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Bundesautobahn 20: Vorerst kein Bau zwischen Westerstede und Jaderberg

11.07.2022

Der erste Abschnitt der Bundesautobahn A 20 von der A 28 bei Westerstede bis zur A 29 bei Jaderberg kann vorerst nicht gebaut werden. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat den zugrunde liegenden Planfeststellungsbeschluss auf die Klage eines Umweltverbandes für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Derzeit könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass das Vorhaben zu keiner Beeinträchtigung des nahegelegenen FFH-Gebiets "Garnholt" führt. Darüberhinausgehende Einwände des Klägers hat das Gericht zurückgewiesen. Die weitere Klage eines Landwirts hatte keinen Erfolg.

Der planfestgestellte Abschnitt, der – anders als möglicherweise andere Abschnitte der A 20 – keine Moore betrifft, ist Teil der in insgesamt sieben Abschnitte unterteilten so genannten Küstenautobahn zwischen Westerstede und Hamburg. Die A 20, die bisher von der deutsch-polnischen Grenze bis östlich von Bad Segeberg verläuft, soll nach ihrer Gesamtfertigstellung zusammen mit der A 28 eine Ost-West-Achse von der deutsch-niederländischen bis zur deutsch-polnischen Grenze bilden. Sie ist Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes und im geltenden Bundesverkehrswegeplan als Vorhaben des "Vordringlichen Bedarfs" eingestuft.

Diese gesetzliche Bedarfsfeststellung sei für das Gericht verbindlich, so das BVerwG. Die gerichtliche Prüfung sei insoweit auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass die angestrebten Planungsziele in einem Maß nicht oder nicht mehr erreicht werden können, dass hieraus eine Verfassungswidrigkeit der Bedarfsfeststellung folgt. Fehler seien dem Vorhabenträger und der Planfeststellungsbehörde jedoch bei der Prüfung unterlaufen, ob die vorhabenbedingte Zunahme der Stickstoffbelastung, die durch den geplanten Abschnitt der A 20 im Bereich der A 28 zu erwarten ist, die Schwelle von 0,3 kg pro Hektar und Jahr überschreitet und so zu einer Beeinträchtigung des Schutzgebiets "Garnholt" führt.

Schon der zunächst ermittelte Wert von 0,326 kg pro Hektar und Jahr sei nur mittels der Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 120 km/h auf einer der beiden Richtungsfahrbahnen der A 28 sowie aufgrund der fachlich vorgegebenen mathematischen Rundung auf eine Stelle hinter dem Komma unterhalb des genannten Schwellenwertes verblieben. Nachdem im Laufe des gerichtlichen Verfahrens ein Eingabefehler festgestellt und korrigiert worden war, sei dieser Wert auf 0,346 kg pro Hektar und Jahr angestiegen. Auch diese Neu-Berechnung sei aber jedenfalls insoweit fehlerhaft, als sie die Verringerung von Stickstoffeinträgen durch den geplanten Wegfall eines Rastplatzes der A 28 in Höhe des Schutzgebietes überschätzt, so das BVerwG. Da bereits ein Anstieg um lediglich 4 g pro Hektar und Jahr zu einem Überschreiten des Schwellenwertes führt, könne eine Beeinträchtigung des Gebietes daher nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Auf weitere Kritikpunkte, etwa die Frage der korrekten Depositionsgeschwindigkeit, komme es angesichts dessen nicht mehr entscheidungserheblich an.

Weitergehende Einwände des klagenden Umweltverbandes hatten hingegen keinen Erfolg. Sie genügten laut BVerwG teilweise bereits nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Klagebegründung. Darüber hinaus begegne die Durchführung artenschutzrechtlicher Ausgleichsmaßnahmen mittels einer landschaftlichen Umgestaltung des ehemaligen Standortübungsplatzes Friedrichsfeld keinen Bedenken. Zwar handele es sich hierbei unstreitig um eine ökologisch hochwertige Fläche. Sie weise aber nach der Maßnahme die für eine Inanspruchnahme solcher Flächen erforderliche Verbesserung auf. Für die betroffenen Vogelarten sei auch der räumlich-funktionale Zusammenhang gewahrt.

Das Klimaschutzgesetz sei im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht in Kraft getreten gewesen und habe daher nicht berücksichtigt werden müssen. Auf den späteren Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses komme es nicht an, da dieser im Wesentlichen die Straßenentwässerung betrifft. Bei einer solchen partiellen Änderung bleibe der Zeitpunkt der ursprünglichen Planfeststellung weiterhin maßgeblich. Dies entspreche der langjährigen Rechtsprechung der Planungssenate des Bundesverwaltungsgerichts. Dafür, dass sich wegen der besonderen Bedeutung und der Dringlichkeit des Klimaschutzes ausnahmsweise etwas anderes ergibt, fehle es an Anhaltspunkten. Artikel 20a Grundgesetz, der den Staat zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichtet, enthalte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber. Vorgaben für einzelne Planfeststellungsverfahren ließen sich daraus ebenso wenig herleiten wie aus dem Übereinkommen von Paris vom 12.12.2015, das die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, zur Begrenzung der globalen Klimaerwärmung beizutragen.

Die weitere Klage eines enteignungsbetroffenen Landwirts hat das BVerwG abgewiesen. Zwar gehe der Planfeststellungsbeschluss zu Unrecht davon aus, die Übereignung oder langfristige Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen, die vom Kläger bereits auf der Grundlage kurzfristiger Pachtverträge bewirtschaftet werden, könne als Ausgleich von Flächenverlusten angerechnet werden. Jedoch habe der Beklagte dem Kläger während des gerichtlichen Verfahrens weitere Flächen verbindlich zugesagt. Eine Existenzgefährdung werde hierdurch ausgeschlossen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 07.07.2022, BVerwG 9 A 1.21 und BVerwG 9 A 5.21

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