
OVG Münster sagt: Dann wird Grundsteuer erdrosselnd
Kann eine drastische Erhöhung des Hebesatzes unzumutbar sein? Das Oberverwaltungsgericht Münster sagt: Ja – wenn sie erdrosselnd wirkt. Wann dieser Punkt erreicht ist und welche Rechte Steuerzahler haben, erfahren Sie hier:
Das OVG Münster hat in einem aktuellen Beschluss zur Hebesatzerhöhung auf 1.100 Prozent Stellung bezogen. Die Entscheidung klärt, wann eine Steuerbelastung für Bürger unzumutbar wird. Aber auch, welche Möglichkeiten Betroffene haben, sich gegen überhöhte Hebesätze zu wehren.
Kein Zusammenhang mit Haushaltsführung
Im verhandelten Fall hatte die Klägerin argumentiert, die drastische Hebesatzerhöhung verstoße gegen das Gebot einer wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung. Das OVG wies diesen Einwand zurück. Es bestehe kein rechtlicher Zusammenhang zwischen der Haushaltsführung einer Gemeinde und der Festlegung des Hebesatzes. Das Gericht betonte:
„Die Anfechtung eines kommunalen Steuerbescheids ist kein geeignetes Mittel, um eine Gemeinde zu einer wirtschaftlicheren Haushaltsführung zu zwingen.“
Das können Steuerzahler tun:
Das OVG nennt zwei Wege, wie Steuerzahler gegen eine aus ihrer Sicht unwirtschaftliche Gemeindepolitik vorgehen können:
- Kommunalaufsicht einschalten: Bürger können sich an die Kommunalaufsicht wenden und dort um eine Überprüfung bitten.
- Politischer Einfluss: Wahlberechtigte können bei der nächsten Kommunalwahl Vertreter wählen, die sich für eine sparsamere Haushaltsführung einsetzen.
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Dann wird Hebesatzerhöhung unzumutbar:
Laut OVG Münster darf die Steuerbelastung für Steuerzahler bei einer generellen Betrachtung nicht erdrosselnd wirken. Unangemessen wäre eine Hebesatzerhöhung dann, wenn die Gemeinde diese nicht zur Deckung ihres Haushalts benötigt.
Entscheidend ist, dass eine unzumutbare Belastung nicht allein an Einzelfällen festgemacht wird. Vielmehr muss eine Vielzahl von Steuerpflichtigen betroffen sein, damit von einer verfassungswidrigen Steuerbelastung gesprochen werden kann.
In Einzelfällen muss der unzumutbaren Belastung mit sogenannten Billigkeitsmaßnahmen begegnet werden. Dazu zählen:
- Eine niedrigere Steuerfestsetzung
- Der vollständige oder teilweise Erlass der Steuer
Existenzminimum muss gesichert bleiben
Zur Beurteilung der Zumutbarkeit orientierte sich das Gericht an den Regelungen der Sozialhilfe gemäß dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches: Steuerpflichtigen müsse nach Abzug der Steuerlast so viel von ihrem Einkommen verbleiben, dass ihr notwendiger Lebensunterhalt sowie der ihrer Familie gesichert sei – das sogenannte einkommensteuerrechtliche Existenzminimum.
Dabei betonte der Senat, dass Bürger, die Grundsteuer B entrichten, nicht auf Sozialhilfeniveau herabgedrückt werden dürfen. Ihnen müsse mehr verbleiben als Empfängern von Sozialleistungen, da eine Gleichbehandlung dieser ungleichen Personengruppen sachlich nicht zu rechtfertigen wäre.
Der BdSt meint
Das OVG hat in diesem Beschluss eine bemerkenswerte Äußerung zur Steuerbelastung eines einzelnen Steuerzahlers getätigt. Im Kern können die Steuerzahler, die durch eine übermäßige Belastung mit
der Grundsteuer aufgrund eines hohen Hebesatzes oder eines überhöhten Messbetrages betroffen sind, im Einzelfall eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen oder einen Erlass bzw.
Teilerlass beantragen. Das OVG-Urteil verdeutlicht auch: Gemeinden müssen sorgfältig abwägen, bevor sie den Hebesatz drastisch anheben. Eine Steuerbelastung darf nicht dazu führen, dass Bürger wirtschaftlich überfordert werden. Der Bund der Steuerzahler NRW fordert daher eine verantwortungsbewusste Haushaltspolitik, die auf Effizienz und Sparsamkeit setzt.
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