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MPU: Auch nach einmaliger Trunkenheitsfahrt mit hoher Blutalkoholkonzentration und fehlenden Ausfallerscheinungen

19.03.2021

Zur Klärung von Zweifeln an der Fahreignung ist auch dann ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) beizubringen, wenn der Betroffene bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug zwar eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille aufwies, bei ihm aber trotz einer BAK von 1,1 Promille oder mehr keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt wurden. In einem solchen Fall begründen, wie § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) voraussetzt, sonst Tatsachen die Annahme von (künftigem) Alkoholmissbrauch. Die dadurch hervorgerufenen Zweifel an der Fahreignung habe die Fahrerlaubnisbehörde nach dieser Vorschrift durch die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu klären, betont das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)

Der Kläger begehrt die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Nach einer Trunkenheitsfahrt, bei der die Blutprobe eine BAK von 1,3 Promille ergeben hatte, verurteilte ihn das Strafgericht wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Absatz 1 und 2 Strafgesetzbuch) und entzog ihm die Fahrerlaubnis. Als der Kläger bei der beklagten Stadt Kassel die Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragte, forderte sie ihn, gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2a FeV, auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Klärung der Frage beizubringen, ob er trotz der Hinweise auf Alkoholmissbrauch ein Fahrzeug sicher führen könne und nicht zu erwarten sei, dass er ein Kfz unter einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholeinfluss führen werde. Weil der Kläger kein solches Gutachten vorlegte, lehnte die Beklagte seinen Neuerteilungsantrag gestützt auf § 11 Absatz 8 Satz 1 FeV ab.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht (VG) Kassel abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof das Urteil geändert und die Beklagte verpflichtet, die beantragte Fahrerlaubnis ohne vorherige Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens zu erteilen. Es genüge bei der dem Kläger vorzuhaltenden einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,3 Promille allein das Fehlen von Ausfallerscheinungen nicht, um als sonstige Tatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2a Alt. 2 FeV die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu rechtfertigen. Der Verordnungsgeber habe den Aspekt des mangelnden Wirkungsempfindens aufgrund bestehender Giftfestigkeit bereits bei der Festlegung des Grenzwertes von 1,6 Promille in § 13 Satz 1 Nr. 2c FeV berücksichtigt.

Das BVerwG hat das Berufungsurteil geändert und die Berufung des Klägers gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen. Gemäß § 11 Absatz 8 Satz 1 FeV habe die Beklagte auf die Nichteignung des Klägers schließen dürfen, da er ihr kein positives medizinisch-psychologischen Gutachten vorgelegt hatte. Sie habe von ihm auf der Grundlage von § 13 Satz 1 Nr. 2a Alt. 2 FeV zu Recht die Beibringung eines solchen Gutachtens gefordert. Nach dieser Regelung ordne die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung einer Fahrerlaubnis an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne liege vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können.

Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts stehe § 13 Satz 1 Nr. 2c FeV der Anwendung der von der Beklagten herangezogenen Regelung nicht entgegen. Aus dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte von § 13 Satz 1 Nr. 2a und c FeV lasse sich nicht entnehmen, dass dem Buchstaben c eine "Sperrwirkung" in dem Sinne zukomme, dass bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer BAK unter 1,6 Promille und Anhaltspunkten für eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung ein Rückgriff auf § 13 Satz 1 Nr. 2a Alt. 2 FeV ausscheidet. Bei Personen, die aufgrund ihres Trinkverhaltens eine hohe Alkoholgewöhnung erreicht haben, bestehe eine erhöhte Rückfallgefahr. Die Giftfestigkeit führe unter anderem dazu, dass der Betroffene die Auswirkungen seines Alkoholkonsums auf die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch einschätzen kann. Deshalb liege in dem Umstand, dass der Betroffene trotz eines bei seiner Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug festgestellten hohen Blutalkoholpegels keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen aufwies, eine aussagekräftige Zusatztatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2c Alt. 2 FeV. Dieser zusätzliche tatsächliche Umstand rechtfertige auch mit Blick auf den Buchstaben c, der demgegenüber allein das Erreichen von 1,6 Promille genügen lässt, die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand könne von einer außergewöhnlichen Alkoholgewöhnung ausgegangen werden, wenn der Betroffene bei seiner Trunkenheitsfahrt eine BAK von 1,1 Promille oder mehr aufwies. Außerdem müsse festgestellt und dokumentiert worden sein, dass er dennoch keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zeigte. Diese Voraussetzungen seien im Fall des Klägers erfüllt gewesen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.03.2021, BVerwG 3 C 3.20

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