Mitglied werden
Suche
Vor Ort
Presse
Menü

Veränderung pro Sekunde

Login
Menü schließen

Menü schließen

Sie sind hier:  Startseite  Bayern  Newsticker-Archiv    Hochdosis-Influenza-Impfstoff: Schließt ...

Hochdosis-Influenza-Impfstoff: Schließt Impfung mit konventionellen Influenza-Impfstoffen nicht aus

27.07.2022

Neben dem Hochdosis-Influenza-Impfstoff können weiterhin die konventionellen Impfstoffe gegen Influenza verimpft werden. Dies stellt das Landessozialgericht (LSG) Hessen klar. Die Verordnung, die das Impfen von Versicherten über 60 Jahren auch mit konventionellen Influenza-Impfstoffen befristet weiterhin ermöglicht, sei nicht außer Vollzug zu setzen. Das Pharmaunternehmen, die den einzigen bislang zugelassenen Hochdosis-Influenza-Impfstoff vertreibt, habe keinen Anspruch auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung.

Ein in Frankfurt ansässiges Pharmaunternehmen vertreibt einen Hochdosis-Influenza-Impfstoff mit einer vierfach höheren Dosierung im Vergleich zu den bisherigen quadrivalenten Influenza-Impfstoffen. Dieser erste und bislang einzige Hochdosis-Influenza-Impfstoff wurde im Mai 2020 vom Paul-Ehrlich-Institut zugelassen. Im Januar 2021 empfahl die Ständige Impfkommission (STIKO) diesen Impfstoff für die Impfung von Personen ab 60 Jahren im Hinblick auf die signifikante, statistisch abgesicherte Überlegenheit der Impfwirksamkeit bei älteren Menschen. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschloss daraufhin, in die Schutzimpfungs-Richtlinie einen entsprechenden Anspruch der Versicherten über 60 Jahren auf diesen Impfstoff aufzunehmen.

Mit Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen Influenza und Masern (Impfverordnung) wurde – befristet bis zum 31.03.2022 – geregelt, dass Versicherte ab 60 Jahren im Rahmen der Verfügbarkeit der vorhandenen Impfstoffe einen Anspruch auf eine Schutzimpfung mit einem inaktivierten, quadrivalenten Influenza-Impfstoff mit aktueller von der WHO empfohlener Antigenkombination haben. Der Anspruch auf einen Hochdosis-Influenza-Impfstoff bleibe hiervon unberührt und eine entsprechende ärztliche Verordnung gelte als wirtschaftlich.

Im Sommer 2021 empfahl die STIKO für den Fall von Lieferengpässen, Versicherte ab 60 Jahren mit Influenza-Impfstoffen in Standarddosierung zu versorgen. Im Februar 2022 wurde sodann die Befristung der Impfverordnung um ein weiteres Jahr verlängert, sodass nunmehr bis zum 31.03.2023 von über 60-jährigen Versicherten auch der Standard-Impfstoff beansprucht werden kann. Durch diese Verlängerungsregelung sah sich das Pharmaunternehmen, das als einzige den Hochdosis-Influenza-Impfstoff vertreibt, in seinen Rechten verletzt und beantragte einstweiligen Rechtschutz. Es drohe ein Umsatzverlust von über 53 Millionen Euro.

Der Eilantrag war in erster und zweiter Instanz erfolglos. Das Pharmaunternehmen habe keinen Anspruch darauf, dass die Änderungsverordnung durch eine einstweilige Anordnung außer Vollzug gesetzt werde, so das LSG. Das Abwarten einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren sei für das Unternehmen nicht mit einer dringlichen Notlage verbunden, die eine sofortige Entscheidung erfordere. Gehe es – wie vorliegend – um die wirtschaftlichen Folgen einer angefochtenen Regelung, so liege ein Anordnungsgrund nur vor, wenn der Antragsteller in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht sei. Eine wirtschaftliche Existenzgefährdung sei bei einem drohenden Umsatzverlust von über 53 Millionen Euro jedoch vorliegend nicht hinreichend belegt. Das Pharmaunternehmen habe auf seiner Webseite Umsatzzahlen für 2020 von rund 4,6 Milliarden Euro und hinsichtlich des weltweit tätigen Mutterkonzerns von rund 36 Milliarden Euro veröffentlicht. Auch sei nicht dargelegt, in welchem Umfang sich ein eventueller Umsatzrückgang bei dem Hochdosis-Impfstoff auswirke, da das Pharmaunternehmen auch den Standard-Impfstoff herstelle.

Das Unternehmen könne sich zudem nicht mit Erfolg auf eine Grundrechtsverletzung berufen. Das Grundgesetz schütze grundsätzlich nicht vor Konkurrenz. Auch sei eine ungerechtfertigte Schlechterstellung des Unternehmens durch die angefochtene Fristverlängerung nicht festzustellen. Es obliege weiterhin der fachlichen Einschätzung des behandelnden Arztes, ob einem Versicherten über 60 Jahren der Hochdosis- oder der Standard-Impfstoff verabreicht werde.

Artikel 12 Grundgesetz (GG) begründe ferner keinen Anspruch auf eine "Monopolstellung auf dem Markt der Grippe-Impfstoffe für über 60-jährige Versicherte". Eine gegen Artikel 3 GG verstoßende willkürliche Benachteiligung sei vorliegend auch nicht erkennbar.

Schließlich sei nicht zu beanstanden, aus Gründen der Versorgungssicherheit – insbesondere während der COVID-Pandemie – den Marktzugang für sämtliche rechtlich zugelassene Influenza-Impfstoffe offenzuhalten, um hierdurch Versorgungsengpässe zu vermeiden.

Landessozialgericht Hessen, L 8 KR 125/22 B ER, unanfechtbar

Mit Freunden teilen