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In NRW werden Millionen verbrannt
NRW verbrennt Millionen abgelaufener Masken, angeschafft in Pandemiezeiten. So lauten die Medienschlagzeilen der vergangenen Monate. Liegt hier ein nicht nachhaltiger Umgang mit beschafften Materialien und somit eine Steuergeldverschwendung vor? Der Bund der Steuerzahler ist dem Fall nachgegangen.
Anfang 2020 war das Ende der Corona-Pandemie nicht absehbar. Es gab Lockdowns, Hamsterkäufe und Versorgungsengpässe. Vor allem medizinische Schutzausrüstung (Masken, Kitteln, Visiere, Anzüge) wurde wegen global sprunghaft gestiegener Nachfrage und zusammengebrochener Lieferketten ein knappes Gut. Gleichzeitig erhielt die NRW-Regierung Meldungen aus dem Gesundheitssektor, dass die Vorräte an Schutzausrüstungen zur Neige gehen, die für die Gesundheitsversorgung lebensnotwendig sind. „Die damalige Landesregierung hat im Rahmen ihres verfassungsrechtlichen Auftrags zum Schutz von Leib und Leben der Bevölkerung […] die benötigten Materialien beschafft“, heißt es von der Landesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD im Februar 2023. Von Anfang an sei klar gewesen, dass die Maßstäbe der Wirtschaftlichkeit an der Notsituation auszurichten sein würden und „die Priorität auf der Versorgung von ärztlichem und pflegerischem Personal mit den im Kampf gegen Corona notwendigen Materialien liegen musste“. So weit, so nachvollziehbar.
Entsorgungs- und Lagerkosten
Millionen dieser Materialien liegen allerdings nach Pandemieende ungenutzt in Regalen herum, dürfen teilweise gar nicht mehr verwendet werden oder sie sind – weil sie nicht mehr genutzt werden dürfen – bereits in Rauch aufgegangen: Vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) NRW wurde die „Verwertung“ von insgesamt rund 14,2 Millionen abgelaufener Maskenbausätze beauftragt (Stand: 24.3.2023). Mehr als 6,6 Millionen DFA-Maskenbausätze sind von Herbst 2022 bis Ende Februar 2023 vernichtet worden. Diese seien aufgrund geringer Nachfrage abgelaufen und eine Entsorgung daher erforderlich, so die Begründung. Die vollständige Verwertung dauert voraussichtlich bis Herbst 2023 und kostet rund 35.000 Euro, so das MAGS. Ursprünglicher Anschaffungswert der vernichteten Masken: 9,4 Millionen Euro!
Im Sperrlager lag Ende Februar noch vom Land gekaufte Schutzausrüstung im Beschaffungswert von 7,5 Millionen Euro. Sie darf nicht mehr verwendet werden, da das Verwendbarkeitsdatum überschritten oder wegen qualitativer Mängel nicht nutzbar ist. Bis Ende 2022 entstanden dem Land rund 9 Millionen Euro Lagerkosten. Gesundheitsminister Laumann antwortete auf die Kleine Anfrage der SPD: „Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist bestrebt, im Rahmen der Entsorgung die Materialien, wenn möglich vorrangig einem Recycling zuzuführen, bevor eine thermische Verwertung in Betracht kommt.“
Sinnvolle Verwendung
Stellt sich die Frage: Wenn die Nachfrage nach der Schutzausrüstung merklich sinkt, die Lager aber noch gefüllt sind und fällige Haltbarkeitsdaten in Sicht kommen, warum wird die Schutzausrüstung nicht zügig z.B. Hilfsorganisationen gespendet? Dass zum Zeitpunkt der Beschaffung eine Bedarfsprognose kaum machbar war, ist unbestritten. Das Ende der Pandemie konnte niemand vorhersagen. Auch, dass Leib und Leben vor Wirtschaftlichkeitsfaktoren standen, ist nachvollziehbar. Dass aber Schutzkleidung in Hallen herumliegt, bis ihr Nutzbarkeitsdatum überschritten ist, um dann entsorgt zu werden, entbehrt jeder Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit. Aus dem Ministerium heißt es: „Das MAGS versucht mit aller Kraft, noch vorhandene, nicht abgelaufene PSA [Persönliche Schutzausrüstung] vor Verfall einem sinnvollen Verwendungszweck zuzuführen.“ Das Ministerium wendet sich hierzu an verschiedene Institutionen, Verbände und Hilfsorganisationen. Es wurde eine Webseite eingerichtet, auf der Hilfsorganisationen noch nicht abgelaufene Schutzausrüstung unbürokratisch ordern und kostenlos abholen können.
Vorschriften und Haltbarkeit
Eines kommt bei der Verwertung der gebunkerten Schutzausrüstung erschwerend hinzu: Nicht jede Maske oder jeder Kittel, die während der Pandemie beschafft wurden, darf auch jetzt in der EU verwendet werden. Es gab Übergangsvorschriften für die Pandemiezeit, die inzwischen ausgelaufen sind: Wenn nicht zur Pandemiebekämpfung genutzt, ist in der EU jetzt ausschließlich persönliche Schutzausrüstung zulässig, die nach der so genannten PSA-Verordnung (EU 2016/425) regulär in Verkehr gebracht wurde. Und das trifft nur auf einen geringen Anteil der vom Land NRW während der Pandemie beschafften Waren zu. Heißt: Selbst, wenn sie das Mindestnutzbarkeitsdatum nicht überschritten hat, darf diese noch gelagerte Schutzausrüstung nicht in der EU verwendet werden, weil schlicht die Zulassung fehlt.
Rechtliche Fragen
Auf BdSt-Anfrage, inwiefern die Schutzkleidung nach Überschreiten des Ablaufdatums ihre Wirksamkeit bzw. Schutzfunktion verliert, heißt es laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): „Das vom Hersteller angegebene Ablaufdatum einer Schutzmaske ist in der Regel nicht als Mindesthaltbarkeitsdatum zu verstehen. Gleichwohl kann davon ausgegangen werden, dass gute Gründe für eine zeitliche Beschränkung der vollen Funktion vorliegen. Einzelne Komponenten von FFP2-Masken können materialbedingt einem Alterungsprozess unterliegen...“ Rechtlich ist der Einsatz der gelagerten Masken auch deshalb nicht mehr zulässig, weil am 2. Februar 2023 die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung außer Kraft getreten ist. „Somit darf persönliche Schutzausrüstung in Form von Atemschutzmasken, die auf Grundlage von oben genannten Ausnahmeregelungen während der Pandemie in Verkehr gebracht wurden, ohnehin nicht mehr von Arbeitgebern an Beschäftigte abgegeben werden“, so das MAGS. Das Land NRW sitzt also auf den Resten pandemiebedingter Schutzausrüstung, die – wenn sie nicht bereits abgelaufen oder fehlerhaft ist – mehrheitlich nicht verwendet werden darf.
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