Mitglied werden
Suche
Vor Ort
Presse
Menü

Veränderung pro Sekunde

Login
Menü schließen

Menü schließen

Sie sind hier:  Startseite  Bayern  Newsticker-Archiv    Genesenenstatus: Verkürzung auf 90 Tage ...

Genesenenstatus: Verkürzung auf 90 Tage verfassungswidrig?

08.02.2022

Das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück hält die Verkürzung des Genesenstatus auf 90 Tage durch den Verweis in der am 14.01.2022 geänderten Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung (SchAusnahmV) auf die Internetseite des Robert-Koch-Instituts (RKI) für verfassungswidrig und damit unwirksam. Deswegen hat es in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes den Landkreis Osnabrück dazu verpflichtet, dem Antragsteller einen sechs Monate umfassenden Genesenennachweis auszustellen. Es sei die Verordnung in der Fassung vom 08.05.2021 2021 anzuwenden, die den Genesenennachweis für den Zeitraum 28 Tage nach (positiver) PCR-Testung bis sechs Monate bestimme (§ 2 Nr. 5 SchAusnahmV).

Der Genesenenstatus und damit seine Dauer hätten eine hohe Bedeutung für die Freiheit der Bürger, betont das VG. Es liege auf der Hand, dass der Ausschluss des Einzelnen von der Teilnahme am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben für den Einzelnen eine hohe Grundrechtsrelevanz, insbesondere in Bezug auf die Allgemeine Handlungsfreiheit aus Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz (GG), die körperliche Unversehrtheit des Artikel 2 Absatz 2 GG unter dem Gesichtspunkt der psychischen Gesundheit und auf die Berufsausübungsfreiheit des Artikel 12 Absatz 1 GG – sowie auf weitere Grundrechtspositionen – habe.

In Anbetracht der Bedeutung des Genesenenstatus für den Einzelnen verstoße es gegen Verfassungsrecht, dass der Verordnungsgeber die Dauer des Genesenenstatus mittelbar durch einen (dynamischen) Verweis auf die vom RKI im Internet veröffentlichen Vorgaben auf – aktuell – 90 Tage nach festgestellter Infektion beschränke. Für diese Weiterdelegation auf das RKI fehle es an einer Rechtsgrundlage. Der Verweis auf eine sich ständig ändernde Internetseite des RKI sei intransparent und zudem unbestimmt. Ob derartig weitreichende Entscheidungen zudem einem Parlamentsvorbehalt unterlägen, also nur vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber getroffen werden dürften, oder ob sie auch die Verwaltung treffen dürfe, könne letztlich offenbleiben.

Auch in der Sache fehle es für eine Verkürzung des Genesenenstatus an einer wissenschaftlich fundierten Grundlage. Das RKI habe nicht hinreichend wissenschaftlich aufgearbeitet, ob es belegt sei, dass nach 90 Tagen der Schutz Genesener vor einer Infektion ende.

Soweit der Antragsteller mit seinem Antrag außerdem erreichen wollte, dass sein Genesenenstatus schon ab dem Zeitpunkt der Entlassung aus der Quarantäne gelten sollte, blieb der Antrag erfolglos. Die 28-Tage-Regelung in der SchAusnahmV aus Mai 2021 beruhe auf nachvollziehbaren wissenschaftlichen Erwägungen. Damit werde sichergestellt, dass mit dem Genesenennachweis auch ein ausreichender Immunschutz einhergehe.

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Er hat zudem unmittelbar nur Folgen für den Antragsteller, der Anspruch auf den Genesenennachweis zur Dauer von sechs Monaten habe, so das VG. Andere Genesene, die ihren verkürzten Nachweis nicht akzeptieren, müssten sich deshalb grundsätzlich auch an das Gericht wenden, sofern die Verordnung nicht geändert wird. Das VG habe nämlich – anders als das Oberverwaltungsgericht – keine allgemeine Normverwerfungskompetenz.

Verwaltungsgericht Osnabrück, Beschluss vom 04.02.2022, 3 B 4/22, nicht rechtskräftig

Mit Freunden teilen