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Themenbezogene Widmungsbeschränkung: Verletzt Meinungsfreiheit

24.01.2022

Die Beschränkung des Widmungsumfangs einer kommunalen öffentlichen Einrichtung, die deren Nutzung allein aufgrund der Befassung mit einem bestimmten Thema ausschließt, verletzt das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Der Kläger beantragte die Überlassung eines städtischen Veranstaltungssaales um dort eine Podiumsdiskussion zum Thema "Wie sehr schränkt München die Meinungsfreiheit ein? – Der Stadtratsbeschluss vom 13.12.2017 und seine Folgen" durchzuführen. Nach diesem Beschluss dürfen für Veranstaltungen, die sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der so genannten BDS-Kampagne ("Boycott, Divestment and Sanctions") befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben, keine städtischen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Der Begründung zufolge sollen städtische Räume nicht für eine Unterstützung der Kampagne genutzt werden; schon die Befassung mit ihr wird ausgeschlossen, um Umgehungen zu verhindern. Der Antrag des Klägers wurde unter Bezugnahme hierauf abgelehnt. Seine daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte verpflichtet, dem Antrag des Klägers zu entsprechen.

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der kommunalrechtliche Anspruch der Gemeindeangehörigen, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen, besteht laut BVerwG nur im Rahmen der von der Gemeinde für die jeweilige öffentliche Einrichtung festgelegten Widmung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts habe die Widmung des Saals kommunalpolitische Diskussionsveranstaltungen eingeschlossen. Den Stadtratsbeschluss der Beklagten habe das Berufungsgericht revisionsrechtlich fehlerfrei als nachträgliche Beschränkung des Widmungsumfangs eingeordnet. Diese sei rechtswidrig und unwirksam, weil sie das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz – GG) verletzt.

Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 GG gewährleiste jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Der Stadtratsbeschluss greife in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit ein, weil er eine nachteilige Rechtsfolge – den Ausschluss von der Benutzung öffentlicher Einrichtungen – an die zu erwartende Kundgabe von Meinungen zur BDS-Kampagne oder zu deren Inhalten, Zielen und Themen knüpft.

Die darin liegende Beschränkung der Meinungsfreiheit sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, so das BVerwG. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit unterliege den Grenzen der allgemeinen Gesetze (Artikel 5 Absatz 2 GG). Der Stadtratsbeschluss sei schon kein Rechtssatz. Er treffe auch keine in diesem Sinne allgemeine Regelung. Der Beschluss ist nicht meinungsneutral. Er sei auch nicht mit dem Schutz von Rechtsgütern zu rechtfertigen, die schlechthin ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützen sind. Das sei der Fall, wenn Meinungsäußerungen die geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und in Rechtsgutverletzungen oder erkennbar in Gefährdungslagen umschlagen, weil sie die Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährden und so den Übergang zu Aggression und Rechtsbruch markieren. Nach den Tatsachenfeststellungen des Berufungsurteils sei dies bei der vom Kläger geplanten Veranstaltung nicht zu erwarten.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.01.2022, 8 C 35.20

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