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Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus massiv überfinanziert - Parlamentsreform notwendig

Bund der Steuerzahler Berlin e. V. / Meldungen 03.12.2018

Seit 2013 sind die Ausgaben für das Berliner Abgeordnetenhaus um fast zwei Drittel angestiegen. Dies liegt aber nicht allein am Zuwachs der Mandate und Fraktionen nach den letzten Wahlen im Jahr 2016. Die Hauptursachen liegen vielmehr in der Ausweitung der Kostenpauschalen für die Abgeordneten ab dem Jahr 2014 und einer massiven Erhöhung der Fraktionszuschüsse im Jahr 2017. Demokratie kostet Geld. Ob die aus dem Ruder gelaufenen Kosten für ein Teilzeitparlament mit 160 Abgeordneten wirklich mehr Demokratie bedeuten, muss aber hinterfragt werden dürfen.

Teilzeitparlament

Mit den letzten Wahlen im Jahr 2016 hat sich das Berliner Abgeordnetenhaus von 149 auf 160 Sitze vergrößert. Nach der Verfassung von Berlin besteht das Abgeordnetenhaus aus mindestens 130 Abgeordneten. Politisch begründet wird diese hohe Anzahl an Mandaten im Vergleich zu anderen Landtagen damit, dass das Abgeordnetenhaus ein Teilzeit- oder Feierabendparlament sei. Dies ist allerdings nirgendwo explizit definiert und lässt sich nur aus einige Vorschriften des Landesabgeordnetengesetzes ableiten. Insgesamt sechs Landtage kommen derzeit ohne offensichtliches Demokratiedefizit mit weniger als 90 Mandaten zurecht.

Entschädigung und Kostenpauschale

An dem Umfang einer Halbtagstätigkeit bemisst sich auch die steuerpflichtige Entschädigung für die Abgeordneten, die sich 2018 auf monatlich 3.840 Euro belief. Seitens einiger Abgeordneter wurden diese Diäten in der Vergangenheit allerdings immer wieder als zu niedrig moniert, weil die Ausübung ihres Mandats tatsächlich ein Vollzeit-Job wäre, der eine zusätzliche Tätigkeit nicht zulasse. Da eine ursprünglich diskutierte außerordentliche Diätenerhöhung nicht stattfand, holten sich die Abgeordneten das Geld offenbar auf anderem Wege. 2014 wurde die steuerfreie Kostenpauschale von zuvor monatlich 1.018 Euro drastisch angehoben.

Im Haushalt 2019 sind mittlerweile im Durchschnitt 2.794  Euro monatlich je Abgeordneten eingeplant. Das zeigt, dass offenbar fast alle Abgeordneten von der 2014 eingeführten Möglichkeit Gebrauch machen, bei der Unterhaltung eines externen Abgeordnetenbüros eine um 1.000 Euro erhöhte Kostenpauschale zu beanspruchen. In der Summe entspricht das fast 5,4 Millionen Euro für die Kostenpauschalen der Abgeordneten. Im Haushaltsplan 2013 waren hierfür nur gut 1,8 Millionen Euro eingestellt. Damit sind die Ausgaben für die Kostenpauschalen in sechs Jahren um gut 3,5 Millionen Euro gestiegen und haben sich damit fast verdreifacht!

Leistungen für Mitarbeiter der Abgeordneten

Zusätzlich zu den Mitarbeitern, die bei den Fraktionen angestellt sind, haben die Abgeordneten auch die Möglichkeit, eigene Mitarbeiter anzustellen. Auch hier sind die Ausgaben explodiert. Während im Haushaltsplan 2013 hierfür knapp 2,4 Millionen Euro eingestellt waren, ist diese Position 2019 auf knapp 10,9 Millionen Euro explodiert. Dies entspricht einer Steigerung um gut das 4,5-fache oder fast 8,5 Millionen Euro. Jeder Abgeordnete hat damit 2019 durchschnittlich knapp 68.000 Euro für eigene Mitarbeiter zur Verfügung. Im Jahr 2013 waren dies lediglich gut 16.000 Euro.

Fraktionszuschüsse  

Im April 2017 hatte das Berliner Abgeordnetenhaus eine massive Erhöhung der Fraktionszuschüsse beschlossen. Die Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus haben zur Wahrnehmung ihrer parlamentarischen Aufgaben einen Anspruch auf finanzielle Mittel aus dem Landeshaushalt. Jede Fraktion erhielt 2017 einen Grundbetrag von 590.844 Euro für die allgemeine Arbeit ihrer Fraktionsgeschäftsstelle sowie einen Zuschlag von 49.716 Euro je Mitglied einer Fraktion. Die Oppositionsfraktionen bekamen aus Gründen der politischen Chancengleichheit jeweils zusätzlich einen pauschalen Oppositionszuschlag von 279.972 Euro, da diese – anders als die Regierungsfraktionen – keinen direkten Zugriff auf die Verwaltung haben.

Der Bund der Steuerzahler Berlin hatte im April 2017 insbesondere die außerordentliche Anhebung des Pro-Kopf-Betrages je Fraktionsmitglied als erheblich überzogen kritisiert. Der Pro-Kopfbeitrag  stieg von 28.428 Euro im Jahr 2016 auf  49.716 Euro im Jahr 2017, d.h. um knapp 75 Prozent. Denn die Mehrbelastungen für die Steuerzahler aufgrund der Anhebung des Pro-Kopf-Betrages belaufen sich auf rund 3,4 Millionen Euro pro Jahr. 

Die Entscheidung über die Höhe der finanziellen Ausstattung der Fraktionen obliegt natürlich dem Parlament. Wenn allerdings auf Verschiebungen der Mehrheitsverhältnisse so reagiert wird, dass Mandatsverluste nicht auch zu einem „kleinen Stück am Kuchen“ führen, steigen die Ausgaben für den Steuerzahler insgesamt unweigerlich an. Die Erhöhung der Fraktionszulagen im Jahr 2017 dürfte dabei insbesondere im Interesse der SPD-Fraktion gelegen haben. Sie hatte mit den Abgeordnetenhauswahlen 2016 neun Mandate und damit über eine viertel Million Euro an Kopfpauschalen einbüßt. Die CDU-Fraktion verlor zwar auch acht Mandate, „gewann“ aber mit dem Ausscheiden aus der Regierung zumindest den Oppositionszuschuss dazu.

Für 2019 sind im Haushalt fast 15,2 Millionen Euro an Fraktionszuschüssen eingeplant. 2013 belief sich der Haushaltsansatz hierfür noch auf gut 8 Millionen Euro. Dies entspricht einer Erhöhung um 90 Prozent oder 7,2 Millionen Euro in sechs Jahren. Damit, dass das Abgeordnetenhaus von fünf auf sechs Fraktionen und um 11 Abgeordnete gewachsen ist, lässt sich diese Steigerung jedenfalls nicht erklären.

Rücklagenentwicklung

Ein Blick in die veröffentlichten Verwendungsnachweise offenbart, dass die Fraktionen massiv überfinanziert sind. Die Rücklagen aller Fraktionen sind 2017 nochmals sprunghaft angestiegen und beliefen sich Ende 2017 auf insgesamt fast 3,44 Millionen Euro. Der Bund der Steuerzahler hält es für Steuergeldverschwendung, dass sich das Land Berlin zu Sollzinsen am Kapitalmarkt von derzeit durchschnittlich rund 2,3 Prozent verschuldet und die Fraktionen dann tatsächlich nicht benötigte Mittel derzeit nahezu zinsfrei bei ihren Banken horten. Fraktionen sind der organisierten Staatlichkeit eingegliedert – also Teil des Staates – und eben keine privatrechtlichen Anhängsel der Parteien. Daher fordert der Bund der Steuerzahler schon lange eine Änderung des Fraktionsgesetzes, wonach die Fraktionen ihre Rücklagen zumindest zinsfrei bei der Landeshauptkasse anlegen müssen. Dies würde knapp 80.000 Euro jährlich Zinsen sparen.

Abb.: Rücklagen nach § 8 Abs. 10 Satz 1 u. 2. Berliner FraktG

Einsparpotential einer Parlamentsverkleinerung

Im Haushalt 2019 sind für das Berliner Abgeordnetenhaus insgesamt Ausgaben von über 64,3 Millionen Euro eingeplant. Der Ansatz im Haushalt 2013 belief sich noch auf knapp 39,2 Millionen Euro. Dies entspricht einer Ausgabensteigerung um gut 64 Prozent bzw. über 25,1 Millionen Euro binnen sechs Jahren!

Dabei spielt in dem Zeitraum die Zunahme der vielgescholtenen Diäten (+1,6 Millionen Euro) nur eine nachrangige Rolle. Massiv gestiegen sind zwischen 2013 und 2019 die Fraktionszuschüsse (+7,2 Millionen Euro), die Leistungen an Mitarbeiter (+8,5 Millionen Euro) und die steuerfreien Kostenpauschalen der Abgeordneten (+3,5 Millionen Euro).

Eine Parlamentsverkleinerung von 160nauf z.B. 90 Vollzeitmandate könnte grob überschlagen zu einer Einsparung von mindestens 6 Millionen Euro führen. Im Haushalt 2019 sind für jeden Abgeordneten Entschädigungen von monatlich 4.052 Euro eingeplant.  Würde man diese auf 8.104 Euro monatlich für die Wahrnehmung eines Vollzeitmandats verdoppeln, ergeben sich Ausgaben für die Entschädigungen von knapp 8,8 Millionen Euro Jährlich. Das wäre zwar eine knappe Million Euro mehr als derzeit für 2019 eingeplant sind, würde aber zu Einsparungen an anderen Stellen führen.

Für die steuerfreien Kostenpauschalen sind im Haushalt 2019 für jeden Abgeordneten monatlich 2.795 Euro, insgesamt knapp 5,4 Millionen Euro eingeplant. Daraus ist ersichtlich, dass offenbar fast alle Abgeordneten einen Zuschlag von 1.000 Euro monatlich für die Unterhaltung eines eigenen externen Büros beanspruchen. Bei einer Reduzierung der Mandate auf 90 Sitze, würde die Notwendigkeit für externe Abgeordnetenbüros entfallen, denn bis 2013 waren die Abgeordneten auch 20 Jahre lang im Preußischen Landtag untergebracht. Eine um 1.000 Euro gesenkte Kostenpauschale würde bei 90 Abgeordneten eine Einsparung von jährlich über 3,4 Millionen Euro bringen.

Da jedoch nach wiederholten Feststellungen die externen Abgeordnetenbüros richtlinienwidrig als „Schaufenster“ der Parteien missbraucht werden, in denen z.B. der Wahlkampf organisiert wird, wird ein Verzicht auf die externen Büros wohl politisch nicht durchsetzbar sein. Zumindest wären bei 90 Vollzeitparlamentariern die Büros auch in Vollzeit ausgelastet. Einsparungen von gut 2,3 Millionen Euro wären realistisch.

Ein besonders großes Einsparpotential würde sich bei den Leistungen für Mitarbeiter ergeben. 2019 sind für jeden Abgeordneten im Haushaltsplan jährlich fast 68.000 Euro für deren Beschäftigung eingeplant. Berücksichtigt man die oben beschriebene extreme Erhöhung dieser Position, würde sich hier auch bei einem Vollzeitabgeordneten kein Mehrbedarf ergeben. Bei nur noch 90 Abgeordneten ergibt sich ein Einsparpotential von über 4,7 Millionen Euro.

Selbst wenn man die Entschädigungen der Abgeordneten verdoppeln würde, könnten mit der Umstellung auf ein Vollzeitparlament mit 90 Sitzen rund 6 Millionen Euro jährlich eingespart werden, ohne dass die Höhe der Fraktionszulagen und die Kostenpauschen an den einzelnen  Abgeordneten oder die Leistungen für deren Mitarbeiter angetastet werden würden. Rund eine weitere Million könnte eingespart werden, wenn dann die 90 Abgeordneten wieder in den Preußischen Landtag passen und auf die Finanzierung externe Abgeordnetenbüros verzichtet werden würde.  Weitere Einsparpotentiale in Millionenhöhe ergeben sich bei den Fraktionszuschüssen, die mit 15,2 Millionen Euro im Haushalt 2019 mehr als doppelt so hoch sind, wie im Brandenburgischen Landtag.

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