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Bürgermeisterinnen-Poker

Bund der Steuerzahler Berlin e. V. / Meldungen 24.02.2023, Alexander Kraus

Wie Ruhegehaltsansprüche den Kampf ums Rote Rathaus beeinflussen könn(t)en

Das Berliner Senatorengesetz sieht eine privilegierte Altersabsicherung für ehemalige Regierungsmitglieder vor, wenn sie dem Senat insgesamt mindestens vier Jahre angehört haben. Wie unterschiedlich sich diese Regelung auswirken kann, zeigt ein Vergleich zwischen der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey und Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (beide SPD).

Bereits nach einer vierjährigen Amtszeit erwirbt ein Mitglied des Berliner Senats einen Anspruch von 27,74 Prozent der ruhegehaltsfähigen Amtsbezüge und zwar schon ab dem fünfundfünfzigsten Lebensjahr! Mit genügend Amtsjahren ließe sich das Ruhegehalt theoretisch bis zu einem Höchstsatz von 71,75 Prozent steigern. Wer sich wenigstens zehn Jahre auf dem Senatorenstuhl hat halten können, darf mit mindestens 42 Prozent der Amtsbezüge sogar sofort und unabhängig vom Alter in den Ruhestand gehen.

Die Amtsgehälter der Senatsmitglieder richten sich nach Besoldungsgruppe B 11. Damit beläuft sich das monatliche Grundgehalt der Senatoren derzeit auf rund 14.760 Euro. Die Bürgermeister erhalten rund 15.790 Euro und der Regierende Bürgermeister sogar rund 17.700 Euro monatlich, jeweils zuzüglich Orts- und Familienzuschlag.

Franziska Giffey ist erst seit Dezember 2021 als Regierende Bürgermeisterin Mitglied des Senats und damit noch weit entfernt von der erforderlichen vierjährigen Amtsdauer als Voraussetzung für einen Ruhegehaltsanspruch nach dem Berliner Senatorengesetz. Allerdings war sie zuvor von März 2018 bis Mai 2021 als Bundesfamilienministerin Mitglied der Bundesregierung. Nach dem Bundesministergesetz hat ein ehemaliges Mitglied der Bundesregierung Anspruch auf Ruhegehalt, wenn es der Bundesregierung mindestens vier Jahre angehört hat. Zeiten einer vorausgegangenen Mitgliedschaft in einer Landesregierung, die zu keinem Anspruch auf Versorgung nach Landesrecht geführt haben, werden berücksichtigt. Von einer Berücksichtigung von Zeiten als Mitglied in einer Landesregierung erst danach, ist im Bundesministergesetz nicht die Rede.

Giffey hat also einen Ruhegehaltsanspruch aus ihrem Amt als Bundesfamilienministerin durch ihren vorzeitigen Rücktritt knapp verpasst und aus ihrem Amt als Regierende Bürgermeisterin noch nicht erworben. In anderer Reihenfolge wäre Ihre Altersversorgung nach dem Bundesministergesetz zumindest ab dem Erreichen der Regelaltersgrenze von 67 Jahren gesichert gewesen.  

Aber auch das Berliner Senatorengesetz sieht einen Ausweg vor. Auf die Amtszeit eines ehemaligen Mitglieds des Senats kann eine vorangegangene Amtszeit als Mitglied der Bundesregierung oder einer Landesregierung angerechnet werden. Kann heißt aber nicht automatisch muss, wie im Bundesministergesetz. Und die Entscheidung trifft der Senat, d.h. der nachfolgende Senat.

Sollte Giffey demnächst aus dem Senat ausscheiden, würde sie also zusammen mit Ihrer Amtszeit als Bundesministerin theoretisch die notwendigen Amtsjahre zusammenbekommen, um bereits ab ihrem fünfundfünfzigsten Lebensjahr Ruhegehalt beziehen zu können. Abhängig wäre sie dafür jedoch von dem Wohlwollen der nächsten Landesregierung.

Für Giffey persönlich geht es dabei um viel Geld. Denn auch nach dem Bezirksamtsmitgliedergesetz steht ehemaligen Bezirksamtsmitgliedern die Mindestversorgung mit Ruhegehalt grundsätzlich erst nach Erfüllung der versorgungsrechtlichen Wartezeit von mindestens acht Jahren zu. Giffey war allerdings nur von September 2010 bis März 2018 Mitglied des Bezirksamtes von Neukölln, zunächst als Bezirksstadträtin und anschließend als Bezirksbürgermeisterin. Nach 7,5 Jahren stieg sie zur Bundesministerin auf.

Einen politisch ganz ähnlichen, versorgungsrechtlich aber deutlich günstigeren Werdegang weist der Lebenslauf von Andreas Geisel auf. Ab 1995 gehörte er zunächst als Bezirksstadtrat, ab 2011 als Bezirksbürgermeister dem Bezirksamt von Lichtenberg an, bevor nach neun Jahren 2014 Michael Müller (ebenfalls SPD) als Stadtentwicklungssenator beerbte. Damit gehört er der Landesregierung seit über acht Jahren durchgängig an. Sollte Geisel der nächsten Regierung nicht mehr angehören, kann er sich ab sofort mit seinen dann 57 Jahren über ein üppiges Senatorenruhegehalt bis an sein Lebensende freuen.

Die Ironie an der Geschichte ist, dass Giffey die Hängepartie bei ihren Ruhegehaltsansprüchen letztlich ihrem Parteifreund Geisel zu verdanken hat, unter dessen Ressortverantwortlichkeit die Abgeordnetenhauswahlen 2021 organisatorisch komplett vergeigt worden waren und schließlich wiederholt werden mussten.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich dem Beobachter, wenn Giffey sich als Wahlverliererin weiterhin an das Amt der Chefin einer rot-grün-roten Regierung klammert. Ihre Anwartschaften auf ein Ruhegehalt könnte sie sich natürlich auch als Senatorin in einer schwarz-roten Nachfolgeregierung erdienen. Dass ein Ministerpräsident aber schon einmal auf das Amt eines einfachen Ministers zurückgefallen wäre, gab es noch nie. Sollte Giffey einer Folgeregierung nicht mehr angehören, bliebe ihr allerdings noch die Anrechnung ihrer Amtsjahre als Mitglied Bundesregierung auf Beschluss des dann amtierenden Senats, in diesem Fall dann also voraussichtlich unter der Führung eines Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU). Dass einem ehemaligen Regierungsmitglied dieser Gefallen verwehrt werden würde, schätzt der Bund der Steuerzahler als politisch unrealistisch ein. Ein Automatismus ist das aber trotzdem nicht.

Im schlimmsten Fall müsste für Giffey nach Einschätzung des Bundes der Steuerzahler die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung greifen. Das Bundesministergesetz sieht diese ausdrücklich für den Fall vor, dass ein Bundesminister nicht mindestens vier Jahre im Amt bleibt. Im Senatorengesetz fehlt eine solche ausdrückliche Regelung zwar, dürfte sich aber analog aus allgemeinen sozialrechtlichen Vorschriften ergeben. Gleiches gilt für ihre Zeit als Bezirksamtsmitglied aus beamtenrechtlichen Gründen. Sie wäre dann dem Schicksal eines normalen Angestellten gleichgestellt.

Ganz verloren wären Giffeys Anwartschaften auf ein Ruhegehalt aber auch dann noch immer nicht. Als noch verhältnismäßig junge Politikerin könnte sich Giffey auch noch in eine spätere Landesregierung wählen lassen oder noch einmal in die Bundesregierung zurückkehren. Prädestiniert wäre sie z.B. als Ersatz für einen kurz vor Ende der Legislaturperiode zurückgetretenen Bundesminister, für den sonst wegen der fehlenden Aussicht auf ein Ruhegehalt kein Ersatz zu finden ist.

 

Pressespiegel:

Bild, 23.02.2023
... Nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler könnte eine nur vierjährige Amtszeit als Regierender Bürgermeister oder als Senator in Berlin dem betreffenden Politiker bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von 80 Jahren einen „Gewinn“ von mehr als zwei Millionen Euro einbringen. Inklusive Übergangs- und Ruhegehalt. ...
https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/buergermeister-poker-in-berlin-giffey-kaempft-auch-um-pensions-millionen-82998280.bild.html

Berliner Zeitung, 23.02.2023
… Nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler könne eine nur vierjährige Amtszeit als Regierender Bürgermeister oder als Senator in Berlin dem betreffenden Politiker bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von 80 Jahren einen „Gewinn“ von mehr als zwei Millionen Euro einbringen, inklusive Übergangs- und Ruhegehalt. So die Einschätzung des Verbands. …

… „Unsere Berechnungen sind natürlich nur grob ohne irgendwelche Zins- und Zeitkomponenten überschlagen, zeigen aber deutlich, dass ein Berliner Senator bei seiner Altersversorgung im Vergleich zum Bund oder vielen andern Bundesländern durch den früheren Ruhegehaltsbezug den Gegenwert eines Einfamilienhauses zusätzlich obendrauf gepackt bekommt“, sagt Alexander Kraus vom Bund der Steuerzahler. Insgesamt belaufe sich derzeit der Gegenwert einer vierjährigen Amtszeit für den Regierenden Bürgermeister für Amtsgehalt, zwei Jahre Übergangsgeld und dem statistisch zu erwartenden Ruhegehalt auf einen Gegenwert von mehr als zwei Millionen Euro in heutigen Preisen. …

Es stelle sich die Frage, welche Körperschaft das Ruhegehalt bezahlt und was gegeneinander aufgerechnet werde, sagt der Steuerzahlerbund-Funktionär Kraus. …

„Es wäre wünschenswert, wenn solche Dinge transparent gemacht würden“, fordert der Bund der Steuerzahler, „weil es ja hier um politische Ämter und um Steuergeld geht.“ Leider bestehe bei den Politikern wenig Problembewusstsein. Das zeige die Debatte um die Verkleinerung des Bundestages sowie die Kostenexplosion im Berliner Abgeordnetenhaus, sagt Kraus.

Seit 2012 hätten sich die Ausgaben für das Berliner Parlament mehr als verdoppelt. Hauptursachen seien die Ausweitung der Kostenpauschalen für die Abgeordneten ab 2014, die massive Erhöhung der Fraktionszuschüsse seit 2017 und die völlig maßlose Erhöhung der Entschädigungen und Ruhegehaltsansprüche seit 2020. Das alles zeige, wie groß die Privilegien im Vergleich zu normalen Angestellten seien, sagt Kraus. „Alle Parteien versprechen treuen und engagierten Mitgliedern einen guten Job, alle haben ein Interesse, das immer mehr Geld fließt.“ …
https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/es-geht-um-2-millionen-euro-warum-franziska-giffeys-ueppige-altersversorgung-in-gefahr-sein-koennte-li.320598

Tagesspiegel, 20.02.2023
… Der Bund der Steuerzahler Berlin hat die Altersversorgung der Senatsmitglieder immer wieder kritisiert - besonders die niedrige Altersgrenze. „Wir fordern die Einführung der Regelaltersgrenze auch für Berliner Senatsmitglieder, wie sie auch schon für Bundesminister und die Minister mehrerer Bundesländer gilt", sagte der Landesvorsitzende des Steuerzahlerbundes, Alexander Kraus, schon Ende 2021. …
https://www.tagesspiegel.de/berlin/wegen-wiederholungswahl-neue-senatoren-ohne-anspruch-auf-berlins-lukrative-politiker-rente-9373415.html

B.Z., 20.05.2022
... Der Chef des Steuerzahlerbundes Berlin e. V., Alexander Kraus, will das Pensionsalter der Senatoren an die Altersgrenze für Beamte koppeln. Diese Regel gilt für Bundesminister. Kraus rechnet anschaulich vor, um welche Summen es eigentlich geht: Nach nur vier Jahren Amtszeit stehen einem Senator, der 80 Jahre alt wird, insgesamt 1,2 Millionen Euro Ruhegehalt zu. ...
https://www.bz-berlin.de/meinung/kolumne/kolumne-mein-aerger/warum-bekommen-die-senatoren-ihre-pension-schon-mit-55-jahren

Tichyseinblick, 27.05.2022
… Dieselbe Forderung zur Angleichung der Altersgrenzen in Berlin vertritt auch der Deutsche Steuerzahlerbund. Deren Vorsitzender (Anm.: nur für Berlin) Alexander Kraus rechnet vor, dass einem Senator, der 80 Jahre alt wird, aber nur vier Jahre lang im Amt war, insgesamt 1,2 Millionen Euro Ruhegehalt zustehen. …
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/in-berlin-funktioniert-nichts-ausser-die-selbstbedienung
 

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06.12.2021
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Frühere erwähnungen in der Presse:

Zeit, 16.12.2021
... «Wir fordern die Einführung der Regelaltersgrenze auch für Berliner Senatsmitglieder, wie sie auch schon für Bundesminister und die Minister mehrerer Bundesländer gilt.» ...
https://www.zeit.de/news/2021-12/16/steuerzahlerbundt-ueppiges-ruhegehalt-fuer-senatsmitglieder  

B.Z., 16.12.2021
... «Wir fordern die Einführung der Regelaltersgrenze auch für Berliner Senatsmitglieder, wie sie auch schon für Bundesminister und die Minister mehrerer Bundesländer gilt.» ...
https://www.bz-berlin.de/liveticker/steuerzahlerbund-kritisiert-altersversorgung-von-senatsmitgliedern

berlin.de, 16.12.2021
... «Wir fordern die Einführung der Regelaltersgrenze auch für Berliner Senatsmitglieder, wie sie auch schon für Bundesminister und die Minister mehrerer Bundesländer gilt.» ...
https://www.berlin.de/aktuelles/berlin/7184170-958092-steuerzahlerbundt-ueppiges-ruhegehalt-fu.html

Morgenpost, 16.12.2021
... «Wir fordern die Einführung der Regelaltersgrenze auch für Berliner Senatsmitglieder, wie sie auch schon für Bundesminister und die Minister mehrerer Bundesländer gilt.» ...
https://www.morgenpost.de/berlin/article234111885/Steuerzahlerbundt-ueppiges-Ruhegehalt-fuer-Senatsmitglieder.html

Süddeutsche, 16.12.2021
... «Wir fordern die Einführung der Regelaltersgrenze auch für Berliner Senatsmitglieder, wie sie auch schon für Bundesminister und die Minister mehrerer Bundesländer gilt.» ...
https://www.sueddeutsche.de/service/verbaende-berlin-steuerzahlerbundt-ueppiges-ruhegehalt-fuer-senatsmitglieder-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-211216-99-412256

t-online.de, 16.12.2021
... «Wir fordern die Einführung der Regelaltersgrenze auch für Berliner Senatsmitglieder, wie sie auch schon für Bundesminister und die Minister mehrerer Bundesländer gilt.» ...
https://www.t-online.de/region/berlin/news/id_91336278/steuerzahlerbundt-ueppiges-ruhegehalt-fuer-senatsmitglieder.html

Stern, 16.12.2021
... «Wir fordern die Einführung der Regelaltersgrenze auch für Berliner Senatsmitglieder, wie sie auch schon für Bundesminister und die Minister mehrerer Bundesländer gilt.» ...
https://www.stern.de/gesellschaft/regional/steuerzahlerbundt---ueppiges-ruhegehalt--fuer-senatsmitglieder-31430360.html

Merkur, 16.12.2021
... «Wir fordern die Einführung der Regelaltersgrenze auch für Berliner Senatsmitglieder, wie sie auch schon für Bundesminister und die Minister mehrerer Bundesländer gilt.» ...
https://www.merkur.de/berlin/steuerzahlerbundt-ueppiges-ruhegehalt-fuer-senatsmitglieder-zr-91184304.html

Welt, 16.12.2021
... «Wir fordern die Einführung der Regelaltersgrenze auch für Berliner Senatsmitglieder, wie sie auch schon für Bundesminister und die Minister mehrerer Bundesländer gilt.» ...
https://www.welt.de/regionales/berlin/article235710584/Steuerzahlerbundt-ueppiges-Ruhegehalt-fuer-Senatsmitglieder.html  

N-TV, 16.12.2021
... «Wir fordern die Einführung der Regelaltersgrenze auch für Berliner Senatsmitglieder, wie sie auch schon für Bundesminister und die Minister mehrerer Bundesländer gilt.» ...
https://www.n-tv.de/regionales/berlin-und-brandenburg/Steuerzahlerbundt-ueppiges-Ruhegehalt-fuer-Senatsmitglieder-article23005091.html

RTL, 16.12.2021
... «Wir fordern die Einführung der Regelaltersgrenze auch für Berliner Senatsmitglieder, wie sie auch schon für Bundesminister und die Minister mehrerer Bundesländer gilt.» ...
https://www.rtl.de/cms/steuerzahlerbundt-ueppiges-ruhegehalt-fuer-senatsmitglieder-4885309.html

Berliner Sonntagsblatt, 16.12.2021
... «Wir fordern die Einführung der Regelaltersgrenze auch für Berliner Senatsmitglieder, wie sie auch schon für Bundesminister und die Minister mehrerer Bundesländer gilt.» ...
https://www.berliner-sonntagsblatt.de/Steuerzahlerbundt-ueppiges-Ruhegehalt-fuer-Senatsmitglieder-251791.html  

MSN, 16.12.2021
... «Wir fordern die Einführung der Regelaltersgrenze auch für Berliner Senatsmitglieder, wie sie auch schon für Bundesminister und die Minister mehrerer Bundesländer gilt.» ...

https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/steuerzahlerbundt-%C2%AB%C3%BCppiges-ruhegehalt%C2%BB-f%C3%BCr-senatsmitglieder/ar-AART4tC

 

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