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Multinationalen Unternehmen von Belgien gewährte Steuerbefreiungen: Vorliegen einer Beihilferegelung zutreffend festgestellt

21.09.2021

In Bezug auf Steuerbefreiungen, die Belgien multinationalen Unternehmen durch Rulings gewährt hat, hat die EU-Kommission zutreffend das Vorliegen einer Beihilferegelung festgestellt. Dies hält der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, hebt das Urteil des Gerichts der EU (EuG) vom 14.02.2019 auf und verweist die Sache zur Entscheidung über andere Gesichtspunkte der Rechtssache an das Gericht zurück.

Seit 2005 kommt in Belgien ein System der Befreiung von Gewinnüberschüssen belgischer Unternehmen, die zu multinationalen Konzernen gehören, zur Anwendung. Diese Unternehmen konnten einen Vorbescheid (ruling) der belgischen Steuerbehörden erlangen, wenn sie das Vorliegen einer neuen Situation geltend machen konnten, wie etwa eine Neuorganisation, die zu einer Neuansiedlung des Hauptunternehmens in Belgien führt, die Schaffung von Arbeitsplätzen oder Investitionen. In diesem Rahmen waren von der so genannten Gesellschaftssteuer Gewinne befreit, die als "Mehrgewinne" angesehen wurden, da sie die Gewinne überstiegen, die von vergleichbaren eigenständigen Unternehmen unter ähnlichen Umständen erzielt worden wären.

2016 stellte die Kommission fest, dass dieses System der Befreiung von Gewinnüberschüssen eine rechtswidrige Beihilferegelung darstelle, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei. Sie ordnete die Rückforderung der auf diese Weise gewährten Beihilfen bei 55 Empfängern an, zu denen die Gesellschaft Magnetrol International zählte. Belgien und Magnetrol International klagten auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission. Am 14.02.2019 erklärte das EuG den Beschluss der Kommission für nichtig. Es stellte fest, dass die Kommission zu Unrecht zu dem Schluss gelangt sei, dass die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse keine näheren Durchführungsmaßnahmen erfordere und daher eine "Beihilferegelung" im Sinne der Verordnung 2015/1589 darstelle. Es wies außerdem die Argumentation der Kommission mit der geltend gemachten Existenz eines "systematischen Konzepts" der belgischen Behörden zurück. Die Kommission legte ein Rechtsmittel beim EuGH ein. Sie meint, dem EuG seien bei der Auslegung der Definition einer "Beihilferegelung" Fehler unterlaufen.

Der EuGH weist darauf hin, dass die Einstufung einer staatlichen Maßnahme als Beihilferegelung voraussetzt, dass drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens könnten Unternehmen auf der Grundlage einer Regelung Einzelbeihilfen gewährt werden. Zweitens sei für die Gewährung dieser Beihilfen keine nähere Durchführungsmaßnahme erforderlich. Drittens müssten die Unternehmen, denen Einzelbeihilfen gewährt werden können, "in einer allgemeinen und abstrakten Weise" definiert werden.

Im Hinblick auf die erste Voraussetzung präzisiert der EuGH zunächst den Begriff "Regelung". Er bestätigt, dass dieser Begriff auch auf eine ständige Verwaltungspraxis der Behörden eines Mitgliedstaats verweisen kann, wenn diese Praxis ein "systematisches Konzept" erkennen lässt. Das EuG habe trotz seiner Feststellung, dass sich die Rechtsgrundlage der in Rede stehenden Regelung nicht nur aus einer Vorschrift des Einkommensteuergesetzbuchs 1992, sondern aus der Anwendung dieser Vorschrift durch die belgischen Steuerbehörden ergebe, hieraus nicht alle Konsequenzen gezogen. Insbesondere habe es den Umstand nicht berücksichtigt, dass die Kommission diese Anwendung nicht nur aus bestimmten Rechtsakten beziehungsweise Maßnahmen, sondern auch aus einem systematischen Konzept dieser Behörden abgeleitet hat. Dagegen habe sich das EuG auf die falsche Prämisse gestützt, dass der Umstand, dass sich einige der wesentlichen Elemente der in Rede stehenden Regelung nicht aus diesen Rechtsakten, sondern aus den Rulings selbst ergäben, impliziere, dass diese Rechtsakte zwangsläufig Gegenstand näherer Durchführungsmaßnahmen sein müssten. Folglich habe das EuG dadurch, dass es seine Prüfung allein auf die vorgenannten Rechtsakte beschränkt hat, den Begriff "Regelung" fehlerhaft angewandt.

Hinsichtlich der zweiten Voraussetzung für die Bestimmung einer "Beihilferegelung", nämlich dem Fehlen "näherer Durchführungsmaßnahmen", weist der EuGH darauf hin, dass diese Frage untrennbar mit der der Bestimmung der "Regelung" verbunden sei, auf die sich die Beihilferegelung gründet. Im Rahmen dieser Prüfung habe das EuG jedoch nicht berücksichtigt, dass eines der wesentlichen Merkmale der in Rede stehenden Regelung darin bestand, dass die belgischen Steuerbehörden die Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse systematisch bewilligt hatten, wenn die Voraussetzungen erfüllt waren. Entgegen den Feststellungen des EuG habe die Identifizierung einer solchen systematischen Praxis einen ausschlaggebenden Gesichtspunkt darstellen können, anhand dessen gegebenenfalls belegt werden kann, dass die Steuerbehörden in Wirklichkeit über kein Ermessen verfügten.

Zur dritten Voraussetzung für die Bestimmung einer "Beihilferegelung", nämlich der, dass die Begünstigten der Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse "in einer allgemeinen und abstrakten Weise" definiert werden, führt der EuGH aus, dass diese Frage ebenfalls untrennbar mit den ersten beiden dieser Voraussetzungen verbunden ist, die das Vorliegen einer "Regelung" und das Nichtvorliegen "näherer Durchführungsmaßnahmen" betreffen. Deshalb hätten die Rechtsfehler des EuG, die die ersten beiden Voraussetzungen betreffen, seine Beurteilung in Bezug auf die Definition der Begünstigten der Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse beeinträchtigt.

Daher kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass das Gericht mehrere Rechtsfehler begangen hat. Im Hinblick auf den Nachweis, dass ein "systematisches Konzept" vorliegt, ist der EuGH im Übrigen der Ansicht, dass die Stichprobe der von der Kommission geprüften Bescheide (22 in ausgewogener Weise ausgewählte Rulings von insgesamt 66) ihrer Natur nach für ein "systematisches Konzept" der belgischen Steuerbehörden repräsentativ sein kann. Mithin hebt er das Urteil des EuG auf.

Dagegen stellt er fest, dass der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif ist, was die Klagegründe betrifft, mit denen im Wesentlichen geltend gemacht wird, dass die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse zu Unrecht als staatliche Beihilfe eingestuft worden sei, insbesondere unter Berücksichtigung des Fehlens eines Vorteils und des Fehlens von Selektivität, und die Klagegründe, mit denen gerügt wird, dass insbesondere gegen die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und des Vertrauensschutzes verstoßen worden sei, da die Rückforderung der angeblichen Beihilfen, einschließlich bei den Unternehmensgruppen, denen die Empfänger dieser Beihilfen angehörten, fehlerhaft angeordnet worden sei. Deshalb verweist der EuGH die Sache zur Entscheidung über diese Gesichtspunkte der Rechtssache an das EuG zurück.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 16.09.2021, C-337/19 P

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