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Übernahme der Postbank durch Deutsche Bank: Streit um Übernahmeangebot für Aktien geht in die nächste Runde

14.12.2022

Der Streit um die Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank und – damit verbunden – um die Höhe des Übernahmeangebots, das die Deutsche Bank Aktionären der Postbank gemacht hat, geht in die nächste Runde. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Verfahren jeweils an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Berufungsgerichte hatten zuvor die Klagen der Aktionäre abgewiesen.

Die Kläger der beiden Verfahren hielten Aktien der Postbank. Die beklagte Deutsche Bank veröffentlichte am 07.10.2010 ein Übernahmeangebot nach § 29 Absatz 1 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) zum Preis von 25 Euro je Aktie, das die Kläger annahmen. Diese meinen, die Beklagte hätte 57,25 Euro je Aktie als angemessene Gegenleistung anbieten müssen und verlangen Zahlung des Differenzbetrags.

Die Deutsche Bank schloss am 12.09.2008 mit der Deutschen Post einen Vertrag ("Ursprungsvertrag") über den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an der Postbank von 29,75 Prozent zum Preis von 57,25 Euro pro Aktie. Zusätzlich wurden wechselseitige Optionen über Aktienpakete in Höhe von 18 Prozent (Erwerbsoption zu 55 Euro je Aktie) beziehungsweise 20,25 Prozent plus einer Aktie (Veräußerungsoption zu 42,80 Euro je Aktie) vereinbart. Nachdem Deutsche Bank und Deutsche Post Ende Dezember 2008 aufgrund veränderter Marktbedingungen zunächst vereinbart hatten, den Vollzug der ursprünglichen Erwerbsvereinbarung zu verschieben, schlossen sie am 14.01.2009 eine Nachtragsvereinbarung, nach der der Erwerb der Postbank in drei Schritten erfolgen sollte.

Zunächst sollte die Deutsche Bank 50 Millionen Aktien (22,9 Prozent des Grundkapitals der Postbank) zum Preis von 23,92 Euro je Aktie erwerben, sodann 60 Millionen Aktien (27,4 Prozent des Grundkapitals) über eine Pflichtumtauschanleihe mit Fälligkeit zum 25.02.2012 zum Preis von 45,45 Euro je Aktie und schließlich 26.417.432 Aktien (12,1 Prozent des Grundkapitals) aufgrund wechselseitiger Optionen (48,85 Euro je Aktie für die Erwerbsoption und 49,42 Euro je Aktie für die Verkaufsoption). Die Optionen sollten zwischen dem 28.02.2012 und dem 25.02.2013 ausgeübt werden können. Die Deutsche Post verpfändete im Dezember 2008 und Januar 2009 Aktien der Postbank an die Beklagte, um deren Ansprüche aus den getroffenen Vereinbarungen und einer von der Beklagten geleisteten Sicherheit in Höhe von 3,1 Milliarden Euro zu sichern.

Die Kläger meinen, die Deutsche Bank hätte schon aufgrund des Ursprungsvertrags ein Pflichtangebot zu einem Preis von 57,25 Euro pro Aktie veröffentlichen müssen, weil dieser Vertrag zu einem Kontrollerwerb der Beklagten gemäß § 29 Absatz 2 WpÜG geführt habe.

In beiden Verfahren hatten die Klagen in der Berufungsinstanz keinen Erfolg. Der BGH hat auf die Revisionen der Kläger die Berufungsurteile aufgehoben und die Sachen zurückverwiesen. Die Kläger könnten einen Anspruch auf weitere Zahlung haben, wenn die Beklagte bereits aufgrund der zwischen dem 12.09.2008 bis Ende Februar 2009 geschlossenen Vereinbarungen verpflichtet gewesen wäre, den Aktionären der Deutschen Postbank AG ein Pflichtangebot nach § 35 Absatz 2 WpÜG zu unterbreiten. Dafür, so der BGH, komme es darauf an, ob die Beklagte die Schwelle von mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an der Postbank aufgrund der Zurechnung von Stimmrechten aus den von der Deutschen Post gehaltenen Aktien gemäß § 30 WpÜG überschritt. Die den Berufungsurteilen zugrunde liegende Beurteilung, dass die Voraussetzungen für eine Zurechnung von Stimmrechten nicht vorliegen, halte in einigen Punkten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

Soweit die Vereinbarungen Regelungen zur Ausübung der Stimmrechte aus den Aktien durch die Deutsche Post AG bis zum Vollzug der Transaktionen (so genannte Interessenschutzklauseln) enthielten, kommt es laut BGH für die Zurechnung wegen einer Verhaltensabstimmung durch eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten (§ 30 Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 1, Satz 2 Fall 1 WpÜG) nicht darauf an, ob eine Interessenschutzklausel darauf gerichtet ist, die bestehenden Verhältnisse bei der Zielgesellschaft im Zeitraum zwischen dem Abschluss und dem Vollzug eines Kaufvertrags über Aktien der Zielgesellschaft aufrechtzuerhalten und/oder diese keine über die allgemeine Leistungstreuepflicht hinausgehende Absprache oder tatsächliche Einflussnahme vorsieht. Maßgeblich sei vielmehr, ob die Regelungen auf eine tatsächliche und konkrete Einflussnahme bei der Zielgesellschaft gerichtet waren.

Diese Voraussetzung habe nach den getroffenen Feststellungen hinsichtlich des jeweils ersten Teils der Transaktion, den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung, nicht vorgelegen. Ob eine Zurechnung unter diesem Gesichtspunkt auch in einer Gesamtschau der vorgelegten Verträge zu verneinen ist, könne aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Soweit sich in diesem Zusammenhang Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts, namentlich der Richtlinie 2004/25/EG betreffend Übernahmeangebote stellen, hat der BGH von einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) abgesehen, weil im jetzigen Verfahrensstadium nicht abzusehen sei, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf eine Antwort des EuGH zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts ankommen wird.

Eine Zurechnung von Stimmrechten komme weiter unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass die Deutsche Post die Aktien der Postbank nach den Vereinbarungen bereits für Rechnung der Beklagten gehalten hat (§ 30 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG). Das Berufungsgericht habe hierzu rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Voraussetzungen einer Zurechnung nicht vorliegen, weil die Dividendenchance aus den betreffenden Aktien bei der Deutschen Post verblieben sei. Die gebotene Gesamtbetrachtung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten spreche unter Berücksichtigung der getroffenen Feststellungen nicht gegen, sondern für den Übergang der Dividendenchance auf die Beklagte.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts im Verfahren II ZR 14/21 erweise sich auch nicht teilweise im Ergebnis als richtig, weil die Ansprüche einiger Kläger verjährt seien, hebt der BGH hervor. Der geltend gemachte Anspruch unterliege der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach §§ 195, 199 Bürgerliches Gesetzbuch. Eine Klageerhebung sei den betreffenden Klägern allerdings wegen der rechtlichen Unsicherheiten über das Bestehen eines Anspruchs jedenfalls vor dem Urteil des BGH vom 29.07.2014 (II ZR 353/12) nicht zumutbar gewesen.

Bundesgerichtshof, Urteile vom 13.12.2022, II ZR 9/21 und II ZR 14/21

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