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Mehrere Verträge mit einem Arbeitgeber: Mindestruhezeit richtet sich nach allen Verträgen zusammengenommen

19.03.2021

Hat ein Arbeitnehmer mit demselben Arbeitgeber mehrere Arbeitsverträge geschlossen, gilt die tägliche Mindestruhezeit für die Verträge zusammengenommen und nicht für jeden der Verträge für sich genommen. Dies stellt der Europäische Gerichtshof (EuGH) klar.

Die rumänische Akademie für wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge in Bukarest erhielt eine von den rumänischen Behörden gewährte, nicht rückzahlbare europäische Finanzierung für die Durchführung eines Programms zur Personalentwicklung. Am 04.06.2018 belastete das rumänische Bildungsministerium die Akademie mit einer Haushaltsforderung von umgerechnet ungefähr 2.800 Euro, die Gehaltskosten für Arbeitnehmer der Arbeitsgruppe zur Durchführung des Projekts entsprach. Die diesen Kosten entsprechenden Beträge wurden für nicht erstattungsfähig erklärt, weil die Höchststundenzahl (13 Stunden), die diese Arbeitnehmer täglich arbeiten können, überschritten worden war.

Von Oktober 2012 bis Januar 2013 hätten bei der Akademie beschäftigte Sachverständige nämlich aufgrund mehrerer Arbeitsverträge an bestimmten Tagen die im Rahmen der Regelarbeitszeit gearbeiteten Stunden, also acht Stunden pro Tag, mit den im Rahmen des Projekts oder im Rahmen von anderen Projekten gearbeiteten Stunden kumuliert. Die Gesamtzahl der pro Tag geleisteten Arbeitsstunden habe für diese Sachverständigen die in den Anweisungen der das Projekt verwaltenden Behörde vorgesehene Obergrenze von 13 Stunden pro Tag überschritten.

Das mit der Rechtssache befasste rumänische Gericht fragt den EuGH, ob die in Artikel 3 der Arbeitszeitrichtlinie vorgesehene tägliche Mindestruhezeit, wenn ein Arbeitnehmer mit demselben Arbeitgeber mehrere Arbeitsverträge geschlossen hat, für diese Verträge zusammengenommen oder für jeden dieser Verträge für sich genommen gilt.

Der EuGH weist darauf hin, dass das Recht eines jeden Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf ‒ insbesondere tägliche ‒ Ruhezeiten, nicht nur eine Regel des Sozialrechts der EU ist, sondern auch in der Charta der Grundrechte der EU ausdrücklich verbürgt ist. Die Arbeitszeitrichtlinie definiere den Begriff "Arbeitszeit" als jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Sie verpflichte die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit "jedem Arbeitnehmer" pro 24-Stunden-Zeitraum eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden gewährt wird. Im Übrigen sei die "Ruhezeit" als jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit definiert. "Ruhezeit" und "Arbeitszeit" seien somit Begriffe, die einander ausschließen. Die Arbeitszeitrichtlinie sehe keine Zwischenkategorie zwischen den Arbeits- und den Ruhezeiten vor.

Die Anforderung der Arbeitszeitrichtlinie, dass jedem Arbeitnehmer täglich mindestens elf zusammenhängende Ruhestunden gewährt werden, könne jedoch nicht erfüllt werden, wenn diese Ruhezeiten für jeden Vertrag zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber getrennt geprüft würden. In einem solchen Fall könnten die Stunden, die im Rahmen eines Vertrags als Ruhezeiten angesehen werden, nämlich, wie in der dem EuGH vorgelegten Rechtssache, im Rahmen eines anderen Vertrags Arbeitszeiten darstellen. Da jedoch ein und derselbe Zeitraum nicht gleichzeitig als Arbeitszeit und als Ruhezeit eingestuft werden kann, seien die Arbeitsverträge, die ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber geschlossen hat, zusammen zu prüfen.

Diese Auslegung wird laut EuGH auch durch das Ziel der Richtlinie bestätigt, Mindestvorschriften festzulegen, die dazu bestimmt sind, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer durch eine Angleichung namentlich der innerstaatlichen Arbeitszeitvorschriften zu verbessern. Es solle ein besserer Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer gewährleistet werden, indem diesen – unter anderem tägliche – Mindestruhezeiten gewährt werden. Der EuGH meint daher, dass die tägliche Mindestruhezeit, wenn ein Arbeitnehmer mit demselben Arbeitgeber mehrere Arbeitsverträge geschlossen hat, für diese Verträge zusammengenommen und nicht für jeden dieser Verträge für sich genommen gilt.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17.03.2021, C-585/19

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