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Staatlich angeordnete Geschäftsschließung: Gewerbemiete kann deutlich herabzusetzen sein

19.04.2021

Bei einer staatlich angeordneten Geschäftsschließung wegen der Corona-Pandemie kann die Gewerbemiete wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf die Hälfte herabzusetzen sein, ohne dass eine Existenzbedrohung des Mieters im Einzelfall festgestellt werden muss. Dies hat das Kammergericht (KG) als Berufungsinstanz entschieden.

Der Beklagte begehrt als Eigentümer einer als Spielhalle vermieteten Gewerbeeinheit im Wege einer Widerklage die Zahlung der restlichen Gewerbemiete für die Monate April und Mai 2020. Das Landgericht (LG) Berlin hatte die Widerklage abgewiesen. Auf die dagegen vom Beklagten eingelegte Berufung hat das KG entschieden, dass die Klägerin sich wegen der Schließungsanordnung des Landes Berlin auf eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berufen könne, sodass der vertraglich vereinbarte Mietzins um 50 Prozent zu reduzieren sei.

Zwar sei der Mietzahlungsanspruch für die Monate April und Mai 2020 nicht aufgrund des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.03.2020 zu verneinen, da dieses ohnehin nur bis zum 30.06.2020 geregelte Leistungsverweigerungsrecht nicht für Miet- und Pachtverträge gelte. Die Miete sei aber wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB anzupassen und – für den hier vorliegenden Fall der vollständigen Schließung des Geschäftsbetriebes der Mieterin – um 50 Prozent zu reduzieren.

Zur Geschäftsgrundlage der Parteien als Vermieter und Mieterin von Geschäftsräumen gehöre auch die Vorstellung, dass es nicht zu einer Pandemie mit weitgehender Stilllegung des öffentlichen Lebens infolge pandemiebedingter Nutzungsuntersagungen und -beeinträchtigungen kommen werde, sodass das Auftreten einer Pandemie mit den entsprechenden weitreichenden staatlichen Eingriffen in das wirtschaftliche und soziale Leben eine schwerwiegende Änderung der für die Vertragslaufzeit vorgestellten Umstände bedeute und damit das tatsächliche Element der Störung der Geschäftsgrundlage verwirkliche, so das KG.

Die Klägerin habe im vorliegenden Fall die Räume, die sie vor Beginn der Covid-Pandemie angemietet habe, durch hierzu ergangene staatliche Vorschriften oder Anordnungen über die Schließung überhaupt nicht in der vertraglich vorgesehenen Weise für ihr Gewerbe nutzen können. Es liege daher nahe, dass die Vertragsparteien, wenn sie diese Veränderung vorhergesehen hätten, den Mietvertrag mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten. Dabei sei zu vermuten, dass eine Mietabsenkung für den Zeitraum einer zweimonatigen Zwangsschließung der Spielhalle vereinbart worden wäre, wenn die Parteien die Beschränkungen im Zuge der Covid-Pandemie vorhergesehen hätten.

Es gehe im vorliegenden Fall nicht um ein "normales" Risiko der Gebrauchstauglichkeit beziehungsweise Verwendung des Mietobjekts, sondern um weitgehende staatliche Eingriffe in das soziale und wirtschaftliche Leben aufgrund einer Pandemie, die als Systemkrise eine Störung der Geschäftsgrundlage sei. Das mit der Störung der Geschäftsgrundlage verbundene Risiko könne daher regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden. Der aufgrund der Pandemie staatlich angeordnete Shutdown stelle einen derart tiefgreifenden, unvorhersehbaren, außerhalb der Verantwortungssphäre beider Vertragsparteien liegenden und potentiell existenzgefährdenden Eingriff in die im Vertrag vorausgesetzte Nutzungsmöglichkeit dar, dass – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – die Nachteile solidarisch von beiden Vertragsparteien zu tragen seien und die Miete daher bei vollständiger Betriebsuntersagung zur Hälfte zu reduzieren sei.

Dabei müsse eine konkrete Existenzbedrohung für den Mieter anhand seiner betriebswirtschaftlichen Daten nicht positiv festgestellt werden. Die "unter Umständen existenziell bedeutsamen Folgen" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes seien vielmehr auch dann zu vermuten, wenn eine angeordnete Schließung einen Monat oder länger andauere.

Das Urteil des KG ist noch nicht rechtskräftig: Soweit die Widerklage auf Zahlung der rückständigen Miete in Höhe von 50 Prozent abgewiesen wurde, kann dagegen Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt werden.

Kammergericht, Urteil vom 01.04.2021, 8 U 1099/20, nicht rechtskräftig

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