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Strafverfahren: "EncroChat"-Daten als Beweismittel zugelassen

06.09.2021

Das Kammergericht (KG) hat die durch französische Ermittlungsbehörden erhobenen "EncroChat"-Daten als zulässiges Beweismittel in einem deutschen Strafverfahren gewertet und eine auf diesen Daten basierende Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin zur Hauptverhandlung zugelassen.

Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte Anklage zum Landgericht (LG) Berlin gegen einen 32-jährigen Mann erhoben und diesem zur Last gelegt, in mehreren Fällen unerlaubt mit Betäubungsmitteln (vor allem Cannabisprodukte, MDMA-Tabletten und Amfetamin) in nicht geringer Menge (das heißt im Kilobereich) Handel getrieben zu haben. Der Angeklagte soll sich für die Absprachen mit seinen Lieferanten und Abnehmern sowie mehreren Mittätern des als besonders abhörsicher beworbenen niederländischen Kommunikationsdienstes "EncroChat" bedient haben.

Das LG Berlin lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Die Chatnachrichten des Angeklagten seien in einem deutschen Strafverfahren nicht als Beweismittel verwertbar.

Die Chatnachrichten des Angeklagten stammten ursprünglich von einem durch französische Ermittlungsbehörden unter Beteiligung von Eurojust und Europol geführten Ermittlungsverfahren gegen die "EncroChat"-Betreiber. Im Verlauf des französischen Ermittlungsverfahrens wurde mit Genehmigung eines französischen Gerichts unter anderem ein sich in Frankreich befindlicher Server mit einer Überwachungssoftware infiltriert und die Daten von insgesamt 32.477 "EncroChat"-Nutzern in 121 Ländern, unter anderem in Frankreich und Deutschland, abgefangen. Zu einer Unterrichtung der Bundesrepublik über die Überwachung sei es, so das LG, entgegen der einschlägigen Rechtshilfevorschriften nicht gekommen.

In seinem umfangreichen Beschluss hatte die Kammer entschieden, dass die sichergestellten "EncroChat"-Nachrichten als Beweismittel nicht verwertbar seien. Zur Begründung hatten die Richter ausgeführt, dass die Erhebung der Daten durch die französischen Ermittlungsbehörden sowohl gegen europäische Rechtshilfevorschriften (Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen) als auch gegen deutsche Vorschriften zur Überwachung der Telekommunikation verstoßen habe. Insbesondere sei die Überwachung des Mobiltelefons des Angeklagten ohne konkreten Tatverdacht gegen den Angeklagten erfolgt. Es habe daher an einer grundlegenden Eingriffsvoraussetzung gemangelt, sodass die Überwachung insgesamt nicht mehr als rechtsstaatlich angesehen werden könne. Die Rechtsverstöße seien so schwerwiegend, dass sie zu einem Beweisverwertungsverbot führten.

Die Staatsanwaltschaft hatte gegen den Beschluss des LG Beschwerde erhoben. Das KG hat nun in der Beschwerdeinstanz den Beschluss des LG aufgehoben und das Verfahren vor einer anderen Strafkammer des LG Berlin eröffnet. Aus Sicht des Strafsenats handele es sich bei den Daten um so genannte Zufallsfunde. Die Verwendung von solchen Zufallsfunden sei nach den einschlägigen deutschen Vorschriften zur Überwachung der Telekommunikation (§ 100e Absatz 6 Nr. 1 Strafprozessordnung) zulässig. Es gelte zudem aufgrund des in Europa geltenden Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab. Dies führe im Ergebnis dazu, dass die nach französischem Recht gewonnenen Erkenntnisse im deutschen Strafverfahren verwendet werden dürften.

Kammergericht, Beschluss vom 30.08.2021, 2 Ws 79/21, 2 Ws 93/21

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