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Wann kommt die Wende zur Doppik?

Newsticker Nordrhein-Westfalen / Meldungen 13.05.2021, Markus Berkenkopf

Zeitgemäßes Rechnungswesen für das Land Nordrhein-Westfalen lässt auf sich warten

Auf die „schwarze Null“ wird viel Wert gelegt. In Nordrhein-Westfalen betont die Landesregierung, sie komme mit dem Geld aus, das sie einnehme. Zumeist in einem Nebensatz wird angemerkt, dass dies für den Kernhaushalt gelte. Aus Steuerzahlersicht ist dem hinzuzufügen, dass diese Sicht nur stimmig ist, wenn der Haushalt kameral – also mit Einnahmen und Ausgaben – geführt wird. 

Ein zeitgemäßes Rechnungswesen sollte auch für die öffentlichen Haushalte selbstverständlich sein. Denn es werden nach der kameralen Rechnung nur tatsächlich fließende Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt. Neuverschuldungen, die durch politische Entscheidungen oder Ereignisse gegenwärtig verursacht werden, sich aber erst in der Zukunft in Ausgaben niederschlagen, werden nicht dargestellt. Als Beispiel dienen dafür regelmäßig die Versorgungslasten des beamteten Personals. Eine Beamtin, die heute in den Landesdienst eintritt, „erdient“ sich während ihrer aktiven Dienstzeit einen Pensionsanspruch. Es ist bei der Verbeamtung bereits klar, dass mit dem Eintritt in den Ruhestand eine Pension zu zahlen sein wird. Bilanzierungspflichtige Unternehmen müssen für derartige Verpflichtungen, die hinsichtlich ihrer Höhe und / oder ihres Fälligkeitszeitpunkts ungewiss sind, Rückstellungen bilden, und zwar unabhängig davon, ob sie nach dem Handelsgesetzbuch oder den International Financial Reporting Standards (IFRS) ihre Bücher führen. Die Pension der Beamtin würde über die Bildung von Rückstellungen der Generation zugerechnet, die die Dienstleistungen dieser Beamtin in Anspruch nimmt. 
In der kameralen Darstellung werden die Ausgaben einfach Jahr für Jahr etatisiert. Eine Verknüpfung zwischen Inanspruchnahme staatlicher Leistungen und deren Finanzierung durch die Nutznießer existiert nicht. Die in der kaufmännischen Rechnungslegung gebotene gewinnmindernde Abschreibung, die den Wertverlust von Vermögenswerten dokumentiert, bleibt bei der Berechnung der „schwarzen Null“ ebenfalls außer Acht. Die Notwendigkeit der laufenden Sanierung des Infrastrukturvermögens wie Straßen und Brücken oder Schulen wird bei der Kameralistik ignoriert. An diesen Beispielen wird deutlich: Nach kaufmännischen Grundsätzen geführte Haushalte zeigen, welche finanziellen Folgen politische Entscheidungen mit sich bringen. Wer eine transparente und generationengerechte Haushaltspolitik verspricht, kommt an der kaufmännischen Buchführung nicht vorbei.
Für die nordrhein-westfälischen Städte und Gemeinden wurde das Haushaltsrecht in Anlehnung an die handelsrechtlichen Vorschriften spätestens ab dem Jahr 2009 umgestellt. Geht doch per Gesetz, könnte man meinen. Der Bund sieht offensichtlich überhaupt keinen Anlass, das Haushaltsrecht zu reformieren und auf eine Harmonisierung mit den anderen staatlichen Ebenen hinzuwirken. Das ist bemerkenswert, weil Deutschland in diesem Punkt auf europäischer Ebene und sogar international ein Schlusslicht bildet. 
Bei den Bundesländern fallen Hessen, Bremen und Hamburg positiv auf. In Hessen wurde der Grundsatzbeschluss, die kaufmännische Buchführung auf Landesebene einzuführen, bereits 1998 gefasst und eine Eröffnungsbilanz auf den 1. Januar 2009 vorgelegt. Die jährlichen Geschäftsberichte sind auch für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verständlich verfasst. In der Bilanz des Landes Hessen ist zwar kein Eigenkapital ausgewiesen. Die rund 120 Milliarden Euro umfassende Position „nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ wird aber mit dem Haushaltsergebnis jährlich fortgeschrieben. Das ist ein Gradmesser für transparente Haushaltspolitik.
In Nordrhein-Westfalen läuft noch immer der Modellversuch zur Erprobung des Produkthaushaltes. Eine Eröffnungsbilanz scheint in weiter Ferne. Seit der Landtagswahl 2017 hat sich nicht viel getan. In einer Mitgliederbefragung des Bundes der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen bemerkten vor vier Jahren 80 Prozent der Befragten, dass sie eine nachhaltige und generationengerechte Haushaltspolitik für „sehr wichtig“ halten. Weitere 20 Prozent hielten sie für „wichtig“. Es bleibt zu hoffen, dass neben den Erwartungen der Steuerzahler auf EU-Ebene die Harmonisierung und Weiterentwicklung der staatlichen Rechnungslegungsstandards European Public Sector Accounting Standards (EPSAS) weiter forciert wird. Es ist genügend Druck auf dem Kessel. Doch es mangelt an breiter Zustimmung und Akzeptanz aus der Politik. Schade! Bei den Städten und Gemeinden war unser Land ein Vorreiter.
 

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