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Grunderwerbsteuer: Steuertatbestand auch bei Verlängerung der Beteiligungskette erfüllt
Der Steuertatbestand des § 1 Absatz 2b Satz 1Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) ist auch erfüllt, wenn nur dieBeteiligungskette verlängert wird. Das hat das Finanzgericht (FG)Baden-Württemberg in Bezug auf eine Ausgliederung zur Aufnahme einergrundbesitzenden Kapitalgesellschaft aus einem Einzelunternehmen auf einepersonenidentische Personengesellschaft entschieden. Für Erwerbsvorgänge nach §1 Absatz 2b GrEStG komme eine Steuerbefreiung nach § 5 GrEStG nicht in Betracht,heißt es in dem Urteil weiter.
Geklagt hatte eine grundbesitzende GmbH, deren Anteile zu100 Prozent von einem Einzelunternehmer (A) gehalten wurden. 2021 gründete Adie C-KG, an der A als alleiniger Kommanditist beteiligt ist. Mit notariellemVertrag von 2021 wurde das gesamte einzelkaufmännische Unternehmen des A mitallen Aktiva und Passiva auf die C-KG ausgegliedert. Gegenstand derAusgliederung waren sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin. Dies führtedazu, dass die C-KG anstelle des A an der Klägerin beteiligt wurde. Die Ausgliederungwurde 2022 im Handelsregister eingetragen.
Das Finanzamt setzte Grunderwerbsteuer fest. Durch dieAusgliederung sei die C-KG neue Alleingesellschafterin der Klägerin geworden.Infolgedessen seien die Grundstücke fiktiv auf die Klägerin als neueKapitalgesellschaft im Sinne des § 1 Absatz 2b GrEStG übergegangen. DieKlägerin meinte, es läge lediglich eine nicht nach § 1 Absatz 2b GrEStGsteuerbare Verlängerung der Beteiligungskette vor, hilfsweise sei dieÜbertragung auf die C-KG nach § 5 oder § 6a GrEStG steuerfrei.
Das FG wies die Klage ab. Die Ausgliederung der Klägerin vomEinzelunternehmen des A auf die C-KG erfülle den Tatbestand des § 1 Absatz 2bSatz 1 GrEStG.
Gehöre zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft eininländisches Grundstück und ändere sich innerhalb von zehn Jahren derGesellschafterbestand dergestalt, dass mindestens 90 Prozent der Anteile derGesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen, gelte dies nach § 1 Absatz 2bSatz 1 GrEStG als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neueKapitalgesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft.
§ 1 Absatz 2b GrEStG sei gemäß § 23 Absatz 18 GrEStG aufErwerbsvorgänge nach dem 30.06.2021 – und somit auch hier – anwendbar. DerGesellschafterbestand der Klägerin habe sich mit der Eintragung derAusgliederung ins Handelsregister im Jahr 2022 zu 100 Prozent unmittelbargeändert. A sei als Einzelunternehmer unmittelbarer Altgesellschafter derKlägerin und daher mit Ablauf des 30.06.2021 zu 100 Prozent an der Klägerinbeteiligt gewesen. Durch die Ausgliederung sei die C-KG als neueAlleingesellschafterin der Klägerin als unmittelbare Neugesellschafterin imSinne des § 1 Absatz 2b GrEStG anzusehen. Es liege somit ein unmittelbarerGesellschafterwechsel vor.
Nach Ansicht des FG spielt es keine Rolle, dass hierlediglich die Beteiligungskette verlängert worden und der letztlich beteiligteGesellschafter A identisch geblieben ist. Der Tatbestand des § 1 Absatz 2b Satz1 GrEStG setze entweder eine unmittelbare oder eine mittelbare Änderung desGesellschafterbestandes voraus. Liege eine unmittelbare Änderung vor, sei esirrelevant, dass der Altgesellschafter den Neugesellschafter beherrsche.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH)komme es bei der hier vorliegenden unmittelbaren Änderung desGesellschafterbestands allein darauf an, ob ein zivilrechtlich wirksamerÜbergang eines Mitgliedschaftsrechts einschließlich der anteiligensachenrechtlichen Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen vorliege.Wirtschaftliche Gesichtspunkte seien ohne Bedeutung. Lediglich bei dermittelbaren Änderung scheide eine Anknüpfung an das Zivilrecht aus, da eszivilrechtlich keine mittelbare Änderung eines Gesellschafterbestandes gebe.Insofern sei die wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Beurteilung, ob einemittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes vorliege, durch einensachlichen Grund gerechtfertigt und stelle keinen Verstoß gegen denGleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 (GG) Grundgesetz dar.
Gehe ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eineGesamthand über, so werde die Steuer nach § 5 Absatz 2 Satz 1 GrEStG in Höhedes Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthandbeteiligt ist. Diese Vorschrift sei bereits nach dem Wortlaut nicht auf denvorliegenden Fall anwendbar, so das FG. Die streitgegenständlichen Grundstückeblieben zwar zivilrechtlich im Eigentum der Klägerin.Grunderwerbsteuerrechtlich fingiere § 1 Absatz 2b GrEStG jedoch einenErwerbsvorgang an den Grundstücken von der Kapitalgesellschaft vor Änderung desGesellschafterbestands auf die Kapitalgesellschaft nach Änderung desGesellschafterbestands. Sei an diesem (fiktiven) Vorgang keineGesamthandsgemeinschaft beteiligt, komme eine Steuerbefreiung nach § 5 GrEStGim Rahmen des § 1 Absatz 2b GrEStG nicht in Betracht.
§ 5 Absatz 2 Satz 1 GrEStG sei auch nicht analog anzuwenden.Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. Wie sich aus derGesetzesbegründung zu § 1 Absatz 2b GrEStG ergebe, habe der Gesetzgeber dieUngleichbehandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften erkannt und sichbewusst dafür entschieden, dass die personenbezogenenSteuerbefreiungstatbestände und Nichterhebungsregelungen aufKapitalgesellschaften keine Anwendung finden sollen. Es liege (jedenfalls zumhier maßgeblichen Zeitpunkt) auch kein Verstoß gegen Artikel 3 GG vor. Der BFHhabe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Beschränkung derSteuerbefreiungen aus § 5 GrEStG auf Gesamthandsgemeinschaftenverfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.
Nach § 6a Satz 1 GrEStG werde unter anderem für einen nach §1 Absatz 1 Nr. 3 Satz 1, Absatz 2 bis 3 oder Absatz 3a GrEStG steuerbarenRechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung im Sinne des § 1 Absatz 1 Nr. 1 bis 3Umwandlungsgesetz (UmwG) die Steuer nicht erhoben.
§ 1 Absatz 1 Nr. 2 UmwG betreffe zwar die im Streitfallvorliegende Ausgliederung. Die Nichterhebung der Steuer setze nach § 6a Satz 3GrEStG jedoch auch voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich einherrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschendenUnternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschendenUnternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Im Sinne von § 6a Satz 3GrEStG abhängig sei nach § 6a Satz 4 GrEStG eine Gesellschaft, an deren Kapitaloder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünfJahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbaroder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 Prozentununterbrochen beteiligt sei.
§ 6a Satz 4 GrEStG sei dahingehend auszulegen, dass die dortgenannten Fristen nur insoweit eingehalten werden müssten, als sie aufgrundeines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. BeiUmwandlungsvorgängen zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einemherrschenden Unternehmen müsse daher in Fällen der Ausgliederung zurNeugründung nur die Nachbehaltensfrist eingehalten werden, so das FG.
Im Streitfall liege keine Ausgliederung zur Neugründung,sondern eine Ausgliederung zur Aufnahme (§ 123 Absatz 3 Nr. 1 UmwG) vor. DieC-KG sei nicht erst durch die Eintragung der Ausgliederung in das Register amSitz des übertragenden Rechtsträgers neu gegründet worden. Vielmehr sei sieschon drei Wochen vor der notariellen Beurkundung des Ausgliederungsvertragesgegründet worden. Insofern sei die Einhaltung der Vorbehaltensfrist hier nichtaus Rechtsgründen aufgrund des Umwandlungsvorgangs unmöglich. Sie müsse somitbeachtet werden.
Die Vorbehaltensfrist werde bezüglich der C-KG nichteingehalten. A sei als herrschendes Unternehmen im Sinne des § 6a GrEStG nochkeine fünf Jahre vor dem Ausgliederungsvorgang an der C-KG mittelbar oderunmittelbar zu mindestens 95 vom Hundert beteiligt gewesen. Die C-KG sei nurdrei Wochen vor dem Ausgliederungsvorgang gegründet worden und kein abhängigesUnternehmen im Sinne des § 6a Satz 4 GrEStG. Infolgedessen seien an demstreitgegenständlichen Umwandlungsvorgang nicht ausschließlich mehrere von einemherrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt gewesen.
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26.04.2024, 5 K1696/23