Erbschaftsteuer: Freibetrag bei einem zivilrechtlich als verstorben geltenden Elternteil
Sexueller Übergriff: K.O.-Tropfen und Pipette sind keine "gefährlichen Werkzeuge"
Kontoführungsentgelte: Wegen unwirksamer Zustimmungsfiktionsklausel zurückzuzahlen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Sparkasse zur Rückzahlung von Kontoführungsentgelten an einen Kunden verurteilt, weil der den Entgelten nicht zugestimmt hatte. Die Zustimmungsfiktionsklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Sparkasse war unwirksam.
Der Kläger begehrt Rückzahlung von geleisteten Kontoführungsentgelten und Gebühren für eine Girokarte. Nach einer in den AGB seiner Sparkasse enthaltenen unwirksamen Regelung gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt (Zustimmungsfiktionsklausel).
Die Sparkasse informierte den Kläger im Oktober 2017 darüber, dass für dessen zwei Girokonten ab dem 01.01.2018 Kontoführungsentgelte und Gebühren für eine Girokarte zu zahlen seien. Daraufhin kündigte der Kläger eines der Girokonten. Die Sparkasse erhob ab dem 01.01.2018 eine Grundgebühr für die Führung des anderen Girokontos in Höhe von monatlich 3,50 Euro und eine Gebühr für eine SparkassenCard von jährlich sechs Euro. Der Kläger stimmte diesen Änderungen der Bedingungen nicht aktiv zu. Die Sparkasse buchte die Entgelte in der Folgezeit vom Konto des Klägers ab. Im Juli 2021 widersprach dieser der Erhebung der Entgelte. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der von 2018 bis 2021 erhobenen Entgelte (insgesamt 192 Euro) sowie die Feststellung, dass die Sparkasse ihm jeden weiteren künftigen Schaden zu ersetzen habe, der ihm durch die Einziehung nicht vereinbarter Bankentgelte nach dem Jahr 2021 entsteht.
In den Vorinstanzen war die Klage erfolglos. Der BGH hat die Sparkasse indes antragsgemäß verurteilt: Der Kläger könne die Rückzahlung der Kontoführungsentgelte und des Entgelts für die Girokarte verlangen.
Sein Rückzahlungsanspruch ergebe sich aus § 812 Absatz 1 Satz 1 Fall 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), weil die Sparkasse die Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat. Der Kläger habe der von der Sparkasse beabsichtigten Änderung der Entgeltbedingungen nicht konkludent durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt. Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat laut BGH keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Kontoinhabers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Kontobedingungen der Sparkasse oder Bank umfasst.
Der Zugang zu einem Girokonto sei in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essenzieller Bedeutung für die uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben. Die Nutzung des Girokontos allein sei deshalb kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von AGB durch die Sparkasse oder Bank, sondern entspreche lediglich den Erfordernissen und Usancen des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag.
Die von der Sparkasse erhobenen Entgelte seien auch nicht durch eine Fiktion der Zustimmung des Klägers zu den geänderten Kontobedingungen der Sparkasse vereinbart worden. Der BGH habe bereits mit Urteil vom 27.04.2021 (XI ZR 26/20) entschieden, dass eine Klausel in den AGB von Banken und Sparkassen, die eine solche Fiktion vorsieht, im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam ist.
Auch der Umstand, dass der Kläger die erhobenen Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat, führe nicht dazu, dass die Sparkasse die Entgelte behalten darf. Die vom VIII. Zivilsenat des BGH im Zusammenhang mit unwirksamen Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen angewandte so genannte Dreijahreslösung (Urteil vom 14.03.2012, VIII ZR 113/11) sei nicht auf unwirksame Zustimmungsfiktionsklauseln von Banken und Sparkassen übertragbar, stellt der BGH klar. Nach der Dreijahreslösung könne ein Kunde die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen, die auf unwirksame Preisanpassungs-klauseln in Energielieferungsverträgen gestützt sind, nicht mehr mit Erfolg geltend machen, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat. Die dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Erwägungen trügen vorliegend nicht. Denn der Inhalt eines Vertrags selbst werde durch die unwirksame Zustimmungsfiktionsklausel – anders als durch Preisanpassungsklauseln – nicht bestimmt.
Die durch den Wegfall der Zustimmungsfiktionsklausel entstandene Vertragslücke sei auch nicht wie die mit der unwirksamen Preisanpassungsklausel verbundene Vertragslücke im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, sondern gemäß § 306 Absatz 2 BGB durch das dispositive Gesetzesrecht, das mit den § 311 Absatz 1, §§ 145 ff. BGB konkrete Regelungen zur konsensualen Änderung eines Vertrags zur Verfügung stelle, so der BGH. Danach habe die Zustimmung zu einer von der Bank oder Sparkasse angetragenen Vertragsänderung, die durch die unwirksame Zustimmungsfiktionsklausel fingiert werden sollte, durch eine Willenserklärung des Kunden zu erfolgen. Eine dreijährige Frist, binnen derer der Bankkunde die Erhebung von unwirksamen Bankentgelten beanstandet haben muss, um nicht an das von der Bank oder Sparkasse Angetragene gebunden zu sein, sehe das nach § 306 Absatz 2 BGB maßgebende dispositive Gesetzesrecht demgegenüber nicht vor.
Sparkassen und Banken sieht der BGH angesichts der bestehenden gesetzlichen Verjährungsregelungen, die eine dreijährige Verjährungsfrist vorsehen (§ 195 BGB), und angesichts der bestehenden Möglichkeit, Verträge zu kündigen, auch nicht unzumutbar belastet.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.11.2024, XI ZR 139/23