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Bayern: Kontaktdaten auch weiterhin zu erheben

27.10.2020

Die Regelungen zur Erfassung von Kontaktdaten in der Siebten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung bleiben in Vollzug. Dies hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof (VerfGH) entschieden und damit den Eilantrag eines Bürgers abgelehnt.

Die Siebte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung regelt unter anderem die Erfassung von Kontaktdaten bei Veranstaltungen, Tagungen, Kongressen, Messen und Ausstellungen sowie beim Besuch von Gastronomie- und Beherbergungsbetrieben. Nach Artikel 4 der Verordnung sind jeweils Namen und Vornamen, eine sichere Kontaktinformation (Telefonnummer, E-Mail-Adresse oder Anschrift) sowie der Zeitraum des Aufenthaltes zu dokumentieren; die Angaben müssen wahrheitsgemäß sein. Die Daten sind den zuständigen Gesundheitsbehörden auf deren Verlangen hin zu übermitteln, soweit dies zur Ermittlung von Kontaktpersonen erforderlich ist; sie sind nach Ablauf eines Monats zu löschen. Gibt jemand falsche Kontaktdaten an, kann das nach § 24 Nr. 3 der Verordnung als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße geahndet werden.

Der Antragsteller meint, diese Regelungen griffen in unverhältnismäßiger und gleichheitswidriger Weise in die Freiheitsrechte der Bürger ein. Insbesondere sei das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Er hat deshalb Popularklage erhoben mit dem Ziel, dass die Siebte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung für verfassungswidrig und nichtig erklärt wird. Zugleich will er mit einem Eilantrag erreichen, dass die Vorschriften zur Erfassung von Kontaktdaten sofort außer Vollzug gesetzt werden.

Der VerfGH hat den Eilantrag abgelehnt. Es lägen keine Gründe vor, die im Interesse der Allgemeinheit eine einstweilige Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile unabweisbar machen und eine vollständige oder teilweise Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelungen rechtfertigen. Die angegriffene Verordnung sei auf eine bundesrechtliche Ermächtigung, nämlich § 32 Satz 1 in Verbindung mit§ 28 Absatz 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz, gestützt. Bei der im Eilverfahren gebotenen überschlägigen Prüfung lasse sich nicht feststellen, dass diese Ermächtigungsgrundlage ungeeignet wäre oder den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügen würde.

Im Bereich des Infektionsschutzes, der bei Eintritt eines Pandemiegeschehens kurzfristige Reaktionen des Verordnungsgebers auf sich ändernde Gefährdungslagen erforderlich machen kann, erscheine es nicht offensichtlich unzulässig, wenn der Gesetzgeber eine offene Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage vorhält, die dem Verordnungsgeber ein breites Spektrum an geeigneten Maßnahmen eröffnet. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die herangezogene Ermächtigungsgrundlage für Regelungen, die eine Erhebung beziehungsweise Verarbeitung persönlicher Daten ermöglichen, von vornherein nicht in Betracht komme. Sie ermächtige den Verordnungsgeber, Personen zu verpflichten, bestimmte Orte oder öffentliche Orte nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Es erscheine deshalb nicht als offensichtlicher Fehlgriff, wenn der Verordnungsgeber auf dieser Grundlage die Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen beziehungsweise den Besuch bestimmter Orte davon abhängig macht, dass Kontaktdaten angegeben werden, um eine Rückverfolgung von Infektionsketten zu ermöglichen.

Es sei nicht offensichtlich, dass der Verordnungsgeber beim Erlass der angegriffenen Vorschriften die bundesrechtlich eröffneten Spielräume überschritten und insbesondere seine verfassungsrechtliche Pflicht zur strengen Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt haben könnte, so der VerfGH. Das Robert-Koch-Institut teile in seiner aktuellen Risikobewertung mit, dass die Dynamik des Infektionsgeschehens in fast allen Regionen zunehme. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Entwicklung bewerte es die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch.

Bei der demnach gebotenen Folgenabwägung überwögen die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe. Der VerfGH halte hinsichtlich der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in der Siebten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung an seiner bisherigen Bewertung fest (vgl. Entscheidungen vom 08.05., 15.05., 08.06., 03.07. und 12.08.2020 – jeweils Vf. 34-VII-20). Die fortgeschriebenen Grundrechtsbeschränkungen durch die Bestimmungen der Rechtsverordnung müssten trotz ihrer andauernden nachteiligen Folgen gegenüber der fortbestehenden, in den letzten Wochen sogar erneut gestiegenen Gefahr für Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen zurücktreten.

Diese Folgenabwägung gilt laut VerfGH auch für die angegriffenen Vorschriften zur Kontaktdatenerfassung. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die hiermit verbundene Beeinträchtigung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung zwar als gewichtig anzusehen ist, der Normgeber aber wirksame Anstrengungen unternommen hat, die Beeinträchtigung der Betroffenen durch die Vorgabe einer kurzen Aufbewahrungsdauer und eines eng begrenzten Verwendungszwecks der Daten in einem möglichst überschaubaren Rahmen zu halten. Es überwiege daher das Interesse an einer Abwehr der im Fall einer Außervollzugsetzung eintretenden Gefahren für Leib und Leben.

Verfassungsgerichtshof Bayern, Entscheidung vom 21.10.2020, 26-VII-20

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