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Wieviel Wohnen ist Grundrecht?

Bund der Steuerzahler Berlin e. V. / Meldungen 13.01.2020

Ein Kommentar von Dipl.-Volkswirt Alexander Kraus

Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum. Das steht zumindest in der Berliner Landesverfassung. Der Senat hat zur Linderung der Wohnungsnot in seinem Doppelhaushalt Hunderte Millionen Euro an öffentlichen Mitteln eingeplant. Neben dem Neubau stehen auch massive Wohnungsaufkäufe und der Mietendeckel auf der Agenda. Ein Blick in die Statistik offenbart aber Erstaunliches: Eigentlich gibt es gar keinen Mangel an Wohnraum, sondern an Flexibilität.

Das Recht auf Wohnen gilt als Menschenrecht und findet sich an verschiedenen Stellen im internationalen Recht. Nach der Europäischen Sozialrechtscharta haben sich die Vertragsstaaten z.B. dazu verpflichtet, den Zugang zu Wohnraum mit ausreichendem Standard zu fördern und die Wohnkosten für Personen mit geringen Mitteln tragbar zu gestalten. Ziel ist, die wirksame Ausübung des Rechts auf Wohnung zu gewährleisten.

In der Berliner Landesverfassung heißt es, dass jeder Mensch das Recht auf angemessenen Wohnraum hat und das Land die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen, sowie die Bildung von Wohnungseigentum fördert. Im Grundgesetz fehlt eine solche Regelung, obwohl schon die Weimarer Verfassung als staatliches Ziel formuliert hatte, zumindest „jedem Deutschen eine gesunde Wohnung“ zu sichern.

Die Wohnungsnot ist derzeit Land auf Land ab in aller Munde. Die Wohnungsstatistik des Statistischen Bundesamtes spricht aber eine ganz andere Sprache: Während noch 1988 in Ost- und Westdeutschland mit zusammen knapp 33,4 Mio. Wohnungen nur 426 Wohnungen für 1.000 Einwohner zur Verfügung standen, gab es 2018 bereits über 42,2 Mio. Wohnungen, d.h. über ein Viertel mehr. Die Anzahl pro 1.000 Einwohner stieg im gleichen Zeitraum um ein knappes Fünftel auf 509 Wohnungen. Auch die Wohnfläche je Wohnung stieg deutlich an. 1988 hatte eine Wohnung im Mittel nur gut 81 Quadratmeter Wohnfläche, wobei die Wohnungen im Osten sogar durchschnittlich 20 Quadratmeter kleiner als im Westen waren. 2018 war die durchschnittliche Wohnungsfläche bereits auf knapp 92 Quadratmeter angewachsen. Der Flächenunterschied zwischen den neuen Ländern und dem früheren Bundesgebiet schrumpfte gleichzeitig auf 13 Quadratmeter. In nur dreißig Jahren stieg die durchschnittliche Wohnfläche je Einwohner zudem von knapp 35 Quadratmetern auf knapp 47 Quadratmeter. Die gesamte Wohnfläche ist von 1988 bis 2018 um fast 44 Prozent, die Bevölkerung aber nur um gut 6 Prozent angewachsen. Besonders stark holte der Osten auf. Seit 2008 stehen jedem Einwohner im Westen wie im Osten unverändert im Mittel 2,2 Wohnräume zur Verfügung, wohlgemerkt ohne Küche und Bad. 1988 mussten noch 1,8 Räume reichen.

In Berlin stieg zwischen 1988 und 2018 die Zahl der Wohnungen im gesamten Stadtgebiet um knapp 260.000 Einheiten oder mehr als 15 Prozent auf fast 1,95 Mio. Wohnungen. Die gesamte Wohnfläche wuchs im Vergleichszeitraum sogar um über 26 Prozent. Während sich 1988 ein Einwohner in Berlin mit durchschnittlich nur knapp 34 Quadratmetern begnügen musste, standen jedem Berliner 2018 statistisch bereits gut 39 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung. Die durchschnittliche Wohnungsgröße liegt zwar unter dem Bundesdurchschnitt, stieg aber von 67 auf 73 Quadratmeter an. Über dem Bundesdurchschnitt liegt allerdings die Anzahl der Wohnungen pro 1.000 Einwohner. Sie stieg von 507 auf 534 Einheiten. Im Umkehrschluss war jede Berliner Wohnung 2018 mit weniger als 1,9 Personen belegt, während es 1988 noch fast zwei waren.

Im Ergebnis steht sowohl bundesweit als auch in Berlin jedem Einwohner durchschnittlich deutlich mehr Wohnraum als jemals zuvor zur Verfügung. Nicht einmal zwei Menschen müssen sich eine Wohnung teilen, die sich mittlerweile selbst in Berlin auf jeweils durchschnittlich fast 40 Quadratmetern pro Person ausbreiten können. Von blanker Not kann angesichts dieser Zahlen eigentlich nicht die Rede sein. Im Vergleich zum Jahr 1988 kann man sogar von einer geradezu luxuriösen Entwicklung sprechen. Wohnungen und Wohlfläche sind also eigentlich genügend da.

Würden sich die Berliner stattdessen mit einer Belegung von durchschnittlich zwei Personen pro Wohnung – also dem bundesdurchschnittlichen Niveau von 2010 –  statt mit derzeit nur 1,87 Personen pro Wohnung begnügen, ließen sich rechnerisch auf einen Schlag über 250.000 Menschen zusätzlich, also fast 3,9 Mio. Einwohner in dem heutigen Wohnungsbestand Berlins unterbringen. Bei einer Belegung mit gut 2,3 Einwohnern je Wohnung, dem bundesweiten Niveau von 1988, wären es sogar über 4,5 Mio. Menschen. Mit dann nur noch durchschnittlich knapp 32 Quadratmetern pro Person müsste man dann in Berlin allerdings so beengt leben, wie noch im Jahr 2000 in den neuen Ländern und Berlin-Ost.

Mir ist durchaus klar, dass diese Zahlenspielereien einem Wohnungsuchenden wenig nutzen und ihn wohl eher verärgern werden. Sie dienen hauptsächlich zur Veranschaulichung der Dimensionen. Für die politisch Handelnden muss aber gelten: Ohne eine korrekte Diagnose kann die Therapie allenfalls zufällig wirken.

Tatsächlich teilen sich also vergleichsweise wenige Personen den Wohnungsbestand unter sich auf. Die Mieten sind offenbar im Bestand noch nicht so hoch, dass leerstehende Zimmer untervermietet werden müssten. Singles halten Einzimmerwohnungen für unzumutbar, Paare träumen von wenigstens vier bezahlbaren Zimmern und Zweitwohnungen werden behalten. Die Witwe kann andererseits aus Ihrer Fünfzimmerwohnung nicht ausziehen, weil die Zweizimmerwohnung mindestens genauso teuer ist.

Wenn das Land Berlin massenweise Wohnungsbestände verstaatlicht und die Mieten per Gesetz deckelt oder sogar senkt, werden die Berliner aber wohl kaum weniger großzügig Wohnraum für sich beanspruchen. Wohnungssuchende brauchen sich nicht zu wundern, wenn sie zu diesen günstigen Konditionen trotzdem an diesem Sehnsuchtsort – wie der Regierende Berlin nennt – keine Wohnung finden, wenn nicht massiv zusätzlich Wohnungsangebot gebaut wird. Die Frage ist nur, ob es wirklich ein elementares Menschenrecht darauf gibt, in einer Weltmetropole 40 Quadratmeter pro Person zu einem vergleichsweise günstigen Preis staatlich mit Steuermitteln garantiert zu bekommen.

 

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