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Progressive Mietensteuer
Der Berliner Senat prüft den DIW-Vorschlag als neue Einnahmequelle - Steuererfindungsrecht für Bund und Länder?
Der Berliner Senat hat auf Anfrage von SPD-Abgeordneten im Berliner Abgeordnetenhaus bestätigt, dass er Vorschläge des DIW zur Abschöpfung von Bodenwertsteigerungen prüft. Der Bund der Steuerzahler hat sich das Konzept dieser progressiven Mietensteuer angesehen und sieht darin den Versuch des Senats, Einkommensteueraufkommen nach Berlin umzuleiten und eine gute Chance, auch damit wieder vor dem Bundesverfassungsgericht zu landen.
Die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses Mathias Schulz und Lars Rauchfuß (beide SPD) fragten den Berliner Senat nach seiner Einschätzung zu dem im letzten November vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einem Artikel vorgeschlagenen Konzept einer progressiven Mietensteuer. Schon in seinen Richtlinien der Regierungspolitik 2021-2026 hatte der Berliner Senat festgelegt: „Der Senat wird Vorschläge für eine progressive Steuer oder Abgabe auf überdurchschnittlich hohe Mieteinnahmen prüfen. Eine Umlage auf Mieterinnen und Mieter soll dabei ausgeschlossen sein.“
In der DIW-Veröffentlichung diskutieren die Autoren „nachdem der Berliner Mietendeckel gescheitert“ sei und dem weiteren „fragwürdigen Versuch“ der Enteignung großer privater Wohnungsunternehmen das Konzept einer progressiven Mietensteuer. Bei Grenzbelastungen von zehn bis 30 Prozent auf Nettokaltmieten oberhalb von 110 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete errechnen die DIW-Volkswirte ein zusätzliches Steueraufkommen von 201 Millionen Euro im Jahr für das Bundesland Berlin. Die Einnahmen könnten laut DIW verwendet werden, um entweder Belegungsrechte für Sozialwohnungen zu kaufen, Mieten für bestimmte Haushaltsgruppen zu subventionieren oder sozialen Wohnungsbau zu betreiben. Der Bund der Steuerzahler befürchtet hingegen einen hohen Erhebungsaufwand und erhebliche Rechtsunsicherheiten. Zudem gebe es im Grundsatz normalerweise keine Zweckbindung für Steuern, so dass zu befürchten sei, dass ein solches Steueraufkommen einfach irgendwann im allgemeinen Landeshaushalt versickert.
Auch die Aussage der Wirtschaftsforscher, dass die Belastung durch die Mietensteuer von der Bemessungsgrundlage für die Einkommen- und Körperschaftsteuer der Vermieter abgezogen werden würde, lässt den Bund der Steuerzahler hellhörig werden. Weiter wird nämlich ausgeführt, dass das Berliner Steueraufkommen davon nur insoweit betroffen wäre, als die Vermieter in Berlin steuerpflichtig seien und eine positive Steuerbelastung hätten. Zudem sei das Land Berlin nur mit gut der Hälfte am Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer beteiligt. Der Bund der Steuerzahler sieht hier das Problem, dass das Land Berlin durch die Erhebung einer solchen Mietensteuer bei auswärtigen Vermietern damit indirekt auch einen Teil des Einkommen- und Körperschaftsteueraufkommens, in den Berliner Landeshaushalt umleiten würde, das sonst anteilig beim Bund und den anderen Ländern gelandet wäre.
Der Bund der Steuerzahler sieht daher ein großes Konfliktpotential und den Berliner Senat erneut vor dem Bundesverfassungsgericht, falls eine solche Idee tatsächlich in Berlin Gesetz werden würde. Immerhin vertritt der Senat in der Abgeordnetenhausdrucksache die Auffassung, dass dem Land für die Umsetzung einer Mietensteuer die grundgesetzliche Gesetzgebungskompetenz fehlen würde und verweist auf den DIW-Vorschlag zur Ausgestaltung als Sonderabgabe mit Abschöpfungsfunktion oder als Vorteilsabschöpfungsabgabe. Der Bund der Steuerzahler ist skeptisch, ob eine solche Mietensteuer, die letztlich wie eine zusätzliche Umsatzsteuer auf Teile von Vermietungsumsätzen wirkt, – auch wenn man sie Abgabe nennt – verfassungsgemäß wäre.
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt in seiner Analyse jedenfalls zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Mietensteuer dem Wesen nach klar um eine Steuer und keine Abgabe handelt. Als Steuer unterliege die Mietensteuer den Bestimmungen der Finanzverfassung, entspräche jedoch keiner im Grundgesetz aufgeführten Steuer oder Steuerart. Ein darüber hinausgehendes Steuererfindungsrecht stehe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weder dem Bund noch den Ländern zu. Somit fehle sowohl dem Bund als auch den Ländern die Gesetzgebungskompetenz zur Einführung einer Mietensteuer.
Links zum Thema:
Eine Mietensteuer in Berlin könnte 100 000 Wohnungen bezahlbar machen
Bach/Michelsen/Schmandt, DIW aktuell Nr. 75 – 8. November 2021
https://www.diw.de/de/diw_01.c.828267.de/publikatio-nen/diw_aktuell/2021_0075/eine_mietensteuer_in_berlin_koennte_100_000_wohnungen_bezahlbar_machen.html
Gesetzgebungskompetenz zur Einführung einer Mietensteuer durch ein Bundesland
Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorschlags des DIW Berlin für eine Mietensteuer
Wissenschaftliche Dienste, Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 095/21
https://www.bundestag.de/resource/blob/877026/829a88ff882b57626082e53f1d17f1cc/WD-4-095-21-pdf-data.pdf