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Rechtsschutz gegenüber Behörden: Das Widerspruchsverfahren

Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e. V. / News für Rentner / Arbeitnehmer-News / Newsticker Nordrhein-Westfalen 14.12.2021

Wer von Amts wegen verpflichtet wird, etwas zu tun oder zu unterlassen, ist damit nicht immer einverstanden. In einem Widerspruchsverfahren kann der Betroffene sich zur Wehr setzen. Wie das geht und was zu beachten ist, erklären wir hier. 

In Bereichen, in denen die Verwaltung handelt, werden ebenso wie in der Wirtschaft und im Alltag Entscheidungen getroffen. Trifft eine Behörde eine Entscheidung, erhält derjenige, gegenüber dem die Entscheidung Wirksamkeit entfalten soll, einen Bescheid. Das kann beispielsweise eine Baugenehmigung, eine Gaststättenerlaubnis oder deren Aufhebung oder auch ein Gebührenbescheid sein. Ist der Bescheid fehlerhaft oder vielleicht sogar rechtswidrig, gibt es für den Bürger Möglichkeiten, den Bescheid überprüfen und ggf. ändern zu lassen.

Zunächst gibt es viele Arten von Bescheiden, die erlassen werden können. Es gibt Bescheide, die jemanden verpflichten, berechtigen oder auch eine Feststellung beinhalten. In der Fachsprache werden diese Bescheide „Verwaltungsakte“ genannt. Auch wenn der Empfänger des Verwaltungsaktes mit dem Bescheid inhaltlich und im Ergebnis nicht einverstanden ist, muss es eine Möglichkeit geben, sich dagegen zu wehren.

Grundsätzlich sieht das Verwaltungsrecht hier vor, dass ein so genanntes Widerspruchsverfahren durchgeführt werden muss. Dabei handelt es sich um ein besonderes Verwaltungsverfahren, das sich an das behördliche Verfahren zum Erlass des Bescheides anschließt. Erst wenn der Widerspruch dann mit einem Widerspruchsbescheid zurückgewiesen wurde, besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, den Bescheid gerichtlich überprüfen zu lassen. 
Das Widerspruchsverfahren dient dem Rechtsschutz des Bürgers. Dieser erhält zusätzlich zur gerichtlichen Kontrolle die Möglichkeit, den Verwaltungsakt durch die Verwaltung überprüfen zu lassen.

Ein ordnungsgemäß erhobener Widerspruch hemmt den Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsakts, der damit zunächst nicht rechtskräftig wird. Zusätzlich begründet der Widerspruch grundsätzlich die Entscheidungszuständigkeit der nächsthöheren Behörde und ermöglicht damit eine Überprüfung von höherer Stelle. 
Er entfaltet regelmäßig aufschiebende Wirkung, es gibt allerdings auch einige Ausnahmen. Aufschiebende Wirkung bedeutet, dass die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, den Verwaltungsakt nicht vollziehen darf. Insbesondere darf sie dann keine Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage schützt also denjenigen, der durch den Verwaltungsakt belastetet ist, vor einer Vollziehung des Verwaltungsaktes.

Dem Widerspruchsverfahren als so genanntem Vorverfahren kommt die Funktion einer (internen) Selbstkontrolle der Verwaltung zu. Bevor ein Gericht mit der Sache befasst wird, hat die Verwaltung im Widerspruchsverfahren die Gelegenheit, ihre Entscheidung nochmals in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überdenken und etwaige Fehler zu korrigieren. Damit dient das Vorverfahren schließlich auch der Entlastung der Gerichte. Letzteres ist häufig selbst dann der Fall, wenn der Widerspruch keinen Erfolg hat. Denn ein sorgsam begründeter Widerspruchsbescheid führt nicht selten dazu, dass der Widerspruchsführer von der Erhebung einer wenig aussichtsreichen Klage absieht. Die ausführlichen Erklärungen können dem Bürger helfen, die Erwägungen der Behörde, die zur Entscheidung geführt haben, besser nachzuvollziehen. Verfassungsrechtlich geboten ist das Vorverfahren allerdings nicht.

Ablauf des Widerspruchsverfahrens
Vor Erhebung einer Klage, mit der der Verwaltungsakt angefochten wird oder einer Klage, die die Behörde verpflichten soll, einen abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakt zu erlassen, muss die ergangene Behördenentscheidung grundsätzlich in einem behördlichen Vorverfahren überprüft werden. So will es das Gesetz gem. § 68 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Über die Notwendigkeit des Vorverfahrens und über die Widerspruchsfrist wird der Empfänger des Verwaltungsakts in einer Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid informiert. Eine ohne ein vorgeschriebenes Vorverfahren erhobene Klage ist unzulässig. Als Folge der Unzulässigkeit wird dann die Klage auf Kosten des Klägers abgewiesen. Das Vorverfahren wird durch den Widerspruch gegen den Verwaltungsakt eingeleitet. Für die Einlegung des Widerspruchs gilt eine Monatsfrist ab Bekanntgabe des Bescheids.

Die zuständige Behörde prüft dann nochmal gründlich die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung. Das Ergebnis dieser Prüfung wird dem Adressaten des Ausgangsbescheids, gegen den der Widerspruch erhoben wurde, in einem Widerspruchsbescheid bekanntgegeben. Der Widerspruchsbescheid muss eine Rechtsmittelbelehrung enthalten, in der erläutert wird, wie sich derjenige dagegen wehren kann. Von dem Datum der Zustellung hängt der Lauf der Klagefrist ab, sie beträgt einen Monat. 

Wann gibt es kein Widerspruchsverfahren?
Es gibt zahlreiche gesetzlich geregelte oder durch die Rechtsprechung entwickelte Fallkonstellationen, in denen eine Klage abweichend von der Regel auch ohne Vorverfahren zulässig ist.
So kann ein Vorverfahren beispielsweise dann entfallen, wenn der Verwaltungsakt von einer obersten Bundes- oder Landesbehörde erlassen wurde. Dasselbe gilt dann, wenn die Behörde auf den Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts in angemessener Zeit ohne sachliche Gründe nicht reagiert. In dieser Situation kann ohne Vorverfahren eine so genannte Untätigkeitsklage erhoben werden. In dem Fall liegt eine Behördenentscheidung, die überprüft werden könnte, noch gar nicht vor.
Weitere Ausnahmen von der Notwendigkeit eines Vorverfahrens können durch Bundes- oder Landesgesetze geschaffen werden.

In Nordrhein-Westfalen bedarf es gem. § 110 Abs. 1 Justizgesetz (JustG) NRW grundsätzlich keines Vorverfahrens. Das Vorverfahren wurde 2007 durch das Zweite Bürokratieabbaugesetz grundsätzlich weitestgehend abgeschafft. 2014 wurde das Gesetz dann wieder geändert, so dass in einigen Bereichen (Pflegewohngeld- und Wohngeldrecht, Verwaltungsvollstreckung, Straßenreinigung, Grundsteuer, Gewerbesteuer) das Vorverfahren wieder eingeführt wurde. Weitere Ausnahmen gelten etwa für das Schulrecht oder für Kommunalabgaben. 

Geht es also beispielweise um Kanalanschlussbeiträge oder kommunale Benutzungsgebühren, ist das Widerspruchsverfahren vor Klageerhebung durchzuführen. Bei den Erschließungsbeiträgen hingegen ist kein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Will sich hier der Bürger gegen den Bescheid wehren, muss er direkt Klage erheben. Hier ist der Gegenstandswert in der Regel recht hoch, die Beiträge bewegen sich oft im fünfstelligen Bereich. Dies hat verhältnismäßig hohe Gerichts- und Anwaltskosten zur Folge. 

In der ersten Instanz ist beim Verwaltungsgericht kein Anwalt erforderlich, um eine Klage zu erheben. Faktisch trauen sich aber die wenigsten Bürger ohne jegliche Vorkenntnisse zu, das Verfahren dann auch wirklich selbst zu führen. Denn sie tragen oftmals ein hohes Kostenrisiko.

Auch aktuell im Bereich der Corona-Hilfen ist es äußerst misslich, dass kein Vorverfahren durchzuführen ist. Hier zeigt sich, dass sowohl auf Seiten der Bewilligungsstellen als auch auf Seiten der Antragssteller und prüfenden Dritten immer wieder Unklarheit über einzelne Voraussetzungen und Sachverhalte herrscht. Ist der Schlussbescheid einmal erlassen, bleibt nur noch das Klageverfahren. Will sich der Antragsteller wehren, trägt er das Kostenrisiko und muss zunächst die Hemmschwelle zur Klage überschreiten. Hier wäre es sicherlich gerade aufgrund der für beide Seiten neuen Situation und der komplexen Regelungen sinnvoll, eine Möglichkeit zur Selbstkontrolle der Verwaltung zu schaffen und die Verwaltungsgerichte zu entlasten. Zudem wäre in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Antragsteller auch aus Kostengründen die Möglichkeit eines Vorverfahrens zu begrüßen.

Ein weiteres wichtiges Argument für die Durchführung eines Vorverfahrens ist auch die lange Verfahrensdauer bei den Verwaltungsgerichten. So dauerte es 2020 im Durchschnitt 14,7 Monate, bis eine Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf entschieden wurde. 

In NRW wurden also nach der fast vollständigen Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nach und nach Ausnahmen geschaffen, die das Vorverfahren wieder erforderlich machen. Darin ist eine Verbesserung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Bürgers zu sehen. Das Grundproblem ist hier aber, dass nun immer noch Bereiche herausfallen, für die nicht explizit eine Ausnahme in § 110 Abs. 2 JustG NRW geschaffen wurde. 

Wahlmöglichkeit als Alternative?
In Bayern gibt es für einige Rechtsbereiche ein Wahlrecht zwischen Widerspruchseinlegung und Klageerhebung. Dies erscheint als eine gute Regelung, um die Rechtsschutzmöglichkeiten des Bürgers zu verbessern. In Fällen, in denen schon im Verwaltungsverfahren offensichtlich geworden ist, dass sich die Verwaltung durch einen Widerspruch nicht umstimmen lassen wird, kann der Bürger ohne Zeitverlust durch ein absehbar ohnehin aussichtsloses Widerspruchsverfahren direkt die „Abkürzung“ zum Verwaltungsgericht nehmen und dort Rechtsschutz ersuchen. In allen anderen Fällen dürfte der Bürger zunächst das Widerspruchsverfahren nutzen, um das Kostenrisiko einer Klage zu vermeiden. NRW, bitte diese bürgerfreundliche Regelung auf Übernahme prüfen!
Sabina Büttner, [email protected]

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