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Prämienanpassung in privater Krankenversicherung: Begründung erfordert Angabe der Rechnungsgrundlage

17.12.2020

Die Begründung einer Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage (Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeit), deren Veränderung die Prämienanpassung veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat laut Bundesgerichtshof (BGH) auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie zum Beispiel des Rechnungszinses, anzugeben.

Die Kläger wandten sich gegen mehrere Beitragserhöhungen in den Jahren zwischen 2014 und 2017, die ihr privater Krankenversicherer auf der Grundlage von § 203 Absatz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vorgenommen hatte.

Im Verfahren IV ZR 294/19 beanstandete der Kläger zuletzt nur noch die Mitteilungen über die Gründe für die Beitragserhöhungen. Das Landgericht hat seiner Klage stattgegeben, die Unwirksamkeit der Prämienanpassungen für die Jahre 2015 und 2016 festgestellt und den Versicherer zur Rückzahlung der gezahlten Erhöhungsbeträge verurteilt. Das Oberlandesgericht (OLG) hielt die Prämienanpassungen dagegen nur bis zum 31.12.2017 für unwirksam und verurteilte den Versicherer nur zur Rückzahlung der bis zu diesem Zeitpunkt auf die Prämienanpassungen für 2015 und 2016 gezahlten Erhöhungsbeträge. Nach Ansicht des OLG waren die Mitteilungen der Prämienanpassungen für diese Jahre nicht mit ausreichenden Gründen versehen. Der Versicherer habe die Begründung jedoch in der Klageerwiderung nachgeholt, sodass der Mangel von diesem Zeitpunkt an geheilt gewesen sei und die Prämienanpassungen zum 01.01.2018 wirksam geworden seien.

Im Verfahren IV ZR 314/19 machte der Kläger die formelle und materielle Unwirksamkeit der Prämienanpassungen geltend. Seine Klage hatte in den Vorinstanzen in vollem Umfang Erfolg. Der Versicherer wurde unter anderem verurteilt worden, die bis zum 15.02.2017 auf die Prämienerhöhungen für die Jahre 2014, 2015 und 2017 gezahlten Erhöhungsbeträge zurückzuzahlen. Das OLG hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Mitteilungen über die Prämienanpassungen nicht den Mindestanforderungen aus § 203 Absatz 5 VVG genügten und die Prämienanpassungen deswegen nicht wirksam geworden seien.

Hiergegen richten sich die Revisionen der Beklagten.

Der BGH bestätigt in beiden Verfahren, dass bei einer Prämienanpassung nach § 203 Absatz 2 VVG erst durch die Mitteilung einer den Anforderungen des § 203 Absatz 5 VVG genügenden Begründung die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt wird. Dabei sei anzugeben, bei welcher Rechnungsgrundlage – Versicherungsleistungen, Sterbewahrscheinlichkeit oder beiden – eine nicht nur vorübergehende und den festgelegten Schwellenwert überschreitende Veränderung eingetreten ist und damit die Neufestsetzung nach § 203 Absatz 2 Satz 1 VVG veranlasst wurde. Dagegen müsse der Versicherer nicht die genaue Höhe dieser Veränderung mitteilen. Er habe auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, anzugeben.

Der Gesetzeswortlaut sehe im Fall der Prämienanpassung die Angabe der "hierfür" maßgeblichen Gründe vor und mache damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genüge danach nicht. Entscheidend für die Prämienanpassung sei gemäß § 203 Absatz 2 Satz 1 und 3 VVG die als nicht nur vorübergehend anzusehende Veränderung der beziehungsweise einer der dort genannten Rechnungsgrundlagen. Dagegen sei die konkrete Höhe der Veränderung dieser Rechnungsgrundlagen ebenso wenig entscheidend wie die Frage, ob der überschrittene Schwellenwert im Gesetz oder davon abweichend in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelt ist.

Die Gesetzesbegründung zeige, dass der Gesetzgeber im Rahmen der VVG-Reform 2008 keine grundsätzliche Neuregelung für das Wirksamwerden einer Prämienanpassung beabsichtigte, sondern die Mitteilungspflicht nur geringfügig erweitern wollte. Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe solle dem Versicherungsnehmer zeigen, was der Anlass für die konkrete Prämienanpassung war. Sie erfülle so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat. Dagegen habe die Mitteilungspflicht nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen.

Fehlende Angaben zu den Gründen der Prämienanpassung könnten vom Versicherer nachgeholt werden, setzten aber erst ab Zugang die Frist für das Wirksamwerden der Prämienanpassung in Lauf und führten nicht zu einer rückwirkenden Heilung der unzureichenden Begründung. Erfolgt eine weitere, diesmal insgesamt wirksame Prämienanpassung im betreffenden Tarif, habe der Versicherungsnehmer jedenfalls ab dem Wirksamwerden dieser Anpassung die Prämie in der damit festgesetzten neuen Gesamthöhe zu zahlen.

Nach diesem Maßstab sei das OLG im Verfahren IV ZR 294/19 rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die von der Beklagten mitgeteilten Gründe für die Prämienerhöhungen zum 01.01.2015 und zum 01.01.2016 die Voraussetzungen der erforderlichen Mitteilung nicht erfüllen. Da aber durch eine spätere, ausreichend begründete Prämienanpassung in einem der betroffenen Tarife die Prämie ab diesem Zeitpunkt wirksam neu festgesetzt worden war, hat der BGH das Berufungsurteil teilweise abgeändert.

Im Verfahren IV ZR 314/19 habe das OLG dagegen eine der im Streit stehenden Prämienanpassungen zu Unrecht für nicht ausreichend begründet gehalten. Der BGH hat daher das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen, damit es die materielle Rechtmäßigkeit dieser Prämienanpassung prüfen kann.

Bundesgerichtshof, Urteile vom 16.12.2020, IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19

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