Mitglied werden
Suche
Vor Ort
Presse
Menü

Veränderung pro Sekunde

Login
Menü schließen

Menü schließen

Sie sind hier:  Startseite  Bayern  Newsticker-Archiv    Kanzler-Wahl: Verfassungsbeschwerde gege...

Kanzler-Wahl: Verfassungsbeschwerde gegen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Landes Berlin erfolglos

09.12.2021

Elf Bundestagsabgeordnete sind in Karlsruhe mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen § 19 Absatz 2 Satz 2 der Dritten SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Landes Berlin vom 23.11.2021 (3. InfSchMV des Landes Berlin) gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nahm die Beschwerde nicht zur Entscheidung an. Diese sei unzulässig, weil sie weder bezüglich der Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes noch bezüglich der geltend gemachten Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten den Begründungsanforderungen genüge.

Nach der angegriffenen Vorschrift dürfen Übernachtungen in Hotels und ähnlichen Einrichtungen nur unter der 2G-Bedingung angeboten werden. Die nach eigenen Angaben ungeimpften und außerhalb Berlins lebenden Beschwerdeführer sehen sich durch die Norm insbesondere in ihren Abgeordnetenrechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) verletzt, weil sie durch diese an der Teilnahme der Wahl des Bundeskanzlers durch den Bundestag am 08.12.2021 gehindert seien.

Das BVerfG versagt der Beschwerde den Erfolg. Die Beschwerdeführer machten vorrangig geltend, an der Wahrnehmung ihrer Abgeordnetenrechte gehindert zu sein. Dass insoweit überhaupt gleichgelagerte Fälle existieren, sei nicht dargelegt oder in sonstiger Weise ersichtlich. Soweit die Beschwerdeführer die Erwartung äußerten, dass grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen (über den Kreis der Abgeordneten hinaus) geklärt werden könnten, weist das BVerfG darauf hin, dass sie sich gegen eine Rechtsverordnungsnorm wenden, die auch von den Fachgerichten verworfen werden kann. Unabhängig davon hänge die verfassungsrechtliche Beurteilung der angegriffenen Norm nicht allein von spezifisch verfassungsrechtlichen Fragen ab. Für sie seien vielmehr auch tatsächliche Bewertungen der Entwicklung der Pandemie, der von verschiedenen Personengruppen ausgehenden Infektionsrisiken und der ergriffenen und möglichen Schutzmaßnahmen von wesentlicher Bedeutung. Daher sei die fachgerichtliche Aufbereitung der Entscheidungsgrundlagen vor einer Anrufung des BVerfG geboten.

Überdies fehle es dem Vortrag der Beschwerdeführer an konkreten Angaben zu schweren und unabwendbaren Nachteilen, die ihnen bei einer Erschöpfung des Rechtsweges erwachsen sollen. Zum einen sei schon nicht ersichtlich, weshalb die Beschwerdeführer nicht bis zum 08.012.2021 fachgerichtlichen Eilrechtsschutz erlangen können sollten, so das BVerfG am 06.12.2021. Zum anderen hätten sie nicht substantiiert dargelegt, dass sie auch bei Ausschöpfung zumutbarer eigener Bemühungen gehindert wären, die von ihnen benannten parlamentarischen Verpflichtungen wahrzunehmen. Die Beschwerdeführer hätten zum Teil nicht angegeben, wo sich ihr Wohnsitz befindet und welcher Zeitaufwand erforderlich wäre, um bei einer Anreise von ihrem Wohnsitz an den Sitzungen des Bundestages teilnehmen zu können. Ferner hätten sie nicht dazu vorgetragen, inwieweit sie auf die Nutzung von Unterkunftsmöglichkeiten in Berlin angewiesen sind, um ihr Mandat im fraglichen Zeitraum wahrnehmen zu können. Gemäß § 16 Absatz 2 Nr. 1 der Zweiten Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg vom 23.11.2021 gelte dort für Beherbergungen zu geschäftlichen oder dienstlichen Zwecken eine Ausnahme von der 2G-Regel. Vor diesem Hintergrund könne nicht davon ausgegangen werden, dass den Beschwerdeführern keine Möglichkeiten zur Verfügung standen, den geltend gemachten Nachteil auf zumutbare Weise abzuwenden.

Die Beschwerdeführer hätten auch eine Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten nicht hinreichend dargelegt. Das in Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG verbürgte freie Mandat gewährleiste den Abgeordneten zwar alle für die Ausübung ihres Mandats wesentlichen Befugnisse. Dazu gehörten umfangreiche Statusrechte der Abgeordneten, insbesondere Rede-, Stimm-, Initiativ-, Frage- und Informationsrechte, sowie das Recht auf gleiche Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung. Die Beschwerdeführer setzten sich allerdings nicht damit auseinander, inwieweit die angegriffene Rechtsverordnungsnorm des Landes Berlin in ihre Individualrechte eingreift. Die Regelung sei nicht auf eine Beschränkung der durch das freie Mandat des Abgeordneten gewährleisteten Rechte gerichtet. Insoweit liege kein unmittelbarer Eingriff in den Schutzgehalt der Norm vor. Zwar schütze Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG auch die tatsächliche Möglichkeit, an den Sitzungen des Bundestages teilzunehmen. Gemäß Artikel 48 Absatz 2 Satz 1 GG dürfe niemand gehindert werden, das Amt eines Angeordneten auszuüben. Der Anwendungsbereich des Artikel 48 Absatz 2 GG werde aber nur durch ein Verhalten berührt, das die Übernahme oder Ausübung des Abgeordnetenmandats erschweren oder unmöglich machen soll, nicht aber durch eine Regelung, die in eine andere Richtung ziele und nur unvermeidlicherweise die tatsächliche Folge oder Wirkung einer Beeinträchtigung der Freiheit der Mandatsübernahme und -ausübung habe. Vor diesem Hintergrund hätten die Beschwerdeführer sich dazu verhalten müssen, inwieweit die angegriffene Norm überhaupt einen mit der Verfassungsbeschwerde rügefähigen Eingriff in den Schutzgehalt des Artikels 38 Absatz 1 Satz 2 GG darstellt. Dem trage ihr Sachvortrag unzureichend Rechnung.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.12.2021, 2 BvR 2164/21

Mit Freunden teilen