Schwarz-grüner Koalitionsvertrag lässt Finanzierungsfrage offen
Ende Juni 2022 ging es Schlag auf Schlag. Die als Zukunftsvertrag für Nordrhein- Westfalen betitelte Koalitionsvereinbarung von CDU und GRÜNE wurde unterzeichnet. Am folgenden Tag wurde Hendrik Wüst (CDU) als Ministerpräsident wiedergewählt. Mit der Ernennung der Ministerinnen und Minister konnte die neue Landesregierung ihre Arbeit aufnehmen. Im Parlament verfügen die Koalitionäre über 115 von 195 Stimmen. Und haben damit eine komfortable Mehrheit.
Als zentrales gemeinsames Ziel haben CDU und GRÜNE formuliert: „Wir machen Nordrhein- Westfalen zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas.“ Auffällig häufig wird das Wort „nachhaltig“ im Koalitionsvertrag verwendet. In etlichen Politikfeldern sollen bestehende Förderprogramme ausgeweitet und neue geschaffen werden. Darüber hinaus sollen die Mitarbeiterzahlen wachsen. Recht unpräzise sind dazu die Aussagen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur. Hier heißt es lediglich, dass eine Erhöhung personeller Ressourcen beim Landesbetrieb Straßen.NRW „angestrebt“ werde. Es gibt auch konkrete Zahlen: 3.000 Polizistinnen und Polizisten sollen jährlich eingestellt werden. Für die Lehrerschaft sind 10.000 zusätzliche Kräfte geplant. Wie die neuen und erweiterten Förderprogramme sowie Stellenmehrungen konkret finanziert werden sollen, wird nicht gesagt.
Zu den einzelnen Vorhaben:
Infrastruktur und ÖPNV
„Beim Straßenbau hat die Sanierung für uns Vorrang vor dem Neubau. Wir werden die Mittel für den Erhalt mindestens verstetigen“, heißt es im Koalitionsvertrag zu den Landesstraßen. Die bisherigen Mittel haben den tatsächlichen Instandhaltungsbedarf nicht gedeckt. Hier erneuert der BdSt NRW seine Forderung, dass aufgestaute Sanierungen schnellstmöglich abzuarbeiten sind. Die bedarfsgerechte Instandhaltung vorhandener Infrastruktur ist ein Ausdruck sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung.
Für die Verkehrswende ist ein beispielloser - auch finanzieller - Kraftakt nötig. Hier muss noch klarer gesagt werden, wo die Mittel herkommen sollen. Aktuell brechen beispielsweise beim ÖPNV vielerorts die „Querfinanzierungen“ beispielsweise aus den Stadtwerken weg. Es ist dann allzu einfach, eine kommunale Zwangsabgabe in den Raum zu stellen, die als „Drittnutzerfinanzierung“ zum quantitativen Ausbau des Angebots beitragen soll. Eine solche Zwangsabgabe trifft vor allem diejenigen, die den ÖPNV nicht nutzen können. Darüber hinaus bringen Sozialstaffeln einen ungeahnten bürokratischen Aufwand in der Administration einer solchen Abgabe mit sich.
Investitionen
Weiter heißt es „Dazu werden wir auch in Zukunft eine hohe Investitions- und Zukunftsquote im Landeshaushalt sicherstellen und entsprechende Schwerpunkte bei der Haushaltsaufstellung setzen. Zum anderen werden wir außerhalb des Landeshaushaltes, unter Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Schuldenbremse, bestehende Institutionen wie die NRW.BANK, den Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) sowie die Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate nutzen und ihre Aufgaben entsprechend erweitern.“
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen bündelt seit dem 1. Januar 2022 ihre Aktivitäten im Bereich Energie und Klimaschutz in dieser neuen Landesgesellschaft. Der BLB bündelt im Wesentlichen das Immobilienvermögen des Landes. Die NRW.Bank ist die landeseigene Förderbank. Vor allem in diesen Institutionen, die als Extra-Haushalte neben dem Kernhaushalt existieren, könnte die Versuchung groß sein, die Schuldenbremse zu umgehen. Die angestrebte Nachhaltigkeit wird so umgangen.
Entlastung Grunderwerbsteuer
Bei der Grunderwerbsteuer bleiben CDU und GRÜNE lediglich am Ball. Sie lassen im Koalitionsvertrag völlig offen, wie sie konkret zur Entlastung der Bürger vorgehen wollen. „Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen auf Bundesebene geschaffen worden sind, werden wir Spielräume zur gezielten Entlastung beim Ersterwerb selbst genutzter Wohnimmobilien bis zu einem angemessenen Kaufpreis nutzen.“ Ein drängendes Thema bleibt demnach weiterhin auf der Agenda.
Schuldenabbau
Sofern im Jahr 2022 kein Lösungsansatz zur Rückführung der kommunalen Altschulden mit dem Bund erzielt werden kann, soll im kommenden Jahr ein NRW-Altschuldenfonds eingerichtet werden. In Summe geht es dabei um knapp 60 Milliarden Euro. Zu den aufgelaufenen Schulden auf Landesebene findet sich im Vertragswerk lediglich der Hinweis, dass mit der Tilgung der „Corona-Schulden“ im Jahr 2024 begonnen werden soll. Der Corona-Rettungsschirm ist mit 25 Milliarden Euro ausgestattet. Vor dem Hintergrund steigender Zinsen ist es nach wie vor aller höchste Eisenbahn, die Verschuldung im Konzern Land von weit über 180 Milliarden Euro strukturiert abzubauen.
Förderprogramme
Für Förderprogramme soll ein Klima-Check eingeführt werden. Darunter versteht die neue Landesregierung, dass das jeweilige Ressort seine Förderprogramme auf Klimawirkung und Vereinbarkeit mit den Klimaschutzzielen hin untersucht und entsprechend begründet. Dieser Blick ist lediglich nach vorne gerichtet. Für einen sparsamen und wirtschaftlichen Einsatz von Steuermitteln bedarf es bei Subventionen und Förderprogrammen in jedem Fall auch Wirksamkeitskontrollen – also der rückwärtigen Betrachtung, ob vorab definierte Ziele erreicht wurden. Es bedarf also nicht lediglich bei der Schaffung eines Fördertopfes einer Rechtfertigung. Durch die Definition von Zielen und der Vorgabe eines Zeitrahmes muss eine laufende Einschätzung zu den Förderprogrammen ermöglicht werden. Programme, die ihre Ziele verfehlen, sind einzustellen.
Kommunalfinanzen
Städte und Gemeinden mit Gewerbesteuer-Hebesätzen unterhalb der fiktiven Hebesätze sollen mit einer negativen Schlüsselzuweisung zum Umdenken gebracht werden. Diese Vorgehensweise ist, wenn sie zu Ende gedacht wird, eine Strafsteuer. Sie trifft insbesondere unbescholtene Unternehmer und macht letztendlich das Land Nordrhein-Westfalen zu einem unattraktiven Standort. Nicht zuletzt untergräbt eine solche Politik das Recht der kommunalen Selbstverwaltung.
Neue Herausforderungen
Das Land steht vor großen Herausforderungen bei den Themen Klimaschutz und Verkehr, denen die Koalition berechtigt Rechnung tragen möchte. Unklar ist aber, in welchen Bereichen Einsparungen erfolgen sollen, um die dafür notwendigen Investitionen finanzieren zu können und gleichzeitig die Schuldenbremse einzuhalten. Das Bekenntnis „Mehrausgaben brauchen eine solide Gegenfinanzierung.“ klingt bei einem Koalitionsvertrag, der ganz überwiegend die Ausweitung bestehender Programme sowie neue Politikbereiche aufzählt, kaum überzeugend. Auffällig ist beispielsweise auch, dass der Kulturetat in der vorhergehenden Wahlperiode deutlich angehoben wurde und bis zum Ende dieser Wahlperiode schrittweise um 50 Prozent abermals ‚pauschal‘ ausgeweitet werden soll. Wie das alles finanziert werden soll, wird nicht gesagt. Solide Gegenfinanzierung ist Fehlanzeige. Es mangelt in der Landespolitik weiterhin an konkreten Einsparansätzen. „Wir werden eine strukturierte und dauerhafte Aufgabenkritik durchführen.“, bekräftigt zwar die Koalitionsvereinbarung. Die Ergebnisse dieser Aufgabenkritik sollen Mitte des Jahres 2024 vorliegen und in die Haushaltsplanung 2025 einfließen. Dann wird bereits Halbzeitbilanz der Legislaturperiode zu ziehen sein.
Positiv ist anzumerken, dass sich im Koalitionsvertrag etliche Forderungen des Bundes der Steuerzahler wiederfinden, wie die Abschaffung des Straßenbaubeitrags, der Bürokratieabbau und die Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsgesetztes. Zu loben ist die geplante Beschleunigung von behördlichen Genehmigungsverfahren und des Bürokratieabbaus. Der Bürokratieabbau und die Haushaltskonsolidierung sollen durch Digitalisierung und Aufgabenkritik flankiert werden. Versprechungen in diese Richtungen hat es in der jüngeren Vergangenheit, ganz nüchtern betrachtet, bereits häufiger gegeben. Vieles bleibt zunächst vage und unkonkret, so dass sich erst noch zeigen muss, wie ernst es der neuen Regierung mit einigen Projekten ist.