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Zulassungssteuer für nach Portugal eingeführte Gebraucht-Kfz: Berechnungsweise verstößt gegen EU-Recht

07.09.2021

Die Berechnungsweise der Zulassungssteuer für nach Portugal eingeführte Gebrauchtfahrzeuge verstößt gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs. Durch die nationalen Rechtsvorschriften wird nicht gewährleistet, dass eingeführte Gebrauchtfahrzeuge einer Steuer unterliegen, die betragsmäßig der Steuer entspricht, die auf vergleichbare, bereits auf dem portugiesischen Markt vorhandene Fahrzeuge erhoben wird. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.

Der EuGH hatte 2016 festgestellt, dass Portugal gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 110 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) verstoßen hat, der den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten unter normalen Wettbewerbsbedingungen gewährleisten soll, indem jede Form des Schutzes beseitigt wird, die aus einer Waren aus anderen Mitgliedstaaten diskriminierenden inländischen Besteuerung folgen könnte. Der EuGH befand, dass das System zur Berechnung der Wertminderung von Fahrzeugen, das zur Feststellung des Steuerwerts von aus anderen Mitgliedstaaten nach Portugal eingeführten Gebrauchtfahrzeugen angewendet wurde, weder die Wertminderung, bevor das Fahrzeug ein Jahr alt ist, noch bei über fünf Jahre alten Fahrzeugen die über 52 Prozent hinausgehende Wertminderung bei der Bestimmung der Höhe der Steuer auf die Fahrzeuge berücksichtigte.

Gemäß dem portugiesischen Kfz-Steuergesetz werden die Steuersätze unter Berücksichtigung des Hubraums und einer (anhand des Kohlendioxidausstoßes berechneten) Umweltkomponente festgesetzt. Portugal behauptet, das Urteil von 2016 mit einer Änderung dieses Gesetzes umgesetzt zu haben, durch die die Anzahl der Stufen zur Berechnung der Wertminderung der in sein Hoheitsgebiet eingeführten Gebrauchtfahrzeuge erhöht worden sei. Im Gegensatz zur vorherigen Gesetzesfassung gelten die Sätze für die Wertminderung anhand des Fahrzeugalters allerdings nunmehr ausschließlich für den Hubraum. Die Umweltkomponente wird vollständig geschuldet.

Die Kommission beantragt beim EuGH die Feststellung, dass Portugal dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 110 AEUV verstoßen hat, dass es bei der Berechnung des Wertes der im portugiesischen Hoheitsgebiet zugelassenen und in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Gebrauchtahrzeuge im Rahmen der Berechnung der fraglichen Steuer die Wertminderung in Bezug auf die Umweltkomponente ausgeschlossen hat. Die Modalitäten und die Art der Berechnung der Steuer führen nach Ansicht der Kommission dazu, dass die Besteuerung eines aus einem anderen Mitgliedstaat nach Portugal eingeführten Gebrauchtfahrzeugs fast immer höher ist als die eines vergleichbaren in Portugal zugelassenen Gebrauchtfahrzeugs, was eine Diskriminierung zwischen diesen beiden Fahrzeuggruppen zur Folge habe.

Der EuGH stellt die Vertragsverletzung durch Portugal fest. Er weist darauf hin, dass die in einem Mitgliedstaat entrichtete Zulassungssteuer in den Wert des Fahrzeugs mit einbezogen wird. Wird das Fahrzeug in der Folge im gleichen Mitgliedstaat als Gebrauchtfahrzeug verkauft, entspreche sein Verkaufswert, der den Restbetrag der Zulassungssteuer enthält, einem Prozentwert, der durch die Wertminderung des ursprünglichen Fahrzeugwerts bestimmt wird.

Der EuGH stellt fest, dass nach dem reformierten portugiesischen Besteuerungssystem im Unterschied zu der anhand des Hubraums des betreffenden Fahrzeugs berechneten Komponente, für die ein Prozentsatz der Reduzierung je nach Alter des Fahrzeugs vorgesehen ist, keinerlei Verringerung der Umweltkomponente vorgesehen ist, um die Minderung des Verkaufswerts des Fahrzeugs insoweit widerzuspiegeln. Folglich werde die Höhe der Zulassungssteuer für aus anderen Mitgliedstaaten nach Portugal eingeführte Gebrauchtfahrzeuge ohne Berücksichtigung von deren tatsächlicher Wertminderung berechnet. Daher stellten die nationalen Rechtsvorschriften nicht sicher, dass aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte Gebrauchtfahrzeuge einer Steuer in der Höhe unterliegen, die betragsmäßig der Steuer entspricht, die auf vergleichbare, bereits auf dem nationalen Markt vorhandene Gebrauchtfahrzeuge erhoben wird. Dies verstoße gegen Artikel 110 AEUV.

Portugal meine, dieser Umstand werde durch das Ziel des Umweltschutzes gerechtfertigt. Die vollständige Zahlung der Umweltkomponente diene nämlich dazu, die Einfuhr von Gebrauchtwagen nach Portugal einem selektiven Kriterium zu unterwerfen, indem insbesondere unter Berücksichtigung des Verursacherprinzips ausschließlich umweltbezogene Kriterien angewendet würden. Hierzu weist der EuGH darauf hin, dass es den Mitgliedstaaten zwar freisteht, die Modalitäten für die Berechnung der Zulassungssteuer so festzulegen, dass Umweltschutzerwägungen berücksichtigt werden. Es müsse jedoch jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung von Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten und jeder Schutz konkurrierender einheimischer Erzeugnisse ausgeschlossen werden.

Der EuGH ergänzt, dass das Ziel des Umweltschutzes umfassender und kohärenter erreicht werden könnte, indem alle in einem Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeuge mit einer jährlichen Steuer belegt würden, die den nationalen Gebrauchtfahrzeugmarkt nicht zulasten der Zulassung von aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Gebrauchtfahrzeugen bevorzugen würde und außerdem dem Verursacherprinzip entspräche. Eine in Abhängigkeit des Schadstoffpotenzials eines Gebrauchtfahrzeugs berechnete Steuer, die – wie die in Rede stehende Steuer – erst bei der Einfuhr und Zulassung eines aus einem anderen Mitgliedstaat stammenden Gebrauchtfahrzeugs vollständig erhoben wird, während der Erwerber eines solchen, bereits auf dem Markt des betreffenden Mitgliedstaats vorhandenen Fahrzeugs nur den in den Verkaufswert des von ihm gekauften Fahrzeugs einbezogenen Steuerrestbetrag zu tragen hat, verstoße gegen Artikel 110 AEUV.

Der EuGH verwirft auch das Vorbringen Portugals, wonach die Umweltkomponente der fraglichen Steuer in Wirklichkeit eine selbstständige Steuer darstelle, die sich von der anhand des Hubraums des betreffenden Fahrzeugs berechneten Komponente unterscheide, da sie sich als einer von zwei Gesichtspunkten darstellt, die für die Berechnung einer einheitlichen Steuer herangezogen werden, und nicht als eine eigenständige Steuer. Außerdem bleibe diese Steuer in jedem Fall diskriminierend.

Schließlich hebt der EuGH hervor, dass – auch wenn die Steuerpflichtigen eine andere Berechnungsmethode der fraglichen Steuer wählen können, indem sie bei der Zolldirektion eine Neuberechnung der Steuer auf Basis einer tatsächlichen Bewertung des betreffenden Fahrzeugs beantragen – das Bestehen einer alternativen Berechnungsmethode für eine Steuer einen Mitgliedstaat weder von der Pflicht zur Beachtung der Grundprinzipien einer wesentlichen Regelung des AEU-Vertrags befreit, noch den Mitgliedstaat zu einem Verstoß gegen diesen Vertrag berechtigt.

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 02.09.2021, C-169/20

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