Mitglied werden
Suche
Vor Ort
Presse
Menü

Veränderung pro Sekunde

Login
Menü schließen

Menü schließen

Sie sind hier:  Startseite  Bayern  Newsticker-Archiv    Bayern: Haushaltsausschuss diskutiert Gr...

Bayern: Haushaltsausschuss diskutiert Grundsteuer

06.10.2021

Im Unterschied zum Gesetzespaket des Bundes zur Grundsteuerreform soll die Grundsteuer in Bayern nicht nach dem Wert des Grundstücks, sondern nach der Größe der Fläche berechnet werden. Ob und wie ein solches Gesetz zielführend für eine unbürokratische Fortentwicklung der Grundsteuer wäre, besprachen Juristen, Vertreter von Städten und Gemeinden sowie Steuer- und Immobilien-Sachverständige mit den Mitgliedern des Haushaltsausschusses des bayerischen Landtags.

Der Leiter der Steuerabteilung im Finanzministerium stellte zu Beginn noch einmal klar, warum Bayern einen anderen Weg gehen möchte als der Bund. Das so genannte Flächenmodell Bayerns sei weniger kompliziert und weniger streitanfällig als ein wertabhängiges Modell – für den Vertreter des Finanzministeriums ein fundierter Entwurf, der eine tragfähige Grundlage bildet. Im Verlauf der Diskussion im Ausschuss gab es allerdings auch Kritik und Änderungsvorschläge an dem Gesetzentwurf.

Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Josef Zellmeier (CSU), verdeutlichte, dass von 2025 an der Wert eines Grundstücks bei der Berechnung der Grundsteuer keine Rolle mehr spielen soll. Vielmehr errechne sie sich dann nach der Größe von Grundstück und Gebäude. Im Detail bedeutet das: vier Cent pro Quadratmeter Grundstücksfläche sowie 50 Cent pro Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche. Dieser Messbetrag werde dann mit dem Hebesatz, den jede Gemeinde individuell bestimmt, multipliziert.

Die Vertreter der Städte und Gemeinden verwiesen auf die hohe Bedeutung der Grundsteuer für die Kommunalfinanzierung. Bernd Buckenhofer, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bayerischen Städtetags, sprach von einer der wichtigsten Einnahmequellen. Allerdings fehle im Entwurf die Grundsteuer C als Instrument der Baulandmobilisierung. Mit dieser könnte baureifes Land stärker besteuert werden, wenn es nicht zeitnah bebaut wird. Unterstützung bekam er von Hans-Peter Mayer, Direktor des Bayerischen Gemeindetags, und Harald Riedel, Stadtkämmerer der Stadt Nürnberg. Alle drei bekräftigten, damit werde die Chance vergeben, flächendeckend neuen Wohnraum zu schaffen und an Ortsrändern einen Beitrag zum Flächensparen zu leisten.

Buckenhofer, Mayer und Riedel sprachen sich ferner gegen eine Zonierung aus, also die Möglichkeit für die Kommunen, unterschiedliche Hebesatzgebiete zu bestimmen. Sie befürchten, dass der Grundsteuermessbetrag zu niedrig sei und die Kommunen deshalb gezwungen wären, höhere Hebesätze zu generieren. So verwies Riedel am Beispiel der Stadt Nürnberg darauf, dass dort der Hebesatz um 50 Prozent angehoben werden müsste, um dasselbe Aufkommen wie zuvor zu erreichen. Da sei Streit vorprogrammiert – ebenso, wenn innerhalb einer Kommune verschiedene Grundsteuer-Hebesätze festgelegt würden.

Vehement gegen die Einführung einer Grundsteuer C sprachen sich die Immobilien-Sachverständigen aus. Ulrike Kirchhoff, Vorständin Haus & Grund Bayern, zeigte sich ebenso wie der Vorstand Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA), Sven Behrends, überzeugt, dass Bauspekulanten dadurch nicht abgeschreckt würden, im Gegenteil. Kirchhoff erklärte: "Die Grundsteuer C trifft private Eigentümer, nicht Spekulanten, denn die geben die Kosten weiter beim Verkauf, das wird einfach draufgeschlagen." Auch der Vizepräsident des Bund der Steuerzahler in Bayern, Klaus Grieshaber, und Günter Helmhagen, Vizepräsident und Schatzmeister der Steuerberaterkammer München, lobten das Flächenmodell, halten aber beide die Grundsteuer C vor allem in Ballungsgebieten für nicht umsetzbar.

Eine Umkehrung der Besteuerung forderte Clemens Richarz. Der erste Vizepräsident der Bayerischen Architektenkammer appellierte an die Abgeordneten, dafür zu sorgen, dass bebaute Grundstücke niedrig, unbebaute dagegen hoch besteuert werden. Boden sei eine beschränkte Ressource und das müsse der Gesetzgeber deutlich machen. Mit dem Entwurf aber werde die Bebauung nicht gefördert.

Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht lobte Florian Neumeier den Entwurf für das bayerische Flächenmodell. Der Leiter der Forschungsgruppe Steuer- und Finanzpolitik am Ifo-Institut sprach von einem verlässlichen Instrument, das einfach zu handhaben sei und keine großen Belastungsverschiebungen mit sich bringe. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft würdigte den beherrschbaren Bürokratieaufwand und verwies auf den Vorteil, dass nicht – wie beim Bundesmodell – wiederholt neue Bewertungen der Grundstücke nötig werden.

Unterschiedlich beurteilten die Juristen den Entwurf. Während Klaus-Dieter Drüen, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, ebenso wie seine Kollegin, Professorin Johanna Hey, Direktorin des Instituts für Steuerrecht an der Universität zu Köln, keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken beim Flächenmodell haben, sieht der Potsdamer Jurist Professor Thorsten Ingo Schmidt den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes nicht ausreichend berücksichtigt.

"Entscheidend ist, dass das Gesetz verfassungsmäßig ist", erklärte CSU-Politiker Michael Hofmann in der Aussprache und knüpfte daran die Frage, ob eine Übermaßbesteuerung drohen könne. Professor Drüen verwies darauf, dass es in Deutschland ein Viel-Steuerrecht gebe, aber: "Die Grundsteuer bringt bei der Belastung das Fass nicht zum Überlaufen."

Aus der AfD-Fraktion wollte Ferdinand Mang wissen, wie eine Härtefallregelung verfassungsrechtlich gestaltet sein müsse. Nach Ansicht von Drüen ist dazu keine strukturelle Korrektur des Gesetzes erforderlich. Drüen sieht die Abgabenordnung als ausreichend an.

Tim Pargent, finanzpolitischer Sprecher der Bündnisgrünen, stellte das Äquivalenzprinzip in Frage und wollte wissen, warum unbebaute Grundstücke überhaupt besteuert werden. Die Eigentümer zögen keinen Nutzen aus der gebotenen kommunalen Infrastruktur. Für Juristin Hey kein Argument – denn Steuern seien nie geeignet, individuelle Kosten und Nutzen abzubilden.

Nach Empfehlungen zur praktischen Umsetzung und Präzisierungen im Gesetz fragte Helmut Kaltenhauser (FDP), was die Vertreter der Kommunen zu ihrer Kritik an der Zonierung führte. So bekräftigte der Nürnberger Stadtkämmerer Riedel: "Es ist unmöglich in der kommunalpolitischen Welt erklärbar zu machen: `Ihr habt einen Vorteil beim Hebesatz, weil wir euch einen Vorteil bei der Infrastruktur nicht bieten können´."

Für die Freien Wähler fragte Gerald Pittner nach Vorgaben bei der Relation von Boden- oder Gebäudewert. Dem Potsdamer Juristen Schmidt ist dazu nichts bekannt. Er verwies auf das Modell in Baden-Württemberg, wo nur der Grund, nicht aber die Gebäude besteuert würden, was gerichtlich aber noch nicht abgeklärt sei.

Harald Güller (SPD) lenkte den Blick auf die Erfahrungen mit der Grundsteuer C in den 1960er Jahren. Für Stadtkämmerer Riedel wurde die Steuer damals zu schnell abgeschafft, um daraus Schlüsse für heute zu ziehen. Der Bayerische Gemeindetag sieht zwar ein Risiko, aber auch Potenzial.

Landtag Bayern, PM vom 01.10.2021

Mit Freunden teilen