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Terrestrische Geldspielautomaten: Zweifel an Umsatzsteuerpflicht
Wegen der bestehenden Umsatzsteuerfreiheit für Online-Glücksspiele hat das Finanzgericht (FG) Münster im Hinblick auf den europarechtlichen Neutralitätsgrundsatz Zweifel an der Umsatzsteuerpflicht terrestrischen Geldspielautomatenumsätzen.
Die Antragstellerin betreibt Spielhallen, in denen Geldspielautomaten aufgestellt sind. Mit Abgabe ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für August 2021 machte sie geltend, dass ihre Glücksspielumsätze nach Artikel 135 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) umsatzsteuerfrei seien. Das Finanzamt setzte demgegenüber eine Umsatzsteuervorauszahlung fest und lehnte den im hiergegen geführten Einspruchsverfahren gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.
Im gerichtlichen Aussetzungsverfahren vertrat die Antragstellerin die Auffassung, dass sie gegenüber den seit dem 01.07.2021 erlaubten virtuellen Automatenspielen im Internet benachteiligt werde. Solche virtuellen Automatenspiele fielen unter das Rennwett- und Lotteriegesetz und seien daher nach § 4 Nr. 9 Buchst. b) Umsatzsteuergesetz steuerfrei. Die demgegenüber bestehende Steuerpflicht der Umsätze der Antragstellerin mit terrestrischen Geldspielautomaten verstoße daher gegen den Neutralitätsgrundsatz.
Das Finanzamt meinte dagegen, dass Geldspielautomatenaufsteller sich nicht auf Artikel 135 MwStSystRL berufen könnten, da der Neutralitätsgrundsatz nicht verletzt sei. Der Gesetzgeber habe sich in der Gesetzesbegründung ausführlich mit dieser Frage beschäftigt und sei zu der Auffassung gekommen, dass wesentliche Unterschiede zwischen Online-Glücksspielen und terrestrischen Geldspielautomaten bestünden.
Das FG Münster hat dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattgegeben. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids für August 2021. Bei summarischer Prüfung liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität vor, weshalb sich die Antragstellerin unmittelbar auf Artikel135 Absatz 1 Buchst i) MwStSystRL berufen könne. Nach dieser Regelung seien Glücksspiele und Glücksspielgeräte grundsätzlich von der Steuer zu befreien. Die Mitgliedstaaten blieben aber dafür zuständig, die Bedingungen und Grenzen dieser Befreiung festzulegen, wobei sie den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten hätten.
Maßgeblich hierfür sei die Gleichartigkeit der Tätigkeiten aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers. Der Gesetzgeber habe virtuelle Geldspielumsätze nicht anders behandeln dürfen als terrestrische Geldspielumsätze. Für einen Durchschnittsverbraucher, dem es auf das Spielerlebnis und den erzielbaren Gewinn ankomme, spiele es keine Rolle, ob er virtuell oder terrestrisch spiele, meint das FG. Die vom deutschen Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren erörterten Unterschiede im Hinblick auf die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen der verschiedenen Geldspielangebote seien nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unerheblich. Die weiteren erörterten Unterschiede hinsichtlich der Ausschüttungsquote, der Ortsgebundenheit, des Kundenkreises und der höheren wirtschaftlichen Effizienz von Online-Angeboten seien im Hauptsacheverfahren weiter aufzuklären.
Das FG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Finanzgericht Münster, Beschluss vom 27.12.2021, 5 V 2705/21 U, nicht rechtskräftig