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"Frühphase" der Corona-Pandemie: Fahrschulunterricht durfte verboten werden

08.08.2024

Dass der Landkreis Goslar in der "Frühphase" der Corona-Pandemie den Fahrschulunterricht verboten hat, war rechtmäßig. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig entschieden und die Klage einer von dem Verbot betroffenen Fahrschule abgewiesen.

Der beklagte Landkreis Goslar erließ Mitte März 2020 eine Allgemeinverfügung, mit der für den Zeitraum eines Monats unter anderem "die Wahrnehmung von Angeboten in Volkshochschulen, Musikschulen und sonstigen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen im außerschulischen Bereich" verboten wurde. Der Landkreis sah auf dieser Grundlage auch Fahrschulunterricht als untersagt an. Kurz darauf trat eine niedersachsenweit geltende Regelung des Landes in Kraft, die unter anderem Fahrschulunterricht ausdrücklich untersagte.

Die Fahrschule verfolgte ihr Begehren, das Ende März 2020 geltende komplette Verbot von Fahrschulunterricht im Landkreis Goslar für rechtswidrig zu erklären, auch nach Ablauf der Regelungen und nach Ende der Pandemie weiter. Damit hatte sie keinen Erfolg.

Das VG weist in seinem Urteil darauf hin, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit allein auf die Sachlage und die wissenschaftlichen Erkenntnisse ankam, die zum Zeitpunkt des Verbots durch den Landkreis vorlagen. Danach sah das VG das Verbot durch die Allgemeinverfügung vom März 2020 als gerechtfertigt an. Denn eine ungebremste Erkrankungswelle hätte aus damaliger Sicht auch bei einem nur kleinen Teil von schwer verlaufenden Erkrankungen zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen können.

Das "Frühstadium" der Pandemie im März 2020 sei eine Ausnahmesituation gewesen, in der die Verwaltung auf ein plötzlich eingetretenes, sehr dynamisches Infektionsgeschehen mit äußerster Kurzfristigkeit habe reagieren müssen. Das Gericht befand, dass der Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer- und schwersterkrankter Menschen, den der Landkreis seinerzeit mit seiner Allgemeinverfügung bezweckt habe, ein überragendes Gemeinwohlinteresse darstellt. Das Leben und die Gesundheit der durch eine Überforderung des Gesundheitssystems unmittelbar Gefährdeten zu schützen, sei eine grundgesetzlich verankerte Pflicht des Staates. Dahinter hätten in der hier infrage stehenden "Frühphase der Pandemie" die Grundrechte der Fahrschule zurücktreten müssen.

Auch das Argument, jedenfalls ein undifferenziertes komplettes Verbot von Fahrschulunterricht sei unverhältnismäßig gewesen, überzeugte das Gericht im Ergebnis nicht. Die klagende Fahrschule hatte im Prozess unter anderem eingewendet, beim praktischen Motorradunterricht führen Schüler und Lehrer 50 Meter getrennt voneinander mit verschiedenen Fahrzeugen. Diese Betrachtungsweise greife zu kurz, so das VG. Denn sie verkenne, dass vor Fahrtantritt im praktischen Motorradunterricht durchaus Erklärungen des Fahrlehrers sowie Hilfestellungen bei der Vorbereitung des Motorrads erforderlich seien, bei denen kein derart großer Abstand eingehalten werden könne. Zudem sei nach damaliger Erkenntnislage auch unklar gewesen, ob es durch die Benutzung des gleichen Fahrschulmotorrads durch aufeinanderfolgende Schüler vermehrt zu Schmierinfektionen hätte kommen können.

Auch sei es dem Landkreis aufgrund des großen zeitlichen Drucks, umgehend Maßnahmen zur Eindämmung des sich exponentiell ausbreitenden Virus zu ergreifen, schlicht unmöglich gewesen, für jede einzelne mögliche Gegebenheit differenzierte Regelungen zu entwerfen. Daher habe er zur Gewährleistung eines effektiven Infektionsschutzes zunächst zu pauschaleren Bestimmungen greifen müssen, die schnell und einfach umgesetzt werden konnten. Denn eine auf individuelle Besonderheiten eingehende Regelung wie auch Ausnahmegenehmigungen hätten zu einem nicht überschaubaren und nicht leistbaren Verwaltungs-, Vollzugs- und Kontrollaufwand geführt. Auch sei zu berücksichtigen, dass die öffentliche Hand bemüht gewesen sei, Existenzgefährdungen durch Hilfsprogramme abzuwenden und finanzielle Einbußen der Betroffenen jedenfalls zu reduzieren, wie etwa durch erleichterten Zugang zu Kurzarbeitergeld und Corona-Soforthilfen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht die Zulassung der Berufung beantragen.

Verwaltungsgericht Braunschweig, Urteil vom 06.08.2024, 4 A 129/20, nicht rechtskräftig

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