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Partnervermittlungsvertrag: Widerruf auch nach Zusammenstellung von Partnervorschlägen noch möglich

11.05.2021

Der Kunde einer Partnervermittlungsagentur verliert sein Widerrufsrecht nicht dadurch, dass diese die geschuldete Anzahl von Partnervorschlägen zusammenstellt, ohne sie dem Kunden bereits überlassen zu haben, auch wenn allein dies in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als "Hauptleistung" bestimmt ist. Zudem ist der Wertersatzanspruch der Partnervermittlungsagentur nach dem Widerruf, von Ausnahmen abgesehen, zeitanteilig zu berechnen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Die Klägerin schloss in ihrer Wohnung im Verlauf des Besuchs eines Vertreters der beklagten Agentur einen Partnervermittlungsvertrag. In den Vertragsunterlagen war unter anderem bestimmt, dass die Beklagte als "Hauptleistung" 21 Partnervorschläge (Partnerdepot) zusammenstelle. Hierauf sollten 90 Prozent und auf die "Verwaltung und Aktualisierung des Partnerdepots für die Dauer der Vertragslaufzeit von zwölf Monaten" zehn Prozent des Honorars entfallen. Außerdem unterzeichnete die über ihr Widerrufsrecht belehrte Klägerin eine Erklärung, sie wünsche ausdrücklich, dass die Beklagte mit ihrer Dienstleistung aus dem Partnervermittlungsvertrag sofort beginne; ihr sei bewusst, dass sie ihr Widerrufsrecht verliere, wenn der Vertrag seitens der Beklagten vollständig erfüllt sei.

Am folgenden Tag zahlte die Klägerin an die Beklagte das vereinbarte Honorar von 8.330 Euro. Am selben Tag übermittelte die Beklagte der Klägerin drei Kontakte, die dieser jedoch nicht zusagten. Die Klägerin "kündigte" daraufhin nach einer Woche den Vertrag. Die Beklagte macht geltend, das Partnerdepot erstellt und damit ihre Leistung vollständig erbracht zu haben.

Das Landgericht hat die auf Rückzahlung der 8.330 Euro gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte hingegen zur Rückzahlung verurteilt. Von der Klageforderung seien aber 1.191 Euro abzuziehen, da die Klägerin drei der insgesamt 21 geschuldeten Partnervorschläge erhalten habe und der Beklagten daher Wertersatz in dieser Höhe schulde.

Der BGH hat die gegen ihre Verurteilung zur Rückzahlung von 7.139 Euro gerichtete Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Klägerin könne den Großteil des an die Beklagte geleisteten Betrags zurückverlangen. Gemäß § 355 Absatz 3 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) seien im Fall des wirksamen Widerrufs eines Verbrauchervertrags die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Parteien hätten einen widerruflichen Verbrauchervertrag im Sinne des § 312 Absatz 1 BGB in Verbindung mit § 310 Absatz 3 BGB außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312b Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 BGB) geschlossen. Der von der Klägerin erklärte Widerruf sei wirksam gewesen.

Das Widerrufsrecht der Klägerin sei nicht gemäß § 356 Absatz 4 Satz 1 und 2 BGB ausgeschlossen gewesen, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung ihre Dienstleistung noch nicht vollständig erbracht hatte. Dies hätte erfordert, dass sie jedenfalls ihre Hauptleistungspflicht vollständig erfüllt hätte, hebt der BGH hervor. Für die Auslegung, welche Pflichten Hauptleistungspflichten sind, sei entscheidend, worauf es der einen oder der anderen Partei in hohem Grade ankam, was sie unter allen Umständen erlangen wollte.

Nach diesen Maßstäben habe das OLG rechtsfehlerfrei verneint, dass die Beklagte ihre Leistung vollständig erbracht hatte. Die Erstellung des Partnerdepots sei nicht (ausschließliche) Hauptleistungspflicht der Beklagten. Vielmehr sei für den Kunden der Beklagten allein die Zusendung der ausführlichen Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten von Bedeutung gewesen. Diese Leistung habe die Beklagte zum Zeitpunkt des Widerrufs nur zu einem geringen Teil erbracht. Darüber hinaus sei der Kunde auch darauf angewiesen, dass die Partnervorschläge zu dem Zeitpunkt, zu dem er sie zu einer Kontaktanbahnung nutzt, noch aktuell und bis dahin gegebenenfalls ergänzt und aktualisiert worden sind.

Für ein anderes Verständnis könne sich die Beklagte nicht auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) berufen, nach denen die "Hauptleistung" (allein) in der Erstellung eines 21 Partnervorschläge umfassenden Partnerdepots liegt. Diese Bestimmung sei gemäß § 307 Absatz 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Durch AGB könne der Vertragsgegenstand nicht verändert werden.

Der Gegenanspruch der Beklagten auf Wertersatz für die von ihr erbrachten Leistungen aus § 357 Absatz 8 Satz 1 BGB sei jedenfalls geringer als der Betrag, den das OLG von der Klageforderung abgezogen hat, so der BGH weiter. Für die Berechnung dieses Wertersatzes sei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) maßgeblich, weil das Widerrufsrecht gemäß § 312g Absatz 1 und § 355 Absatz 1 BGB sowie seine Rechtsfolgen auf der EU-Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher beruhen. Nach dem Urteil des EuGH vom 08.10.2020 sei auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen. Daraus ergebe sich kein Anspruch der Beklagten, der 1.191 Euro übersteigt. Eine Ausnahme von einer zeitanteiligen Berechnung gelte nur, wenn der geschlossene Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden. Ein solcher Ausnahmefall liege hier jedoch nicht vor.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.05.2021, III ZR 169/20

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