hat der BdSt NRW einen 5-Punkte-Plan zur Soforthilfe für die Kommunen zusammengestellt.

  1. Der Förderdschungel muss gelichtet werden.
  2. Das Konnexitätsprinzip ist strikt einzuhalten.
  3. Das Altschuldenproblem muss gelöst werden.
  4. Standards gehören auf den Prüfstand.
  5. Ein neuer Finanzausgleich muss geschaffen werden.

Zu den fünf Punkten in aller Kürze im Einzelnen:

1. Förderprogramme

Die Kommunen beklagen, dass Förderprogramme vielfach falsche Anreize setzen und dass sie Projekte umsetzen, die eigentlich nachrangig sind. Das hörten wir u.a. in Troisdorf. In Nideggen sagte uns die Kämmerin, dass Projekte oft „Premium-Produkte“ sein müssten, um den Zuschlag zu bekommen. Dann wird mehr gemacht als nötig und dementsprechend mehr Geld ausgegeben.

Zudem ist es äußerst zeit- und personalintensiv, Fördermittel zu beantragen. Die Fristen sind oft sehr kurz – dafür warten die Kommunen monatelang auf den Bewilligungsbescheid. In dieser Zeit können sie nicht damit beginnen, das entsprechende Projekt umzusetzen; und wenn sie Pech haben, galoppieren ihnen in dieser Zeit z.B. die Baukosten davon. Das wurde konkret in Löhne erörtert.

Das Fazit des BdSt NRW hierzu: Die Zahl der Förderprogramme muss drastisch reduziert werden. Zwischen 2014 und 2024 hat sich die Zahl von 138 auf 266 fast verdoppelt. Das Volumen hat sich mehr als verfünffacht, von 1,04 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf 5,4 Milliarden Euro im Jahr 2023. Das Personal allein bei den mit den meisten Förderprogrammen betrauten Bezirksregierungen ist in diesem Zeitraum von 6.173 auf 8.506 Vollzeitstellen gewachsen (+38%). Ein größerer Anteil dieses Stellenzuwachses ist auf die massive Ausweitung der Förderprogramme zurückzuführen. Zusätzlich ist auch noch in den Ministerien selbst und bei der NRW.Bank in erheblichem Umfang Personal mit der Vielzahl der Förderprogramme befasst. Hier sieht der Bund der Steuerzahler dringenden Handlungsbedarf. Das frei werdende Geld sollte den Kommunen über den Finanzausgleich zur Verfügung gestellt werden. So können sie es vor Ort dort einsetzen, wo es dringender gebraucht wird als für goldene Bänke, Sonnenfänger oder Aussichtsplattformen (siehe: Schwarzbuch).

2. Konnexitätsprinzip

Die Städte und Gemeinden müssen inzwischen viele neue Aufgaben zusätzlich stemmen: Umweltschutzbestimmungen, Herausforderungen im Klimaschutz oder bauliche Veränderungen bei Schulen und KiTas wegen neuer pädagogischer Konzepte. Dadurch entstehen viele neue Aufwendungen, die nicht einfach durch die Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer zu kompensieren sind.

Eine exorbitante Kreis- und Jugendamtsumlage beklagen weitgehend alle kreisangehörigen Städte und Gemeinden. In Langerwehe berichtete der Bürgermeister von Familien in sozial prekären Verhältnissen, die aus Köln zu ihnen ziehen und hohe Unterstützungsleistungen benötigen. In Hürtgenwald kämpft man mit dem Offenen Ganztag – Vorschriften und Rechtsansprüche, die übergeordnete Ebenen setzen, für die sie die Kommunen aber nicht ausreichend finanziell ausstatten. Ein weiteres Negativbeispiel nannte uns Iserlohn: Der Bund hat den Kreis der Wohngeldberechtigten stark ausgeweitet. Die zusätzlichen Kosten für das Wohngeld übernimmt zwar der Bund, aber das für die Bearbeitung der nun viel zahlreicheren Anträge notwendige Personal – in Iserlohn sieben zusätzliche Stellen – gehen zu Lasten des Stadtsäckels.

Nicht nur die Kommunen, auch der Bund der Steuerzahler NRW sieht das Land und den Bund in der Pflicht, für zusätzlich aufgebürdete Aufgaben auch ausreichende finanzielle Mittel dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Eine Anschubfinanzierung oder Investitionskostenzuschüsse allein sind nicht ausreichend.

3. Altschulden

Die NRW-Kommunen sitzen auf einem Schuldenberg von insgesamt fast 50 Milliarden Euro. Fast die Hälfte davon, nämlich 21 Milliarden Euro, sind kurzfristige Liquiditätskredite. Im Wesentlichen sind sie das Ergebnis einer jahrzehntelangen Fehlentwicklung. Für die meisten betroffenen Kommunen ist es spätestens durch die Zinswende utopisch, diese Schulden aus eigener Kraft abtragen zu können. Deshalb begrüßen Städte und Gemeinden wie zum Beispiel Mülheim an der Ruhr die Altschuldenlösung, die das Land jetzt vorgeschlagen hat: Ab 2025 stellt das Land jährlich 250 Millionen Euro bereit. Über die kommenden 30 Jahre sollen insgesamt 7,5 Milliarden Euro zusätzliche Finanzmittel des Landes in den Altschuldenabbau der Kommunen fließen. Das ist ein guter und wichtiger erster Schritt. Dieses Geld alleine wird das Problem aber nicht lösen.

Essenziell ist auch, dass ein erneutes Auftürmen von Schulden verhindert wird. Hier könnte es helfen, den Genehmigungsvorbehalt wieder einzuführen, der 1994 in Nordrhein-Westfalen abgeschafft worden war. Er besagt grundsätzlich, dass die Kommunalaufsicht Kassenkredite genehmigen muss, wenn sie eine bestimmte Höhe überschreiten. Wichtig ist auch, dass Kassenkredite innerhalb eines bestimmten Zeitraums zurückzuzahlen sind.

4. Standards

Alle staatlichen Ebenen und auch die Bürgerinnen und Bürger müssen sich einer Diskussion über Standards stellen. Ob bauliche Standards oder Personalschlüssel – bestehende Standards können nicht immer nur erweitert werden. Der Bund der Steuerzahler sieht drei verschiedene Stellschrauben:

  1. Zum einen müssen wir als Gesellschaft unsere Anforderungen an die staatlichen und kommunalen Ebenen reflektieren. Hohe und höchste Standards müssen bezahlt werden. Das äußerst sich dann zum Beispiel in der Erhöhung von Grundsteuern.
     
  2. Zum anderen müssen die gesetzlichen Vorgaben auf allen Ebenen – hier ist die EU und der Bund mitgemeint – sorgfältig auf deren Umsetzbarkeit überprüft werden. Neue Normen dürfen nicht dazu führen, dass die Kommunen finanziell und personell über ihre Grenzen gehen müssen.
     
  3. Auch in den Kommunen selbst gilt es Augenmaß zu halten. Die Politik muss sich mit Projekten und Ideen zurückhalten und sich eng mit der Verwaltung abstimmen, um Überlastungserscheinungen und doppelte Arbeit zu vermeiden. Umgekehrt sind auch die Verwaltungen in der Pflicht, deutlich zu machen, welche Möglichkeiten sie haben und wo ihre Grenzen liegen.
     

5. Neuer Finanzausgleich

Die Kommunen, die der BdSt NRW besucht hat, beklagen allesamt die grundsätzliche Unterfinanzierung durch das Land. Hier macht sich bemerkbar, dass seit den 1980er Jahren die Verbundquote – also der Anteil an den Landessteuereinnahmen, der den Kommunen gewährt wird – von 28,5% schrittweise auf 23% gesenkt wurde. Sie muss so schnell wie möglich wieder erhöht werden. Nach den Zahlen des Gemeindefinanzierungsgesetzes für dieses Jahr wäre jeder zusätzliche Prozentpunkt bei der Verbundquote für das Land mit Kosten von rund 660 Millionen Euro verbunden. Da im Gegenzug nach unserem Vorschlag – wie bereits ausgeführt – die Förderprogramme mit einem Gesamtvolumen von zuletzt fast 5,4 Milliarden Euro abgebaut werden sollen, ist diese Forderung auch umsetzbar. Sogar das Land würde profitieren, da allein auf der Landesebene (Ministerien, Bezirksregierungen, NRW.Bank) nach unserer zurückhaltenden Schätzung mindestens 1.500 Mitarbeiter ausschließlich mit der Abwicklung der unterschiedlichsten Förderprogramme befasst sind. Personal, das künftig eingespart oder in anderen Bereichen, wo Personal fehlt, eingesetzt werden kann.

Ausgangspunkt der Steuerwehrtour waren die stark gestiegenen Hebesätze bei der Grundsteuer B. In den Gesprächen, die geführt wurden, war deshalb stets auch die Umsetzung der Grundsteuerreform in Nordrhein-Westfalen Gesprächsthema.

Nordrhein-Westfalen hat sich für das Bundesmodell entschieden – allen berechtigten Bedenken zum Trotz. Mit der Neubewertung der Grundstücke kommt es jetzt vielerorts zu der vom Bund der Steuerzahler prognostizierten massiven Lastenverschiebung: Insbesondere Ein- und Zweifamilienhäuser werden künftig stärker besteuert, Gewerbegrundstücke entlastet. Um diese Verschiebung auszugleichen, können die Kommunen zwei unterschiedliche Hebesätze für Wohn- und Gewerbegrundstück ausweisen. Viele Kommunen haben dem BdSt NRW gegenüber deutlich gemacht, dass sie davon keinen Gebrauch machen wollen. Sie beklagen Schwierigkeiten bei der Umsetzung, fehlende Rechtssicherheit und befürchten eine Klagewelle.

Der Bund der Steuerzahler NRW hofft, dass die rechtlichen Unsicherheiten ausgeräumt werden können durch das vom Finanzministerium jüngst eingeholte Rechtsgutachten namhafter Steuerrechtsprofessoren und insbesondere diejenigen Kommunen von der Möglichkeit gesplitteter Hebesätze Gebrauch machen werden, bei denen die beschriebene Belastungsverschiebung ansonsten besonders ausgeprägt sein würde. Vor dem Hintergrund der bereits seit Jahren stark gestiegenen Wohnkosten sollte diese Belastungsverschiebung abgewendet werden.

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