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Erschließung oder Straßenausbau?
Neue Regeln zum Erschließungsbeitrag
Eine Straße wird gebaut - bis wann muss die Kommune den Erschließungsbeitrag abrechnen? Jetzt gibt es mehr Klarheit für die Beitragszahler.
In Nordrhein-Westfalen haben alle 396 Städte und Gemeinden Erschließungsbeitragssatzungen nach Baugesetzbuch verabschiedet. Zusammen mit dem Baugesetzbuch (Bundesrecht) bildet die Erschließungsbeitragssatzung (Ortsrecht) die Rechtsgrundlage dafür, den Erschließungsbeitrag zu erheben.
Mit Erschließungsbeiträgen refinanzieren die Kommunen Investitionsaufwand, der ihnen z.B. bei der erstmaligen Herstellung von öffentlichen Fahrbahnen, Geh- und Radwegen, Parkstreifen, Straßenbeleuchtung und Straßenentwässerungsanlagen entsteht. Die beitragsfähigen Erschließungsanlagen sind in § 127 Baugesetzbuch im Einzelnen aufgeführt. Versorgungsleitungen für Gas, Wasser, Strom und Kommunikation (Telekom u.a.) gehören nicht dazu. Der Erschließungsbeitrag wird mit einem öffentlich-rechtlichen Abgabenbescheid – keine Rechnung im kaufmännischen Sinne – beim Eigentümer eines Grundstücks, das durch die erstmalige Herstellung z. B. einer Straße erschlossen wird, festgesetzt.
90 % der Kosten zahlen die Anlieger
Eine Auswertung der Erschließungsbeitragssatzungen in den 396 Städten und Gemeinden in NRW durch den Bund der Steuerzahler NRW hatte im Jahr 2019 ergeben, dass fast alle Kommunen in NRW lediglich 10% des beitragsfähigen Erschließungsaufwands selbst tragen. In der Regel werden also 90 % des Aufwandes auf die betroffenen Grundstückseigentümer überwälzt. Positive Ausnahme von dieser Regel: die Gemeinde Hüllhorst. Dort teilen sich die Gemeinde und die Grundstückseigentümer den Aufwand zu gleichen Teilen. Die Städte und Gemeinden in NRW haben übrigens kein Wahlrecht, ob sie den Aufwand, der ihnen bei Baumaßnahmen an öffentlichen Straßen entsteht, nach Erschließungsbeitragsrecht (Baugesetzbuch) oder nach Straßenbaubeitragsrecht (§ 8 KAG NRW) abrechnen. Bei der Zuordnung der Maßnahmen gibt es klare gesetzliche und rechtliche Vorgaben.
Neu: Höchstfrist von zehn Jahren
Mit der Erhebung der Erschließungsbeiträge dürfen sich die Kommunen aber nicht mehr endlos Zeit lassen. Das war in der Vergangenheit anders. Künftig müssen Kommunen in NRW nach der tatsächlichen technischen Fertigstellung (d. h. wenn der „Vorteil“ für die Anwohner de facto eingetreten ist) eine Höchstfrist von zehn Jahren beachten. Innerhalb dieser Zeit müssen sie dem betroffenen Bürger den Erschließungsbeitrag berechnen. Darüber hinaus hat der Bund der Steuerzahler NRW erreicht, dass im Gesetz sinngemäß stehen wird, dass unabhängig vom Eintritt der Vorteilslage die Beitragspflicht ausgeschlossen wird, wenn seit dem „ersten Spatenstich“ 25 Jahre vergangen sind (§ 3 Abs. 4).
Betroffene sollen Bescheid prüfen
Was kann ein Betroffener tun, wenn er einen Erschließungsbeitragsbescheid bekommt? Erster Prüfungsschritt: Kann die Kommune die Baumaßnahme nach Erschließungsbeitragsrecht abrechnen oder liegt ein Straßenausbau nach § 8 KAG NRW vor? Hier wäre besonders zu prüfen, ob die Straße bereits vor dem Stichtag 29. Juni 1961 zum inneren Anbau und dem innerörtlichen Verkehr zu dienen bestimmt war. Wird die Frage bejaht, können etwaige Erschließungsbeiträge der Kommune mit Erfolg vor dem Verwaltungsgericht angegriffen werden. Wird die Frage verneint, ist zu prüfen, ob es einen Zeitpunkt der tatsächlichen technischen Vorteilslage seit 1961 gegeben hat – ob also die Straße bereits einmal als technisch fertig angesehen werden konnte. Gibt es einen solchen Zeitpunkt, wird es nun eine Höchstfrist in NRW von zehn Jahren geben. Innerhalb dieses Zeitraums muss der betroffene Grundstückseigentümer den Erschließungsbeitragsbescheid erhalten.
Ob die längeren Fristenregelungen in § 3 Abs. 2 und 3 für so genannte Übergangsfälle mit höherrangigen Gesetzen und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Einklang stehen, darf bezweifelt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 24. November 2021 (Az. 1 BvL 1/19) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es bei der Frage der Erkennbarkeit der so wichtigen tatsächlichen Vorteilslage für den Betroffenen nicht darauf ankommt, dass
- eine wirksame Widmung der Erschließungsanlage vorliegt,
- eine wirksame Beitragssatzung vorliegt,
- die planungsrechtliche Rechtmäßigkeit der Herstellung der Anlage gegeben ist,
- der Eingang der letzten Unternehmerrechnung vorliegt,
- die Mängelfreiheit der technischen Ausführung vorliegt,
- der vollständige Grunderwerb vorliegt.
Die zuletzt dargestellten Argumente führen die Kommunen gern an, wenn sie erklären müssen, warum es so lange gedauert hat, bis der Erschließungsbeitragsbescheid beim Bürger angekommen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass diese Argumente einen verspäteten Erschließungsbeitragsbescheid nicht mehr rechtfertigen können.
Fazit : Wir leben in NRW bei den Erschließungs- und bei den Straßenbaubeiträgen in einer spannenden Übergangszeit. Betroffene sollten sich deshalb ihre Beitragsbescheide genau anschauen und dabei auch die Hilfe des BdSt NRW in Anspruch nehmen.