Großprojekte auf den Prüfstand!
Bund der Steuerzahler für eine strenge Haushaltsdisziplin
Volksbegehren "Deutsche Wohnen & Co enteignen!"
500 Euro Entschädigung pro Quadratmeter?
Ende Februar startete die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen!“ die zweite Stufe ihres Volksbegehrens zur Zwangsverstaatlichung von fast einer viertel Million Wohnungen von Immobilienkonzernen. Mit massiven Plakatierungen wird um Unterschriften geworben. Könnte sich das Land die Entschädigungen überhaupt leisten?
Wer dieser Tage durch die Stadt läuft, sieht z.B. an Verteilerkästen und Glascontainern illegal geklebte Plakate in Gelb und Lila. „Jetzt unterschreiben.“ fordert die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen!“. Gesammelt werden Unterschriften für ein Volksbegehren, mit dem der Senat dazu gebraucht werden soll, die Bestände aller privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen mit über 3.000 Wohnungen im Land Berlin zu vergesellschaften. Ausgenommen werden sollen nur die öffentlichen Unternehmen, die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften in privater Rechtsform und die Bestände in kollektivem Besitz der „Mieter*innenschaft“. Gestützt wird dieses Vorhaben auf Artikel 15 des Grundgesetzes, der seine Wurzeln in der Weimarer Reichsverfassung hat und historisch aus einer Welt mit Kriegszwangswirtschaft und aufkeimenden sozialistischen Ideen stammt. Praktische Erfahrungen und Rechtsprechung gibt es zum Artikel 15 nicht; die Vorschrift wurde noch nie angewandt.
Ein wesentlicher Bestandteil des Beschlusstextes ist auch die Entschädigung deutlich unter Verkehrswert an die betroffenen Wohnungsunternehmen. Die Trägerin schätzt die Entschädigungssumme für die Vergesellschaftung von rund 200.000 Wohnungen mit 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro deutlich niedriger als der Senat ein. Dieser geht in seiner amtlichen Kostenschätzung von 28,8 bis 36 Milliarden Euro an Entschädigungskosten für 243.00 Wohnungen sowie von weiteren Kosten in Milliardenhöhe aus. Die Trägerin des Volksentscheids rechnet auf ihrer Webseite vor, wie die Entschädigungen aus den Mieten refinanziert werden können. Nach ihrem „Faire-Mieten-Modell“ legt sie eine Netto-Kaltmiete von 3,70 Euro pro Quadratmeter für die Errechnung einer Entschädigungssumme von acht Milliarden Euro zugrunde.
Von grundsätzlichen Bedenken ganz abgesehen, hält der Bund der Steuerzahler das Vorhaben nicht für finanzierbar. „Schon vor Corona war das nicht realistisch. Jetzt ist es schlichtweg utopisch“, schätzt der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Berlin, Alexander Kraus, die Idee einer Vergesellschaftung von Wohnraum. Denn die betroffenen Unternehmen würden seiner Einschätzung nach wohl kaum Entschädigungen weit unterhalb des Marktwertes widerstandslos hinnehmen. „Wenn Gerichte nach langen und teuren Rechtsstreiten dann doch hohe Entschädigungen bestätigen würden, Sanierungskosten anstehen und irgendwann doch noch einmal die Zinsen wieder ansteigen, wären niedrige Mieten auch für einen staatlichen Vermieter nicht mehr ohne Zuschüsse aus dem Haushalt machbar“, meint Kraus.
Wer hinter der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen!“, die dieses kostspielige Abstimmungsverfahren angeleiert hat, überhaupt steht, ist indes kaum nachvollziehbar. In der Bekanntmachung auf der Internetseite der Landeswahlleiterin und dem amtlichen Unterschriftenbogen ist als Trägerin die „Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen“ angegeben. Folgt man dem Verweis auf eine Internetseite, dreht man sich im Kreis unvollständiger Impressumsangaben. Auf Nachfrage teilte man dem Bund der Steuerzaher „für die Initiative“ mit, dass Träger des Volksbegehrens die Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" sei, wie man den amtlichen Stimmzetteln entnehmen könne. Eine weitere „Vertrauensperson“ der Initiative teilte uns mit, dass es sich bei der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ um eine Personenvereinigung als Träger handeln würde.
Nach dem Berliner Abstimmungsgesetz können Trägerin einer Volksinitiative, damit sind auch Volksbegehren und Volksentscheide gemeint, entweder eine natürliche Person, eine Mehrheit von Personen, eine Personenvereinigung oder eine Partei sein. Vertreten wird eine Volksinitiative durch fünf von ihrer Trägerin bestimmte Vertrauenspersonen, die damit nicht zwangsläufig selbst die Trägerin sein müssen. Der Name einer Volksinitiative ist somit auch nicht unbedingt immer identisch mit dem Namen ihrer Trägerin. Unklar bleibt für den Bürger damit also, wer oder was diese Initiative überhaupt ist. Ob es sich dabei um einen genannten Verein oder lose verbundene Privatpersonen handelt, bleibt für den Bürger im Dunkeln. Der Bund der Steuerzahler schätzt, dass die Durchführung des Volksentscheides den Steuerzahler immerhin mindestens eine Million Euro kosten würde und hofft, dass zumindest die für die Abstimmung zuständige Senatsverwaltung für Inneres weiß, mit wem sie es überhaupt zu tun hat. Am 19. April 2021 hatten zudem einige Gewerkschaften und Mietervereine dazu aufgerufen, das Volksbegehren zu unterstützen.
Noch viel teurer als die Abstimmung selbst würde den Landeshaushalt allerdings die Entschädigung der enteigneten Immobilieneigentümer zustehen kommen. Legt man die von der Initiative zugrunde gelegte Anzahl von zu enteignenden Wohnungen und Entschädigungssummen zugrunde, kommt man bei einer in Berlin durchschnittlichen Wohnungsfläche von rund 70 Quadratmetern, auf eine Entschädigung von im Durchschnitt rund 500 bis 1.000 Euro pro Quadratmeter. Dass ein derartiges Vergesellschaftungsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben könnte, bezweifelt der Bund der Steuerzahler. Selbst die sich aus der Senatsschätzung ergebenen maximalen Quadratmeterentschädigungen von bis zu rund 2.100 Euro würden wohl kaum in jedem Fall von den entschädigten Eigentümern anstandslos geschluckt werden. Zum Vergleich: 2019 hatte eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft das Kosmosviertel in Treptow gekauft. Der Bund der Steuerzahler hatte damals den vertraulichen Quadratmeterpreis auf mindestens 2.000 Euro geschätzt. Der Zustand der Gebäude wurde damals vielfach als schlecht und der Sanierungsbedarf als hoch beschrieben.
Der Bund der Steuerzahler hält daher selbst die vom Senat angegebene Obergrenze von 36 Milliarden Euro für etwaige Entschädigungen nicht für abwegig, sondern vielleicht sogar für zu knapp bemessen. Dass sich das Land derartige Schulden leisten kann, muss daher bezweifelt werden. Durch die Corona-bedingten Steuermindereinnahmen und -mehrausgaben stieg die Verschuldung des Landes Berlin zuletzt auf über 60 Milliarden Euro. Hinzu kommen Pensionsverpflichtungen zur Versorgung ehemaliger Beamter. 2019 hatte der Senat berechnet, dass sich das Gesamtvolumen dafür auf bis zu 68 Milliarden ausweiten könnte. Hinzu kommt ein immenser Sanierungsrückstau an der Berliner Infrastruktur. Straßen, Rad- und Fußwege, die Mehrzahl der Brücken, viele Uferwände und öffentliche Gebäude sind stark sanierungsbedürftig. Unterschriftenlisten für das Volksbegehren liegen bis zum 25. Juni 2021 auch in den Bürgerämtern aus.
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