Mitglied werden
Suche
Vor Ort
Presse
Menü

Veränderung pro Sekunde

Login
Menü schließen

Menü schließen

Sie sind hier:  Startseite  Bayern  Newsticker-Archiv    Bayerischer Landtag: Darf Mitglied im «B...

Bayerischer Landtag: Darf Mitglied im «Bayerischen Bündnis für Toleranz» bleiben

13.08.2021

Der bayerische Landtag darf Mitglied im "Bayerischen Bündnis für Toleranz" bleiben. Der Antrag der AfD-Landtagsfraktion und zweier AfD-Abgeordneter gegen die Mitgliedschaft hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof (VerfGH) als unzulässig abgewiesen. Die von den Antragstellern im Organstreitverfahren verfolgten Begehren seien kein zulässiger Gegenstand eines Organstreits, so der VerfGH.

Zudem fehle es an der schlüssigen Darlegung einer möglichen Verletzung oder Gefährdung eigener verfassungsmäßiger Rechte der Antragsteller. Insbesondere sei nicht ersichtlich, wie durch die Unterstützung einer Vereinigung, die sich für unabänderliche Grundwerte der Bayerischen Verfassung wie das Demokratieprinzip und die Menschenwürde einsetze, das freie Mandat von Abgeordneten oder Oppositionsrechte verletzt werden könnten.

Das 2005 auf Initiative der Kirche gegründete "Bayerische Bündnis für Toleranz" ist der größte Zusammenschluss gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Bayern. Das Bündnis tritt für Toleranz sowie den Schutz von Demokratie und Menschenwürde ein und fördert diese Werte. Zu seinen aktuell 79 Mitgliedern zählen überwiegend Anstalten, Stiftungen und Körperschaften des öffentlichen Rechts aus Politik, Wirtschaft, Bildung und anderen gesellschaftlich relevanten Bereichen. Der Bayerische Landtag ist seit 2009 Mitglied der Vereinigung und unterstützt sie durch jährliche Mitgliedsbeiträge.

Die Antragsteller begehren in dem Organstreitverfahren die Feststellung, dass die vormalige Präsidentin den Landtag unzulässig als Mitglied in dem Bündnis angemeldet habe, die Mitgliedschaft nichtig und die (jetzige) Landtagspräsidentin verpflichtet sei, die Mitgliedschaft für nichtig zu erklären beziehungsweise hilfsweise zu kündigen. Die Mitgliedschaft verletze insbesondere das staatliche Neutralitätsgebot und sei mit dem freien Mandat der Abgeordneten unvereinbar.

Der VerfGH hat den Antrag als unzulässig abgewiesen. Die von den Antragstellern mit den einzelnen Feststellungsanträgen verfolgten Begehren seien auf Rechtsfolgen gerichtet, die im Organstreit grundsätzlich nicht bewirkt werden könnten. Dieses Verfahren diene als kontradiktorische Parteistreitigkeit maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihrer Teile in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns. Für eine objektive Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Maßnahme sei im Organstreit ebensowenig Raum wie für eine über die Feststellung einer Verletzung der Rechte der Antragsteller hinausgehende Verpflichtung eines Antragsgegners zu einem bestimmten Verhalten.

Soweit man zugunsten der Antragsteller davon ausgehe, dass in den Anträgen ein grundsätzlich statthaftes Begehren auf Feststellung einer Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte durch die Begründung der Mitgliedschaft im Bayerischen Bündnis für Toleranz beziehungsweise durch das Unterlassen einer Beendigung der Mitgliedschaft mit enthalten sei, sei die Verfassungsstreitigkeit mangels Antragsbefugnis dennoch unzulässig.

Hinsichtlich der Begründung der Mitgliedschaft durch die vormalige Landtagspräsidentin fehle es an der erforderlichen schlüssigen Darlegung einer möglichen Verletzung eigener Rechte der Antragsteller schon deshalb, weil diese damals noch nicht im Parlament vertreten und damit von der damaligen Maßnahme nicht betroffen gewesen seien. Die Antragsteller könnten sich für ihre Antragsbefugnis auch nicht auf die Verletzung von Rechten des Bayerischen Landtags berufen. Das bayerische Verfassungsrecht sehe im Organstreitverfahren die Möglichkeit einer Prozessstandschaft nicht vor.

Auch im Hinblick auf die beanstandete fehlende Beendigung der Mitgliedschaft durch die jetzige Landtagspräsidentin hätten die Antragsteller eine Verletzung oder Gefährdung in eigenen, durch die Verfassung geschützten Rechten nicht schlüssig dargetan. Aus dem durch die Bayerische Verfassung gewährleisteten freien Mandat der Abgeordneten und dem daraus resultierenden Grundsatz der chancengleichen Beteiligung an der parlamentarischen Willensbildung folge zwar die Verpflichtung der Staatsorgane und insbesondere der Präsidentin des Landtags, gegenüber den Abgeordneten und den Fraktionen auch im Hinblick auf die Parlamentsarbeit Neutralität zu wahren. Einseitige – zugunsten oder zulasten einzelner Abgeordneter oder Fraktionen – parteiergreifende Stellungnahmen oder sonstige Maßnahmen ließen sich auch nicht mit der Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit rechtfertigen.

Es sei aber nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin durch das Unterlassen des Austritts aus dem Bündnis das Gebot der parteipolitischen Neutralität und der unparteilichen Amtsführung verletzt haben könnte. Die vom Bayerischen Bündnis für Toleranz bekämpften Einstellungen, Haltungen oder Handlungen des Rassismus und des Antisemitismus sowie des Rechtsextremismus verstießen gegen das Prinzip der Menschenwürde, welches das zentrale Element beziehungsweise den obersten Grundwert der freiheitlichen demokratischen Grundordnung darstelle. Die Bayerische Verfassung sei weder wertneutral noch wolle das sein. Sie sei von dem Willen getragen, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung des Staates – unter Einsatz der Mittel der wehrhaften Demokratie – erhalten bleiben müsse.

In einer Öffentlichkeitsarbeit des Landtags, die dieses Ziel fördern wolle, könne kein Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht liegen. Auch die Toleranz, für die das Bündnis eintrete und die Bestandteil seines Namens sei, stelle in Form des Toleranzgebots ein aus verschiedenen Artikeln der Bayerischen Verfassung abgeleitetes Verfassungsprinzip dar. Das Eintreten für diesen Wert weise gerade auf die religiöse und weltanschauliche Neutralität des Bündnisses hin. Es sei nicht ersichtlich, wie durch die Unterstützung einer Vereinigung, die sich für unabänderliche Grundwerte der Bayerischen Verfassung wie das Demokratieprinzip und die Menschenwürde einsetze, denen alle Verfassungsorgane verpflichtet und die als solche jeder parteipolitischen Disposition entzogen seien, das freie Mandat von Abgeordneten oder Oppositionsrechte verletzt werden könnten.

Verfassungsgerichtshof Bayern, Entscheidung vom 11.08.2021, Vf. 97-IVa-2

Mit Freunden teilen