Schneeschippen von der Steuer absetzen
Kurzarbeitergeld & Steuern
"Rathausbrief" der Spandauer SPD-Fraktion
Bund der Steuerzahler schaltet Rechnungshof ein
Der Bund der Steuerzahler Berlin hat den Rechnungshof von Berlin und das Referat für Parteienfinanzierung beim Deutschen Bundestag auf den „Rathausbrief“ der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Spandau hingewiesen und eine Überprüfung angeregt.
Viermal ist im Jahr 2020 der „SPANDAUER RATHAUSBRIEF“ erschienen. Die Berliner Morgenpost hatte hierzu berichtet, dass zehntausende Spandauer Haushalte die achtseitige Zeitung der SPD-Fraktion in der Spandauer Bezirksverordnetenversammlung vierteljährlich im Briefkasten hätten. Zudem hätte der kommissarische Fraktionsvorsitzende bestätigt, dass die Publikation aus Fraktionsmitteln – damit also aus Steuermitteln – finanziert wurde.
Alexander Kraus, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Berlin, hatte sich auf Anfrage der Zeitung das Blättchen genauer angesehen und die Ansicht vertreten, dass mit dem „SPANDAUER RATHAUSBRIEF“ gegen die geltenden Kriterien verstoßen wird. Öffentlichkeitsarbeit sei Fraktionen nur mit konkretem Bezug zu ihrer Arbeit erlaubt; der Eindruck einer werbenden Einflussnahme zugunsten der Partei oder ihrer Wahlbewerber muss vermieden werden. Wenn die BVV-Fraktion mit ihrem Rathausbrief Sympathiewerbung für die Landes-SPD, Frau Giffey und Herrn Saleh macht, ist dies eine klare Zweckentfremdung von Steuermitteln für Zwecke der Partei und verboten“, erklärt Kraus in der Berliner Morgenpost.
Den Fraktionen in den Bezirksverordnetenversammlungen der Berliner Bezirke werden aufgrund landesrechtlicher Vorschriften Zuschüsse für ihren Personal- und Sachaufwand aus dem Landeshaushalt und damit aus Steuermitteln gewährt. Diese dürfen nur im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenstellung der Fraktion verwendet werden. Dazu gehört durchaus auch das Recht, unter Inanspruchnahme ihrer Fraktionszuschüsse die Öffentlichkeit über ihre Arbeit in der BVV zu informieren.
Die Öffentlichkeitsarbeit muss jedoch stets einen hinreichenden Bezug zu der Tätigkeit der Fraktion in der BVV haben und darf sich nicht als reine Sympathiewerbung und auch nicht als Parteiwerbung erweisen. Eine direkte oder indirekte Parteienfinanzierung aus Fraktionszuschüssen ist unzulässig. Das wird den Bezirksverordneten in „Rechtlichen Hinweisen“ der Senatsverwaltung für Inneres in einfacher Sprache dargelegt. Dort wird auch auf Hinweise des Rechnungshofs für die Bewirtschaftung der Fraktionszuschüsse hingewiesen, die allerdings nicht öffentlich sind.
Fraktionen die es ganz genau wissen möchten, können aber auch direkt in die „Ausführungsvorschriften über Zuschüsse für die Fraktionen in den Bezirksverordnetenversammlungen“ sehen. Dort ist völlig unmissverständlich geregelt, dass mit staatlichen Zuschüssen jegliche Form von Öffentlichkeitsarbeit einer Fraktion, auch über das Internet, nur finanziert werden darf, wenn sie einen hinreichenden Bezug zum gesetzlichen Auftrag der Fraktion aufweist und auf eine gezielte Werbung für eine Partei und deren Personal verzichtet. Sie muss sich unmittelbar auf die vergangene, gegenwärtige oder künftige Tätigkeit der Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung in der laufenden Wahlperiode beziehen.
Die Grenze zur zulässigen Finanzierung der Öffentlichkeitsarbeit ist jedenfalls dann überschritten, wenn der Sachinhalt eindeutig hinter die werbende Form zurücktritt, insbesondere bei Sympathiewerbung für eine Fraktion oder für einzelne Fraktionsmitglieder. Parteien dürfen für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit hergestellte Druckwerke oder andere aus Fraktionszuschüssen finanzierte Erzeugnisse nicht für eigene Zwecke einsetzen.
Nach der Prüfung kommt der Bund der Steuerzahler Berlin zu dem Ergebnis, dass der „SPANDAUER RATHAUSBRIEF“ voll mit Artikeln ist, die man als nichts anderes als parteipolitische Agitation bezeichnen kann und meist nicht einmal der kleinste Versuch unternommen wurde, irgendeinen Bezug zur Fraktionsarbeit in der Spandauer BVV zu konstruieren, meint der Bund der Steuerzahler.
Auf der Titelseite der Dezember-Ausgabe 2020 wird z.B. berichtet, dass Raed Saleh dafür kämpfe, dass die SPD weiterhin stärkste Kraft in Berlin bleibe und was auf der Agenda der Partei stehe. Saleh ist dabei nicht nur SPD-Kreisvorsitzender in Spandau, sondern auch Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus und gemeinsam mit Franziska Giffey Landesvorsitzender der Berliner SPD. Giffey wiederum ist auch die SPD-Spitzenkandidaten zur Abgeordnetenhauswahl 2021. In einem Interview mit Saleh auf Seite 3 referiert dann eine über das ganze Gesicht strahlende Bundesfamilienministerin über ihre fünf Botschaften, die in ihrem Wahlkampf für die Sozialdemokratie und sie selbst stehen. Weder Saleh noch Giffey oder die besagten Texte haben irgendeinen Bezug zur Arbeit der SPD-Fraktion in der Spandauer BVV. Allerdings war Saleh 2016 als Spandauer Direktkandidat ins Abgeordnetenhaus gewählt worden. Die Kandidatenaufstellung für die Wahlen 2021 steht zwar noch aus. Es ist aber zu erwarten, das Saleh wieder als Direktkandidat aufgestellt wird und dann bei der Abgeordnetenhauswahl Erststimmen aus seinem Spandauer Wahlkreis braucht. Der Bund der Steuerzahler wertet die Artikel daher als reine parteipolitische Agitation und Sympathiewerbung für die Wahlkandidaten.
Auch in den drei vorangegangen Ausgaben des „Spandauer Rathausbrief“ im Kalenderjahr 2020 gibt es zahlreiche Artikel, die nach den Richtlinien zur Abgrenzung von erlaubter Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion von unerlaubter Parteiwerbung, unzulässig sein dürften.
So wird in der Ausgabe Frühjahr 2020 auf Seite 1 der Einsatz der SPD gegen die Pandemie gerühmt. „Die SPD in der Bundesregierung und im Berliner Senat hat sich für schnelle und unkomplizierte Hilfen stark gemacht. Diese sollen zum einen Arbeitsplätze erhalten und gleichzeitig Soloselbstständige und Kleinstunternehmen vor der Insolvenz retten. … Unser Ziel ist es, die Beeinträchtigungen für alle Bürgerinnen und Bürger so gering wie möglich zu halten“, unterschreibt hier wieder Raed Saleh als Fraktionsvorsitzender der SPD im Abgeordnetenhaus in Form eines Editorials.
Auf der zweiten Seite werden allgemeine Hintergrundinformationen zu Covid-19 gegeben, wobei auch dies nichts mit der Fraktionsarbeit zu tun hat und Zuständigkeit und die Kompetenz der Bezirksverordneten in Frage gestellt werden kann. Auf Seite 3 interviewt SPD-Landes- und Fraktionschef Saleh seine Parteifreundin Dilek Kalayci zu ihrem unermüdlichen Einsatz als SPD-Gesundheitssenatorin in Zeiten der Pandemie. Das Wort „Spandau“ fällt in dem Interview kein einziges Mal. Auf Seite 4 wird der SPD-Bundesarbeitsminister gelobt: „Hubertus Heil macht das richtig, Kurzarbeit statt Kündigung!“ und ein Schaubild mit den Erfolgen der SPD-Bundestagsfraktion mit bundespolitischen Aussagen gezeigt. Ein konkreter Bezug zur Arbeit der SPD-Fraktion in der Spandauer BVV ist auch hier nicht zu erkennen.
Auf Seite 1 der Sommerausgabe 2020 rühmt Raed Saleh in Denkerpose die kluge, vorausschauende Landespolitik der SPD-Abgeordnetenhausfraktion und dabei insbesondere die Landeshaushaltspolitik. Auf der zweiten Seite sinniert der ehemalige Kulturstaatssekretär Tim Renner über die Kraft der Kultur in Zeiten von Corona. Renner war zu dem Zeitpunkt noch Bewerber für die SPD-Kandidatur für den Bundestag. Auf Seite 3 interviewt Saleh den Charité-Vorstand über die Gesundheitspolitik des Landes unter der Ressorzuständigkeit der Parteikollegin Senatorin Kalayci. Ein konkreter Bezug zur Arbeit der SPD-Fraktion in der Spandauer BVV ist auch hier nicht zu erkennen.
In der September-Ausgabe 2020 berichtet Raed Saleh, wie die Landespolitik den „Wumms“ umsetzt, mit dem SPD-Bundesfinanzminister Scholz das Land aus der Krise führt. Thema ist auch der „Wumms“, mit dem die Landespolitik Tabletts für Schüler beschafft und damit das sozialdemokratische Prinzip umsetzt. Es geht auch darum, was die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus unter der Führung von Saleh Zuschüsse für Unternehmer durchgesetzt hat. Auf Seite 3 plaudert Saleh mit dem Mitglied der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus Kohlmeier zu seinen Erfahrungen und Motivationen in der Landespolitik. Auf Seite 8 lobt SPD-Kreischef Saleh dann seine Partei-Nachwuchsorganisation Jusos für ihre klasse Aktion, bei der sie zusammen mit SPD-Mitgliedern zwölf Wochen lang die Kieze geputzt haben. Ein konkreter Bezug zur Arbeit der SPD-Fraktion in der Spandauer BVV ist auch hier nicht zu erkennen.
Der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Berlin, Alexander Kraus, fällte ein vernichtendes Urteil über den „Spandauer Rathausbrief“: „Öffentlichkeitsarbeit über die Arbeit der BVV-Fraktion ist hier praktisch nicht zu finden. Stattdessen wird dieses Blättchen mit allgemeinen Artikel aufgebläht, um so Parteiwerbung für die SPD und Sympathiewerbung für ihr Spitzenpersonal auf Landesebene in die Briefkästen der Wähler im Bezirk zu transportieren. Auch Berichte über die Verwaltungsarbeit der SPD-Bezirksstadträte haben nicht den geforderten engen Bezug zur Arbeit in der BVV-Fraktion.“
Der Bund der Steuerzahler Berlin hält den „Spandauer Rathausbrief“ daher für einen eklatanten Verstoß gegen die Vorschriften zur Parteienfinanzierung, den man auch nicht mehr für ein Versehen halten kann. Sein Vorsitzender Kraus hat den Vorgang daher auch beim Berliner Rechnungshof und dem für Parteienfinanzierung zuständigen Referat beim Bundestagspräsidenten angezeigt.
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