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Melkkuh Abwasserbetrieb: Gebühren werden zur Haushaltssanierung eingesetzt
In Nordrhein-Westfalen werden in vielen Städten und Gemeinden im Bereich der Abwasserbeseitigung durch die kalkulatorische Verzinsung des aufgewandten Betriebskapitals Gewinne erwirtschaftet. Sie sollen helfen, die städtischen Haushalte zu sanieren.
Die mittlerweile in den meisten Kommunen üblichen eigenbe-triebsähnlichen Einrichtungen und Anstalten des öffentlichen Rechts in der Abwasserentsorgung fungieren als „Melkkühe“, die einen Sanierungsbeitrag für den kommunalen Haushalt erbringen. Die Gewinne der Abwasserbetriebe resultieren im Kern daraus, dass in der gebührenrechtlichen Kostenrechnung eine kalkulatorische Verzinsung des aufgewandten Eigen- und Fremdkapitals auf der Basis von Anschaffungsrestwerten in Verbindung mit einem Nominalzinssatz vorgenommen wird. Diese Erwirtschaftung von Gewinnen ist derzeit noch rechtlich zulässig, weil die kalkulatorische Verzinsung und ggf. Abschreibung auf Basis der höheren Wiederbeschaffungszeitwerte noch erlaubt ist. Verschärft wird diese Problematik dadurch, dass das Kommunalabgabengesetz NRW keine Zweckbindung von Gebühreneinnahmen vorsieht.
Folgende Beispiele aus einigen Haushaltssanierungsplänen verdeutlichen den Sachverhalt. So heißt es im Haushaltssanierungsplan der Gemeinde Engelskirchen: „Erhöhung der Eigenkapitalverzinsung des Eigenkapitals des Gemeindewerkes Abwasserbeseitigung von 4 % auf 5 %.“ Ergibt einen Betrag von 25.000 Euro alleine für 2013. „Zur Erwirtschaftung der höheren Eigenkapitalverzinsung sind Gebührenerhöhungen notwendig“. Aus dem Haushaltssanierungsplan 2020 der Stadt Gummersbach: „Erhöhung kalk. Zinssatz auf 4,5 %.“ Ergibt für die Jahre von 2013 bis 2021 jährliche „Konsolidierungsbeiträge“ von je 18.000 Euro. Im Haushaltssanierungsplan der Gemeinde Nümbrecht steht: „Maßnahme 19 Einführung kalkulatorische Zinsen. Im Bereich der … Abwasserentsorgung wurde bislang der tatsächliche Zinsaufwand zu Grunde gelegt. Mit der Einführung eines kalkulatorischen Zinssatzes kann ein zusätzlicher Ertrag für den Haushalt in Höhe von rd. 330.000 EUR generiert werden.“ Im Haushaltssanierungsplan 2012 bis 2021 der Stadt Schwerte heißt es unter HSP-Maßnahme Nr. 27 „Erhöhung der Gewinnausschüttung des Abwasserbetriebes Schwerte AöR. Die AöR hat im Haushaltsjahr 2011 einen Gewinn aus dem Jahresergebnis 2010 in Höhe von 403.000 EUR ausgeschüttet. Bis 2016 ist eine jährliche Steigerung von rd. 10 % vorgesehen, so dass im Haushaltsjahr 2016 eine Gewinnausschüttung von 682.000 EUR erfolgen wird. Dieser Ausschüttungsbetrag bleibt bis 2021 konstant.“
Haushaltssanierungsplan der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheidt, Maßnahme 11 a: „Ausweitung/Einführung Eigenkapitalverzinsung Gemeindewerke (Wasser/Abwasser) Im Rahmen der Fortschreibung des Haushaltssanierungsplanes wird bei der Gebührenkalkulation der Frischwasser-, Schmutzwasser- und Regenwassergebühren seit dem Wirtschaftsjahr 2013 eine Verzinsung von 5% auf das Eigenkapital … berücksichtigt.“ In den Erläuterungen zum Erfolgsplan der Stadtentwässerungsbetriebe Korschenbroich: „Durch Runderlass des Innenministers wurde festgelegt, daß der auf der Kalkulation der Eigenkapitalverzinsung beruhende Gewinnanteil an den Haushalt der Stadt abgeführt werden soll. Die bisher veranschlagte Verzinsung von 429.485,00 EURO wurde auf der Grundlage eines Zinssatzes von 6 % ermittelt. ... Für das Jahr 2021 ist weiterhin neben der bislang üblichen Eigenkapitalverzinsung ein zusätzlicher Beitrag zur Haushaltssicherung der Stadt Korschenbroich in Höhe von 300.000 EURO jährlich in Form einer erhöhten Gewinnausschüttung geplant gemäß Beschluss des Rates der Stadt Korschenbroich in der Sitzung am 26.9.2019.“
Aber nicht nur die sog. Stärkungspaktkommunen bedienen sich bei ihren Stadtentwässerungsbetrieben. So liest man im Jahresabschluss 2019 des Stadtentwässerungsbetriebs Düsseldorf: „Behandlung des Jahresgewinns … b) Abführung an die Stadt Düsseldorf 3.500.000,00 EURO …“
Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass der Städte- und Gemeindebund NRW in seiner Pressemitteilung vom 21. Januar 2021 u.a. verlautbart : „… Vorwürfe, die Städte und Gemeinden würden bei der Berechnung der Gebühren auf Gewinne aus sein, entbehren jeder Grundlage. …“