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Gesetzentwurf zur Neuregelung der Steuerzinsen: 1,8 Prozent p.a.

12.04.2022

Die neue Bundesregierung hat auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom Sommer 2021 reagiert. Sie hat einen Entwurf für die geforderte Neuregelung des Zinssatzes in der Abgabenordnung für Steuernachforderungen und -erstattungen vorgelegt. Das Urteil des höchsten Gerichts habe 2021 für großes Aufsehen gesorgt, so die Lohnsteuerhilfe Bayern. Um die Praxistauglichkeit zu gewährleisten, werde künftig abermals ein starrer Zinssatz im Steuerwesen eingesetzt. Jedoch solle eine regelmäßige Evaluierung hinzukommen, um mehr Realitätsnähe zu erreichen. Ein flexibler Zinssatz sei im Hinblick auf eine schwierigere Handhabung und damit verbundene Planungsunsicherheiten für das Bundesfinanzministerium (BMF) nicht in Betracht gekommen.

Das BVerfG habe in einem Urteil den Steuerzinssatz von sechs Prozent p.a. aufgrund der vorherrschenden Niedrigzinsphase am Kapitalmarkt für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2014 für überhöht und verfassungswidrig erklärt, erläutert die Lohnsteuerhilfe Bayern. Eine Zinskorrektur habe es jedoch erst für die Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2019 oder später fallen, angeordnet. Bis spätestens Ende Juli 2022 müsse der Gesetzgeber eine verfassungskonforme Neuregelung dazu erlassen haben. Nun habe das BMF einen Referentenentwurf für das Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (2. AOÄndG) vorgelegt. Am 30.03.2022 habe das Bundeskabinett die Neuregelung beschlossen. Nun müsse sie noch vom Bundestag verabschiedet werden und der Bundesrat müsse zustimmen, so die Lohnsteuerhilfe am 05.04.2022.

Mit dem Entwurf des 2. AOÄndG solle der bisherige Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen von 0,5 Prozent pro Monat auf 0,15 Prozent pro Monat, und damit auf 1,8 Prozent pro Jahr, gesenkt werden. Die 1,8 Prozentpunkte orientieren sich laut Lohnsteuerhilfe am aktuellen Basiszinssatz nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) von -0,88 Prozent mit einem Aufschlag von 2,7 Prozentpunkten, was laut Referentenentwurf einen sachgerechten Zuschlag darstellen solle. Der Zinssatz bleibe damit deutlich unterhalb des Zinssatzes für Verzugszinsen nach dem BGB und sei ein angemessener Mittelwert zwischen Guthaben- und Verzugszinsen.

Des Weiteren solle mit Teilverzinsungszeiträumen in Fällen gerechnet werden, in denen unterschiedliche Zinssätze im Zinslauf zur Anwendung kommen. Dies sei zum Beispiel der Fall, wenn sich der Verzinsungszeitraum vom 01.05.2018 bis zum 15.07.2019 erstreckt. Für Teilverzinsungszeiträume sei jeweils tageweise zu rechnen, wobei ein Kalendermonat grundsätzlich mit 30 Zinstagen angesetzt werde. Die Anzahl der tatsächlichen Kalendertage je Kalendermonat spiele keine Rolle. Um den Anteil am Jahreszinssatz zu ermitteln, werde die Summe der ermittelten Zinstage durch 360 geteilt.

Damit der Verwaltungszinssatz künftig nicht wieder so krass von der Realität am Markt abweicht, sehe das Gesetz vor, dass der Basiszinssatz regelmäßig alle drei Jahre überprüft werden soll. Sollte der Basiszinssatz künftig um mehr als einen Prozentpunkt gegenüber dem zuletzt geltenden Zinssatz abweichen, solle eine Anpassung des Zinssatzes erfolgen. Diese solle dann für künftige Verzinsungszeiträume gelten. Die erste Evaluation wurde nach Angaben der Lohnsteuerhilfe für den 01.01.2026 festgesetzt.

Im Hinblick auf die laufenden Verfahren seien Zinsfestsetzungen für Zeiträume ab Mai 2019 vom Finanzamt mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen worden. Auch seien noch viele Steuerbescheide aus den vergangenen Jahren offen, weil die Steuerzahler Einspruch gegen den hohen Zinssatz erhoben haben. Bei diesen noch nicht bestandskräftig festgesetzten Zinsen würden die Finanzämter nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens den neuen Zinssatz rückwirkend ab Januar 2019 anwenden, so die Lohnsteuerhilfe. Im Fall der Neuberechnung von Erstattungszinsen durch Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids dürfe der Steuerpflichtige aber im Vergleich zur letzten Zinsfestsetzung nicht schlechter gestellt werden. Das bedeute, dass weder eine Rückzahlung festgesetzter noch vorläufig erhaltener Erstattungszinsen erforderlich sei.

Der neue gesetzliche Zinssatz betreffe Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen zulasten der Steuerpflichtigen nicht. Hier werde weiterhin ein Zinssatz von sechs Prozent p.a. angewendet, da sich die Entscheidung des Gerichts hier ausdrücklich nicht auf andere Regelungen zur Verzinsung erstreckt habe. Diese Sachverhalte würden laut Gesetzgeber noch geprüft. Ob und wann hier eine Anpassung erfolgt, bleibt laut Lohnsteuerhilfe offen. Wenn für andere Zinsen aber ein anderer Grundsatz gilt, führe das in der Praxis zu Ungerechtigkeiten.

"Es gilt das Gebot der gleichmäßigen Besteuerung. Dem sollte durch einheitliche Zinssätze Rechnung getragen werden", so Tobias Gerauer, Vorstand der Lohnsteuerhilfe. Bleibe es bei den unterschiedlichen Sätzen, würden zum Beispiel Steuerzahler, die ihre Steuererklärung abgegeben haben und deren Steuernachzahlung gestundet oder wegen eines Rechtsstreits ausgesetzt wurde, mit der neuen Lösung schlechter gestellt als diejenigen, bei denen die Finanzverwaltung Steuernachforderungen erst im Nachhinein festgestellt hat.

Lohnsteuerhilfe Bayern e.V., PM vom 05.04.2022

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