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Kontakt mit infiziertem Hotel-Mitarbeiter: Stellt keinen Reisemangel dar

21.04.2021

Das Amtsgericht (AG) Hannover die Klage einer Familie gegen ein Hannoversches Reiseunternehmen auf Rückzahlung des Reisepreises sowie nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit und Ersatz von Fahrtkosten als unbegründet abgewiesen.

Die Klägerinnen hatten für den Zeitraum 26.06.2020 bis 06.07.2020 einen Cluburlaub in Österreich gebucht. Die Urlaubsanlage führte bei ihren Mitarbeitern regelmäßig Tests auf das SARS-COV2-Virus durch. Diese waren bis zur Anreise der Klägerinnen negativ. Nach der Anreise wurde ein Mitarbeiter des Clubs positiv auf das SARS-COV2-Virus getestet. Es bestand der Verdacht, dass sich die Klägerinnen angesteckt haben könnten. Diese wurden nach Darstellung des Reiseunternehmens von den lokalen Behörden vor die Wahl gestellt, den Rest des Urlaubs im Hotelzimmer in Quarantäne zu verbringen oder die Heimreise anzutreten. Da ersteres für die Klägerinnen nicht in Betracht kam, wurden sie durch behördliche Entscheidung vom 29.06.2020 angewiesen, die von ihnen gewünschte Heimreise auf der kürzest möglichen Route anzutreten.

Die Beklagte zahlte nur einen Teil des Reisepreises zurück. Mit der Klage begehren die Klägerinnen die Rückzahlung des vollständigen Reisepreises sowie Schadenersatz wegen vertaner Urlaubszeit und Ersatz der Fahrtkosten. Das AG Hannover verneinte einen entsprechenden Anspruch. Ein solcher ergebe sich insbesondere nicht aus §§ 651i Absatz 3 Nr. 6, 651m Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dies würde nämlich voraussetzen, dass ein Reisemangel nach § 651i Absatz 1 BGB vorlag, was aber nicht der Fall sei.

Nach der Vorschrift liegen Reisemängel vor, wenn die Reise nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Dass die Parteien eine konkrete Vereinbarung getroffen hätten, wonach Inhalt der Reise sein sollte, dass im Reisezeitraum kein Mitarbeiter der Urlaubsanlage an Covid-19 erkranken würde oder keine behördlichen Maßnahmen gegen die Klägerinnen verhängt werden würden, trügen die Klägerinnen nicht vor. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Vereinbarung konkludent geschlossen werden sollte.

Ein Mangel ergebe sich auch nicht aus § 651i Absatz 2 Satz 2 BGB. Danach liege ein Reisemangel vor, wenn sich die Pauschalreise nicht zum vorausgesetzten Nutzen eignet, ansonsten, wenn sie sich für den gewöhnlichen Nutzen eignet, aber keine Beschaffenheit aufweist, die bei Pauschalreisen der gleichen Art üblich ist und die der Reisende nach der Art der Pauschalreise erwarten kann.

In Bezug auf Erkrankungen, Unfälle und ähnliche Ereignisse gelte insoweit nach der Rechtsprechung, dass der Reisende erwarten kann, dass er durch die vom Reiseveranstalter beherrschbaren Umstände der Reise nicht geschädigt wird, beispielsweise nicht aufgrund des vom Veranstalter zur Verfügung gestellten Essens erkrankt oder durch unterlassene Verkehrssicherungspflichten verunfallt, ebenso, dass er nicht durch Erfüllungsgehilfen des Veranstalters schuldhaft geschädigt wird. Der Veranstalter müsse der Rechtsprechung zufolge dagegen nicht für Ereignisse einstehen, die dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen sind und außerhalb der von ihm geschuldeten Leistung geschehen.

Eine Reisemangel ergebe sich danach nicht. Denn die Klägerinnen hätten nach der Art der Pauschalreise nicht erwarten können, während ihrer Reise auf keine positiv auf das SARS-COV2-Virus getesteten Menschen zu treffen und den daraus folgenden Beeinträchtigungen nicht ausgesetzt zu werden. Denn die Ursache der Beeinträchtigungen der Reise, also die Erkrankung eines Mitarbeiters der Urlaubsanlage, habe nicht in einem Umstand gelegen, den gerade die Beklagte als Reiseveranstalterin beziehungsweise ihre Erfüllungsgehilfen beherrschen konnte. Es habe daher auch keine entsprechende vertragliche Erwartung der Klägerinnen bestehen können.

Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die behördliche Anweisung auf dem Kontakt der Klägerinnen zu einer positiv auf das SARS-COV2-Virus getesteten Person beruhte und ein solcher Kontakt in der Urlaubsanlage sowohl zu Mitarbeitern als auch anderen Reisenden hätte erfolgen können. In dem Kontakt zu einer infizierten Person und der anschließenden behördlichen Verfügung habe sich damit ein typisches allgemeines Lebensrisiko verwirklicht und es sei keine vertraglich begründete Erwartung an die Reise enttäuscht worden. Anders als etwa bei der Verbreitung von Krankheiten durch Verpflegung, die nur durch den Reiseveranstalter (und nicht andere Mitreisende) zur Verfügung gestellt wird, beruhe die Erkrankung des Mitarbeiters und die behördliche Entscheidung hier nämlich nicht auf einem Umstand, den nur die Beklagte beherrschen konnte und der beziehungsweise dessen Fehlen daher vom Reisenden als üblich erwartet werden kann.

Ein Reisemangel ergibt sich laut AG Hannover auch nicht daraus, dass die infizierte Person ein Mitarbeiter der Urlaubsanlage und kein Dritter war. Soweit die Rechtsprechung bei bestimmten Sachverhalten, in denen sich an sich ein allgemeine Lebensrisiko verwirklicht (zum Beispiel Diebstählen oder sexuellen Belästigungen) einen Reisemangel annimmt, wenn die Beeinträchtigung durch einen Mitarbeiter der Hotelanlage erfolgt, dagegen nicht, wenn sie durch einen Dritten im Urlaubsland erfolgt, habe dies seinen Grund darin, dass vertraglich die berechtigte Erwartung besteht, nicht durch den Reiseveranstalter selbst beziehungsweise seine Erfüllungsgehilfen schuldhaft geschädigt zu werden, insbesondere da der Reiseveranstalter durch Auswahl und Überwachung seiner Erfüllungsgehilfen auch Einfluss darauf nehmen kann. Da hier aber weder vorgetragen ist noch irgendwelche Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der betroffene Mitarbeiter schuldhaft die eigene Erkrankung verursacht hätte, sei keine vertraglich berechtigte Erwartung verletzt worden, so das Gericht abschließend.

Amtsgericht Hannover, Urteil vom 12.04.2021 570 C 12046/20, nicht rechtskräftig

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