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Erfolglose Kinderwunschbehandlung: Krankenkasse muss für drei Versuche mit derselben Methode zahlen
Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat eine für die Praxis bedeutsame Auslegung der Vorschrift vorgenommen, nach der die Krankenkassen die Kosten für drei erfolglose Versuche der Kinderwunschbehandlung übernehmen müssen. Für die Anzahl der erfolglosen Versuche sei nur auf dieselbe Behandlungsmethode abzustellen. Wurden daneben auch weitere erfolglose Versuche mit anderen Methoden unternommen, so sei dies grundsätzlich unbeachtlich.
Eine Frau ist seit 2010 Mutter einer Tochter, die im Wege einer so genannten intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) geboren wurde. Dabei wird ein einzelnes Spermium mit Hilfe einer sehr feinen hohlen Glasnadel direkt in die Eizelle gespritzt. In der Folge unternahm die Frau zwei weitere Versuche der künstlichen Befruchtung mittels ICSI sowie drei weitere Versuche der Kinderwunschbehandlung mit kryokonservierten Eizellen im Vorkernstadium. Bei der letztgenannten Methode werden Eizellen im Anfangsstadium der Befruchtung bei minus 196 Grad Celsius in flüssigem Stickstoff eingefroren und gelagert. Bis auf eine ICSI im Jahr 2015 zahlte die Frau alle Behandlungsversuche selbst. Lediglich eine 2018 durchgeführte ICSI führte zu einer Schwangerschaft mit Fehlgeburt.
2019 unternahm die Klägerin abermals zwei erfolglose Versuche der Kinderwunschbehandlung mittels ICSI. Ihre Krankenkasse lehnte die – vom Gesetz vorgesehene – Übernahme der hälftigen Kosten ab, da bereits mehr als drei Behandlungsversuche fehlgeschlagen seien. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Potsdam blieb ohne Erfolg.
Das LSG hat der Frau nunmehr recht gegeben und die Krankenkasse verurteilt, die geltend gemachten hälftigen Kosten für die beiden erfolglosen ICSI-Behandlungen im Jahr 2019 zu übernehmen. Nach den gesetzlichen Vorgaben umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist.
Unterschiedliche Maßnahmen der künstlichen Befruchtung dürften bei der Zählung der erfolglosen Behandlungsversuche grundsätzlich nicht addiert werden, stellt das LSG klar. Dies ergebe sich aus Wortlaut und Zweck der gesetzlichen Regelung. Daher seien die drei erfolglosen Versuche der Befruchtung von kryokonservierten Eizellen nicht mitzuzählen. Überdies könnten als erfolglose Behandlungsversuche nur solche gewertet werden, deren Methode in den Richtlinien über die künstliche Befruchtung des Gemeinsamen Bundesausschusses aufgeführt würden. Dies sei bei der Behandlung mit kryokonservierten Eizellen im Vorkernstadium nicht der Fall. Nicht zu berücksichtigen sei auch die zu einer Fehlgeburt führende ICSI-Behandlung im Jahr 2018. Als erfolgloser Versuch gelte damit nur die nicht zu einer Schwangerschaft führende ICSI-Behandlung im Jahr 2015, sodass die Kosten der zwei weiteren, erfolglosen ICSI-Behandlungen aus dem Jahr 2019 zu übernehmen seien.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das LSG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zugelassen. Die zu entscheidende Rechtsfrage sei bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Die unterlegene Krankenkasse hat nun einen Monat Zeit, um beim Bundessozialgericht die Revision einzulegen.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.10.2024, L 16 KR 101/22, nicht rechtskräftig