Zu spät, zu klein, zu teuer: Berufsbildungscampus Moers
Artikeldienst 10/2024
Mega-Projekt von Hamburg Wasser kostet plötzlich 100 Mio. Euro mehr!
Hamburger Verwertungsanlage für Rückstände aus der Abwasserbehandlung, kurz VERA, wird mindestens 100 Millionen Euro teurer - und später fertig.
Erst vorige Woche veröffentlichte der Bund der Steuerzahler sein Schwarzbuch. Hamburg ist mit sieben Verschwendungsfällen vertreten. „Wäre der Redaktionsschluss später gewesen, dann hätten die Vorgänge rund um die Hamburger Verwertungsanlage für Klärschlamm sicherlich auch Berücksichtigung gefunden“, sagt Sascha Mummenhoff, Landesvorsitzender des Bund der Steuerzahler Hamburg e.V.
Nach aktuellem Stand der BdSt-Recherchen läuft ein Projekt von Hamburg Wasser komplett aus dem Ruder. Mehrausgaben in Höhe von 100 Millionen Euro stehen im Raum. Die Hamburger Stadtentwässerung finanziert sich zwar nicht aus Steuern. Die Refinanzierung von Investitionskosten erfolgt allerdings über die Schmutzwassergebühren – und damit treffen sie alle Hamburger Verbraucher.
Hamburg Wasser präsentierte im September 2022 eines der größten Investitionsvorhaben des Unternehmens der vergangenen Jahre: Die Erweiterung und Renovierung der Verwertungsanlage für Rückstände aus der Abwasserbehandlung, kurz „VERA“ im Hamburger Hafen. Kosten: 200 Millionen Euro. Der Betrieb der erweiterten Linie sollte in 2024/2025 starten und die komplette Erneuerung der bestehenden Kapazitäten bis 2027 abgeschlossen sein. Mit an Bord die Partner Abwasserzweckverband Südholstein und die Entsorgungsbetriebe Lübeck. Mit dem Bau wollte man Deutschlands größte Klärschlammverbrennungsanlage an den Start bringen.
Seit der medienwirksamen Ankündigung ist es ruhig geworden um das Projekt. Jetzt hat der Bund der Steuerzahler Hamburg nachgefragt und die Antworten sind erschreckend: Der Bau von „Vera II“ wird fast 100 Millionen Euro teurer! Statt 200 Millionen sollen es mindestens 297,2 Millionen Euro werden. Und das in nur zwei Jahren.
Auch der Einsatz der Anlage wird sich massiv verzögern. Die zusätzliche vierte Linie geht nicht 2024/2025 in Betrieb, sondern frühestens 2027 und die Komplett-Erneuerung wird nicht vor 2030 abgeschlossen sein.
Laut der zuständigen Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) seien „hauptursächlich für die gestiegenen Projektgesamtkosten die durch die Corona- und Ukrainekrise angestiegenen Marktpreise im Anlagenbau, signifikante Anstiege der Kupfer- und Stahlpreise sowie Planungsverzögerungen beauftragter Dienstleister und Baufirmen“. Sascha Mummenhoff: „Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage lässt sich nur schwer prüfen. Fakt ist jedoch, dass Pandemie und Ukraine-Krieg schon viel zu häufig als Ausrede herhalten mussten.“ Aus diesem Grund fordert der Bund der Steuerzahler Hamburg die Offenlegung aller Unterlagen, die die Verzögerung sowie die gewaltige Preissteigerung erklären.
Die Zusatzkosten hätten sich innerhalb von zwei Jahren „nicht zu einem konkreten Zeitpunkt auf 100 Millionen Euro summiert, sondern dynamisch entwickelt“, so die Pressestelle von Hamburg Wasser. Die zuständigen Aufsichtsbehörden habe man über die Kostensteigerungen und Verzögerungen in Kenntnis gesetzt. Auf Anfrage antwortete Hamburg Wasser: „Unsere Kooperationspartner und die Aufsichtsbehörde BUKEA sind im Rahmen von quartalsweise stattfindenden Aufsichtsratssitzungen beziehungsweise im Rahmen von Beiratssitzungen fortlaufend über aktualisierte Zeit- und Kostenpläne informiert worden.“
Die BUKEA ergänzt: „Selbstverständlich werden alle wichtigen Aspekte des Projekts mit der Aufsichtsbehörde BUKEA und ihrer Vertretung im Aufsichtsrat der Hamburger Stadtentwässerung AöR besprochen. Die BUKEA ist daher über Kosten- und Terminveränderungen umfassend informiert.“
Die Öffentlichkeit erfuhr darüber allerdings bis heute nichts. Weder auf der eigenen Internetseite zu Vera II noch auf der eigenen LinkedIn-Seite. Dort hieß es Anfang des Jahres, dass die Arbeiten „in vollem Gange“ seien und der Betrieb für 2025 geplant sei. „Von Mehrkosten über 100 Millionen Euro war nirgendwo die Rede“, so Mummenhoff
„Am Ende zahlen Verbraucherinnen und Verbraucher die Mehrkosten.“ Das bestätigt die Presseabteilung der BUKEA auf Nachfraget: „Die Refinanzierung der erhöhten Investitionskosten erfolgt im Rahmen der jährlichen Kalkulation der Schmutzwassergebühren, in die der erhöhte jährliche Abschreibungsbedarf einfließen wird.“
Mit Selbstkritik beschäftigt man sich bei Hamburg Wasser offensichtlich nicht. Der Bund der Steuerzahler Hamburg wollte wissen, welche Fehler das Projekt- und Planungsmanagement von Hamburg Wasser gemacht habe, die zu dieser massiven Kostensteigerung und Zeitverzögerung bei Vera II führten. Vor allem aber, welche Maßnahmen die Geschäftsführung ergriffen hat, damit sich die Kosten nicht noch weiter erhöhen?“ Antwort: „Wir bitten um Ihr Verständnis, dass der Sprecher unserer Geschäftsführung aus prinzipiellen Gründen keine Antwort auf Suggestivfragen gibt.“
Das Hamburger Abendblatt berichtet aktuell über unsere Recherchen:
www.abendblatt.de/hamburg/politik/article407485927/kostenexplosion-klaeranlage-im-hamburger-hafen-wird-100-millionen-euro-teurer.html