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Theaterabend coronabedingt entfallen: Gutscheinlösung rechtens

13.04.2021

Das Amtsgericht (AG) München hat die Klage gegen einen Münchener Theater- und Gastronomieveranstalter auf Rückzahlung des Kaufpreises für zwei Tickets in Höhe von 205,80 Euro abgewiesen und die für den coronabedingt entfallenen Theaterabend angebotene Gutscheinlösung bestätigt.

Der Kläger hatte sich die Ansprüche einer Frau abtreten lassen, die am 31.12.2019 zwei Veranstaltungstickets für eine Veranstaltung der Beklagten am 31.03.2020 zum Preis von 205,80 Euro erworben hatte. Die Bayerische Staatsregierung hatte am 16.03.2020 alle Veranstaltungen in Bayern bis zunächst 20.04.2020 abgesagt. Mit E-Mail vom 23.03.2020 informierte die Beklagte die Kundin darüber, dass die gebuchte Veranstaltung verlegt worden sei. Alternativ bot sie an, die Tickets in Gutscheine umzuwandeln. Mit E-Mail vom 23.03.2020 erklärte die Kundin den Rücktritt vom Vertrag und forderte die Rückzahlung des gezahlten Preises bis zum 06.04.2020. Am 19.05.2020 übersandte die Beklagte dem Kläger einen Gutschein.

Der Kläger meint, ihm stehe aus abgetretenem Recht wegen Unmöglichkeit der Leistungserbringung ein gesetzlicher Anspruch auf Rückzahlung zu. An der Verfassungsmäßigkeit des Artikels 240 § 5 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) bestünden Zweifel.

Dies sah das AG München anders. Nach Rücktritt vom Vertrag wegen Unmöglichkeit habe der Zedentin zunächst ein Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Preises zugestanden. Gemäß Art. 240 § 5 Absatz 1 S. 1 EGBGB sei die Beklagte jedoch derzeit berechtigt, der Zedentin einen Gutschein zu übergeben und die Auszahlung des Geldbetrages zu verweigern. Der Anwendungsbereich des Artikels 240 § 5 Absatz 1 S. 1 EGBGB sei eröffnet. Bei der gebuchten Veranstaltung handele es sich unstreitig um eine sonstige Freizeitveranstaltung. Die Nutzungsberechtigung sei vor dem 08.03.2020, nämlich am 31.12.2019, erworben worden. Und die Veranstaltung habe aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden können.

Artikel 240 § 5 EGBGB sei nicht verfassungswidrig. Der Eingriff in Artikel 14 Grundgesetz sei gerechtfertigt. Es liege ein legitimes Ziel vor, und die Maßnahme sei geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne. Insolvenzen von Veranstaltern sollten verhindert oder wenigstens verzögert werden, so das AG. Die negativen Folgen der Pandemie sollten auf möglichst Viele verteilt werden. Die Kombination von gegenwärtigen und zukünftigen Einnahmeausfällen sowie Rückforderungsansprüchen für ausgefallene Veranstaltungen treffe die entsprechenden Unternehmen so hart, dass eine Maßnahme des Gesetzgebers allein die finanziellen Ausfälle nicht auffangen könne. Nur das beschlossene "Paket" von Maßnahmen, bestehend aus unmittelbaren Finanzhilfen, "Gutscheinlösung" und vorübergehenden Insolvenzrechtsänderungen, könne sofortige Insolvenzen auch tatsächlich verhindern.

Nach Auffassung des Gerichts ist auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gewahrt. Dem Rückerstattungsanspruch wegen der abgesagten Veranstaltung gehe eine Leistung für eine Kultur- oder Sportveranstaltung voraus. Dabei handele es sich jedoch um kulturellen Genuss, nicht hingegen um eine für das Leben existenzielle Anschaffung oder eine systemrelevante Leistung. Auch wenn Kultur ein wichtiges Gut für die Gesellschaft ist, sei sie im Rahmen einer Rangordnung der zum Leben wichtigsten Güter nicht ganz oben anzusiedeln. Hinzu komme, dass der Kauf eines Tickets für eine kulturelle Veranstaltung eher von finanziell leistungsstarken Personen vorgenommen wird, gerade aus den soeben genannten Gründen.

Für den Fall, dass doch im Einzelfall ein finanziell schwacher Kunde betroffen ist, sehe Artikel 240 § 5 Absatz 5 Nr. 1 EGBGB eine Härtefallklausel vor. Die Höhe der Rückforderungsansprüche sei im Regelfall auch nicht so hoch, dass es zu existenziellen Verlusten bei den Ticketinhabern kommt. Das gelte umso mehr, als diese die Vermögensdisposition, ihr Geld für eine nicht greifbare ideelle Leistung auszugeben, bereits getroffen hätten. Der Verbraucher habe den Geldbetrag bereits nicht mehr in seine zukünftige Finanzplanung einbezogen. Bei Ausnahmefällen greife wiederum die Härtefallklausel. Nicht zuletzt erkenne die streitgegenständliche Regelung dem Verbraucher sein Rückforderungsrecht nicht vollständig ab, sondern sehe nur eine unentgeltliche Stundung bis 31.12.2021 vor. Der Zinsverlust, der hierdurch entsteht, sei betragsmäßig überschaubar.

Amtsgericht München, Urteil vom 29.09.2020, 154 C 6021/20, rechtskräftig

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