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Ersatzfreiheitsstrafe: Anwaltverein für Abschaffung

09.08.2023

Nach einer aktuellen Erhebung verbüßen in Berlin wieder deutlich mehr Menschen eine Ersatzfreiheitsstrafe (EFS). Der Deutsche Anwaltverein (DAV) plädiert für eine Abschaffung. "Wegsperren helfe nicht gegen Armutskriminalität", sagte dazu Swen Walentowski, Leiter Politische Kommunikation und Medien des DAV.

Mit 1.606 EFS-Betroffenen im ersten Halbjahr 2023 seien die Zahlen wieder auf dem Vor-Corona-Niveau angekommen, konstatiert der DAV. Beachtlich sei der Anteil an den Häftlingen insgesamt: Von den rund 8.360 Menschen, die 2022 in den Berliner Gefängnissen einsaßen, seien 2.390 Personen nur ersatzweise wegen nicht bezahlter Geldstrafen dort gewesen – mehr als 28 Prozent.

"Jeder vierte Insasse eines Berliner Gefängnisses wurde nie zu einer Haftstrafe verurteilt. Wie kann es in einem Rechtsstaat an der Tagesordnung sein, dass Menschen für Bagatelldelikte – allen voran U-Bahnfahren ohne Ticket – in Haft sitzen", hinterfragt der Anwaltverein. Die meisten EFS-Häftlinge seien arbeitslos und verschuldet; die Inhaftierung verschärfte regelmäßig ihre Lage.

Die kürzlich beschlossene Halbierung der Hafttage bei der Umrechnung der Geldstrafe könne diesen Effekt nur bedingt abmildern, meint der DAV. Armutskriminalität sei ein soziales Problem, aber keine Gefahr für die Rechts­ordnung. Eine sinnvollere Stellschraube, um gar nicht erst Ersatzhaft verhängen zu müssen, wäre die Entkriminalisierung der ÖPNV-Nutzung ohne gültigen Fahrschein – das Strafrecht habe da eigentlich nichts zu suchen. Schließlich gehe es dabei nur um zivilrechtliche Ansprüche, die dann meist auch gar nicht beizutreiben seien.

Generell sei das Nichtzahlen von Geldstrafen oft ein Fall des Nicht-Könnens. Die deutlich selteneren Fälle der Zahlungsunwilligkeit sollten durch verpflichtende Anhörungen vor Vollstreckung einer EFS heraus­gesiebt werden. Ist die betroffene Person hingegen zahlungs­unfähig, sollte die Strafe ausgesetzt werden. Es sollten nur die getroffen werden, die nicht zahlen wollen, fordert der DAV.

Zuletzt sei auch der Kostenfaktor der EFS nicht zu verachten: Ein Tag Haft in Berlin koste die Landeskasse 226 Euro. Bei rund 14.000 EFS-Häftlingen in den letzten fünf Jahren seien so mehr als drei Millionen Euro zusammengekommen, die in Beratungs- und Unterstützungsangeboten sicher nachhaltiger angelegt wären.

Deutscher Anwaltverein, PM vom 07.08.2023

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